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der Welt in dem süßen Saft etwas von der gekelterten Kraft dieser Sonne und der Unerschöpflichkeit seiner gesegneten Erde.

      Auch sein dunklerer Landesbruder, der Tabak, erweist sich konservativer als ich vermeint. In Cachoeira, dieser alten historischen Stadt, wo Häuser noch Schießscharten gegen die Indios tragen, haben sich die großen und berühmten Zigarrenfabriken des Landes zusammengefunden. Als alter Diener Sankt Nicotins hatte ich hier Dankbarkeit für manche duftige Zigarre zu sagen und wollte im stillen mir schuldbewußt nachzählen, wieviel solcher grüner Felder mit Tausenden und aber Tausenden Blättern ich in all den Jahren meines Lasters in Rauch verwandelt. Wählen ist immer schwer, und so sah ich alle drei Fabriken. Aber »Fabriken« ist hier ein übertriebenes Wort, denn ich hatte schon gefürchtet, ich würde nur mächtigen stählernen Maschinen gegenüberstehen, die an einem Ende den geschichteten Tabak einschlucken und am andern Ende die Zigarre gerollt, gehüllt, etikettiert und womöglich schon in die Schachteln gepreßt herausreichen, wodurch man ja in solchen Fabriken immer den Eindruck hat, eigentlich nur großen Automaten zuzusehen und nicht einem realen Umwandlungsprozeß. Aber nichts von alldem. Hier in Brasilien ist auch dieser Prozeß nicht maschinisiert. Jede Zigarre wird hier mit der Hand gemacht oder vielmehr: an jeder einzelnen arbeiten zwanzig bis vierzig geschickte Händepaare. Und man kann – für jeden Raucher eine Überraschung – der allmählichen Verwandlung zublickend, erstaunend wahrnehmen, wieviel Mühe sich unter seinem dünnen Deckblatt verbirgt. Hunderte dunkelfarbige Mädchen sitzen in diesen Sälen nebeneinander, jede Gruppe anders tätig, und im Durchschreiten macht man den ganzen Werdegang einer Zigarre gleichsam optisch mit. Im ersten Raum der Tabak, wie er vom Felde kommt, die großen, schon getrockneten Blätter, die einen merkwürdig bitteren und scharfen Duft ausatmen. Nach der ersten Sortierung – Frauen besorgen sie, die inmitten eines solchen Tabakbergs sitzen wie Bäuerinnen auf einem Strohschober – werden die Rippen losgelöst. Dann erst beginnt das Walzen des Tabaks zur Form der Zigarre, eine andere Gruppe gibt mit einem Messer vor einem Meßstab ihnen das gleiche Maß. Aber noch sind sie nur nackter Tabak, negerhaft und unbekleidet. Das Deckblatt muß ihnen erst Form und auch Geschmack geben. Jedoch – sonderbare Böswilligkeit der Natur – Brasilien, seit Jahrhunderten das reichste Tabakland, hat alle Formen des Tabaks, nur dieses eine Tabakblatt, aus dem das Deckblatt geformt wird, will hier nicht gedeihen. So muß dieses Deckblatt – Milliarden und Milliarden solcher Blätter – aus Sumatra hergeschafft werden, und an jeder Zigarre, die man achtlos schmaucht, haben zwei Erdteile Anteil, Asien und Amerika, und wir rauchen sie meist noch in dem dritten. Ist das Deckblatt endlich umgeschlagen, so muß eine andere handfertige Künstlerin die Spitze drehen, wieder andere schwarze Finger kleben die Etikette um, wieder andere die Steuerzettel (die hier in Brasilien allem anhaften außer dem neugeborenen Kinde). Dann erst kommt die Cellophanhülle, die Packung, das Zuschneiden, das Füllen der Kisten und der Brandstempel darauf – fast schäme ich mich, eine Zigarre in den Mund zu stecken, seit ich weiß, wieviel Mühe daran hängt. Und als ich die Hunderte gebeugten Rücken all dieser braunen Mädchen sah, fühlte ich schuldbewußt, wie viele Rücken ich so gebeugt. Aber derlei Bedenken dauern nicht lang. Und da diese Potentaten gastfreundlich mich mit Kistchen ihres trefflichen Fabrikats beschenkten, gingen, noch ehe wir nach Bahia zurückkehrten, einige dieser Skrupeln in blauem, kühlem Rauch auf.

      Den dritten der drei Potentaten Nordbrasiliens, den Kakao, konnte ich nicht in seiner eigenen Residenz besuchen. Denn der Kakao hat seinen Lieblingsort in feuchten und schwülen Zonen unter einem Schirmdach von Urwaldbäumen, die ihm die erwünschte – und uns höchst unerwünschte – Treibhauswärme geben, in der er, umschwirrt von Myriaden Moskitos, am besten gedeiht. Aber glücklicherweise besitzt er außerdem ein elegantes Stadthaus in Bahia, das Instituto do Cacau, wo man in plastischem Bilde die blühenden Bäume mit ihren Früchten bequemer betrachten kann. Denn das ist das Sonderbare dieses Baumes, daß er gleichzeitig blüht und Frucht trägt; während die Früchte als kleine Kürbisse in einer Pflanzung abgeerntet werden, sind die andern schon nachgereift, und die Ernte kann also gewissermaßen in continuo erfolgen. Die Kerne, welche den süßen, schmackhaften Saft geben, sind – auch dies mußte ich erst lernen – bitter, und es erfordert sehr umständliche Prozeduren der Reinigung, Entbutterung, Sterilisierung, ehe hier die prallen Säcke mit elektrischen Rollen bis ins Schiff befördert werden; hier allein haben schon ganz moderne Methoden eingesetzt, und dieses Institut ist somit Kaufhaus, Warenhaus, Museum, Universität des Kakaos, und man lernt hier mehr in einer Stunde als daheim aus hundert Büchern.

