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Die Sonne, die mir lacht. Karl-Heinz Becker
Читать онлайн.Название Die Sonne, die mir lacht
Год выпуска 0
isbn 9783347058347
Автор произведения Karl-Heinz Becker
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Während der Tippelbruder in den Rest der saftigen Stulle biss, wurde in ihm eine starke Sehnsucht nach Geborgenheit wach. „Wissen Sie“, sprach die Sekretärin, die sich als Maria Bauer vorstellte, „es ist komisch. Glaube kann man sich ja nicht aneignen. Er ist ein Geschenk Gottes.“ - „Und warum habe ich ihn dann nicht?“, kam es aus Karls vollem Mund. „Bevorzugt Ihr Gott einzelne Menschen?“ Ernst, aber auch mit einem Hauch von Leichtigkeit schaute Maria Bauer ihn an. „Nun, in dieser Jahreslosung steckt ja beides drin: Glaube und die Bitte um das Glaubensgeschenk.“ Karl blickte ihr in die Augen: „Geht das so einfach, mit Bitten?“ Freundlich erwiderte Maria den Blick ihres Gegenübers: „Hinter dieser Bitte steckt ja mehr. Es ist nichts Oberflächliches, sondern eine große, große Offenheit des Menschen, der so spricht.“ Das schien Karl einzuleuchten. „Und“, fuhr sie fort, „eine große Verzweiflung. Da bittet ein Vater, dessen Kind schwer erkrankt ist. Er fleht Jesus um Hilfe an.“ „Ihr mit eurem Jesus“, entfuhr es Karl. Dann hielt er sich erschrocken die Hand vor den vollen Mund. „Verzeihung.“ Die Sekretärin schmunzelte. „Kein Problem, das ist ja wahrscheinlich alles neu für Sie.“ Karl nickte. Mit dem letzten Bissen im Mund mochte er nicht mehr sprechen. „Übrigens“, sagte Maria und stand auf, „mögen Sie einen Schluck Kaffee?“ Verwirrt nickte Karl. Soviel Freundlichkeit war ihm lange nicht mehr begegnet. Dankbar umschloss er mit seinen rauen Händen den warmen Becher, den ihm Frau Bauer reichte. Als das warme Getränk seine Speiseröhre hinabfloss, fühlte er sich beinahe wie im siebten Himmel. „Ein interessanter Begriff“, dachte er bei sich. „Woher mag er wohl stammen?“ „Ja, wir mit unserem Jesus“, führte Maria Bauer das unterbrochene Gespräch fort. „Das will ich Ihnen sagen: Weil Gott mit ihm Gesicht gezeigt hat hier auf Erden. Und, er ist für die Ärmsten und Verzweifelten da.“ Zweifelnd schaute Karl sie an. Das klang gut gemeint. Aber was half es ihm? Andererseits …, hatte er es nicht gut gehabt hier im Büro mit Essen und Trinken? Die Sekretärin schien seine Zweifel zu ahnen. „Kommen Sie mal mit. Sie kennen doch unseren Pastor?“ „Ja“, murmelte Karl und nickte. „Ich bringe Sie mal zu ihm. Der kann vielleicht mehr für Sie tun?“
Überrascht sah Pastor Dreimann auf, als seine Sekretärin gemeinsam mit Karl bei ihm auftauchte. Er reichte dem Obdachlosen die Hand. „Wir sind uns ja schon einige Male begegnet“, meinte der Pfarrer freundlich. Dabei schaute er Karl eine Weile sinnend an, um dann zur Überraschung seines Gegenübers mit einem ungeahnten Vorschlag herauszuplatzen: „Wissen Sie was, wir haben hier ein Gästezimmer mit einer Dusche. Es steht derzeit leer. Wollen Sie einige Tage darin verbringen?“ Karl stand mit offenem Mund da. Wollten die etwas von Ihm? Aber nein, wer sollte ihn schon bestechen. Innerlich schmunzelte er über sich selbst. Dann kam zögernd ein „Ja, danke“ aus ihm heraus. Und während Maria Bauer sich in ihr Büro zurückzog, holte der Pastor zusammen mit Karl dessen Utensilien ins Haus und führte ihn ins Gästezimmer. „Vielleicht ist es gut, wenn Sie nach dem Duschen Ihre Kleidung wechseln“, meinte Dreimann. „Ein paar neue Sachen haben wir sicher auch. Ich suche Ihnen welche zusammen.“
Tage später sah Karl schon anders aus. Sauberer Pullover, saubere Hose. Häufig saß er zu den Mahlzeiten bei der Pastorenfamilie mit am Tisch. Immer wieder drehten die Gespräche sich um den Glauben, die Jahreslosung – deren Begriff ihm der Theologe erklärt hatte - und Jesus.
Als alter Vagabund zog es Karl jedoch immer wieder nach draußen. Meistens suchte er seine Schicksalsgenossen auf, unter Brücken und in Tunnelgängen. Die befragten ihn neugierig nach seiner neuen Kleidung und wo denn sein Schlafsack sei? Als die Buddel kreiste, nahm Karl nur einen kleinen Schluck. - „Nanu“, hieß es, „magst du den Stoff nicht mehr?“ Karl räusperte sich, schluckte noch einmal. „Nein“, kam es langsam aus ihm heraus, „ich habe etwas … etwas Besseres gefunden.“ Dann erhellte sich sein angespanntes Gesicht allmählich. Wie ungewollt flammte in ihm ein innerer Geistesblitz auf: „hilf meinem Unglauben“ … Und er erzählte stockend aber immer freudiger von seinen Erlebnissen der vergangenen Tage.
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