      Recife

      Ungern – Bahia ist zu schön, zu verlockend! – besteigt man das Flugzeug, das einen weiter nordwärts trägt nach – wie soll man es nennen: Pernambuco oder Recife oder Olinda? Die Stadt hat eigentlich drei Namen; wenn Kaufleute Waren verschicken, konsignieren sie sie nach Pernambuo. Aber ich liebe die alten Namen der zwei Schwesterstädte, Recife und Olinda, die eigentlich schon in eine verschmolzen sind; seit Jahren klingt mir die Melodie der musikalischen drei Silben Olinda nach und erinnert an alte Bücher und Legenden aus jener verschollenen Zeit, da die Stadt ihren vierten Namen noch hatte: Maurietsstaad. Denn so sollte sie heißen nach Moritz von Nassau, der sie erobert und hier ein kleines Amsterdam begründen wollte mit blanken sauberen Straßen und einem schön geziegelten Palast; sein gelehrter Lobpreiser Barleus hat uns die Pläne und Abbildungen in dem mächtigen Foliobande übermittelt, der das einzige Denkmal des holländischen Dominiums geblieben ist. Vergebens suchte ich hier den Palast, den hoch berühmten, die mächtigen Zitadellen, die Häuser mit ihren holländischen Hügeln und die Windmühlen, die er zur Erinnerung an die Heimat mit herüberbrachte – entschwunden und verschwunden alles bis zum letzten Stein! Nichts ist vom Vergangenen geblieben als die alten portugiesischen Kirchen von Olinda und ein paar der stillen Kolonialstraßen, freilich dies alles durch eine friedliche und liebliche Landschaft verschönt. Olinda hat nichts von der Großartigkeit Bahias, nicht jene mächtige Vista der hoch erhobenen Stadt; es ist ein romantischer Winkel, ganz in Stille und Natur gehüllt, ein träumerischer Ort, seit Jahrhunderten mit sich selbst allein und kaum hinüberblickend zur lebendigeren, jüngeren Schwesterstadt. Denn Recife ist ganz Fortschritt und Regsamkeit: ein Hotel, das jedem Ort Amerikas Ehre machen würde, ein schöner Flugplatz, moderne Straßen, und in den modernen Einrichtungen steht es unter den ersten der brasilianischen Städte. Radikal fegt hier der Gouverneur die mocambos weg, die Negerhütten, die wir als so romantisch empfinden, und baut – ein sehr bemerkenswerter Versuch – jeder Erwerbsgruppe eigene Häusergruppen. Die Wäscherinnen, die Schneiderinnen, die kleinen Beamten erhalten gegen langsame und leichte Abzahlung helle freundliche Häuschen mit elektrischem Licht und allen neuzeitlich-technischen Errungenschaften statt ihrer ungesunden Quartiere; in ein paar Jahren oder Jahrzehnten wird sich hier eine Musterstadt entfalten. Und so reist man hier von Kontrast zu Kontrast, von der alten Stadt zur neuen, von dem Urwald in die Neuzeit ist es hier oft nur ein Schritt, nichts ist hier gleichgültig und schablonenhaft und jeder Tag einer Reise eine andere Entdeckung.

      Flug zum Amazonas

      Und weiter nach Norden. Von Recife nach Belém an der Mündung des Amazonenstroms muß man sich – sonst dauerte es ebensoviele Tage als jetzt Stunden – des Flugzeugs bedienen; es sind kleine, nicht sehr bequeme Hydroplane, die einen fast jede Stunde an einer anderen Stadt der Küste absetzen, in Cabedelo, in Natal, in Fortaleza, Camocin, Amarração, São Luiz, ehe man endlich in Belém landet. Aber welche kleine, unbekannte Städte sonderlichster Art lernt man dadurch kennen und wieviel Landschaft! Es ist der einzige Weg, den man wählen soll, denn mit dem Schiff sieht man nur Schale ohne den Kern, nur die Küste und nicht das Land; eine Bahn wiederum und Autostraßen sind hier nur selten zur Stelle. Einzig diese Vogelschau gewährt eine erste Ahnung von der Vielfalt und Größe dieses Landes. Die eigentliche Überraschung in diesem unablässig abwechslungsreichen Bilde sind die Ströme. Wie viele Flüsse durchschneiden das Land und wie mächtig sind sie an ihren Mündungen, jeder einzelne, obwohl wir ihren Namen nie gehört, so gewaltig wie die größten unserer europäischen Ströme. Aber gleichzeitig erkennt man auch – und dies hat Brasilien sehr gehemmt in seiner Entwicklung – wie unwillig, fast möchte man sagen: wie boshaft, wie tückisch sie sich dem Verkehr verweigern. Statt sich zu verbinden oder mit starkem Gefälle dem Meer entgegenzuströmen, winden und krümmen sie sich unablässig und zögern in seichten Lagunen. So liegt das Land eigentlich noch verlassen; selten zeigt sich ein Weg oder ein Dorf, weit dehnen sich die Wälder, die in Wochen und Monaten kaum jemand

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