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Schweiz die grandiose Natur dieses Landes der Welt vertraut machen wollte. Welche Möglichkeiten eröffnen sich hier der Architektur in diesen mit fiebriger Geschwindigkeit wachsenden Städten, die immer stärker den Willen offenbaren, nicht mehr nach europäischem Schema und nicht auch nach dem nordamerikanischen, sondern in einer persönlichen Form zu gestalten! Viel wird in diesem Sinne hier versucht und einiges Wesentliche ist schon erreicht worden.

      In der Wissenschaft – einer Materie, wo mir persönlich Überblick und Wertung durch mangelnde Fachkenntnis versagt ist – haben die letzten Jahre einen erstaunlichen Fortschritt in der historischen und ökonomischen Selbstdarstellung des Landes gebracht. Fast alle früheren Dokumente und Darstellungen Brasiliens waren von Ausländern geschrieben worden. Im sechzehnten Jahrhundert ist es der Franzose Thévet, der Deutsche Hans Staden, im siebzehnten der Holländer Berleus, im achtzehnten Jahrhundert der Italiener Antonil und im neunzehnten Jahrhundert der Engländer Southey, der Deutsche Humboldt, der Franzose Debret und der von Deutschen abstammende Varnhagen, denen man die eigentlich klassischen Darstellungen des Landes dankt. Aber in den letzten Jahrzehnten sind es die Brasilianer, die sich der Aufgabe angenommen haben, ihr Land und seine Geschichte auf Grund sorgfältigster Quellenstudien verständlich zu machen, und zusammen mit den sehr gründlichen Publikationen der Regierung und der einzelnen Staaten umfaßt diese Literatur schon allein eine ganze Bibliothek. In der Philosophie ist als merkwürdigstes Phänomen zu verzeichnen, daß der Positivismus Auguste Comtes hier eine Schule und sogar eine Kirche gegründet hat; ein gut Teil der brasilianischen Staatsverfassung ist von den Formeln und Anschauungen des französischen Philosophen durchsetzt, der hier ungleich mehr als in seinem Heimatland Einfluß auf das reale Leben genommen hat. Auf dem Gebiet der Technik wiederum hat vor allem der Aeronaut Santos Dumont unsterblichen Ruhm gewonnen durch seinen ersten Flug um den Eiffelturm und seine Konstruktionen von Aeroplanen, die in ihrer Kühnheit und Tatkraft den entscheidenden Anstoß zum Erfolg gaben. Ist der Prioritätsstreit heute auch noch immer im Gang, ob er es war oder die Brüder Wright, die zum erstenmal den Flug des Menschen in einem Flugzeug verwirklichten, das schwerer war als die Luft, so meint diese Frage eigentlich nur, ob Santos Dumont an zweifellos erster oder schlimmstenfalls bloß an zweiterster Stelle in dieser hervorragendsten und heroischsten Tat unserer neuen Welt steht, und dies ist genug, um seinen Namen für alle Zeiten in die Ehrentafel der Geschichte einzugraben. Sein Leben ist in sich selbst ein großartiges episches Gedicht des Wagemuts und der Selbstverleugnung, und unvergeßlich wie seine technische Tat werden die Taten seiner Menschlichkeit sein, jene beiden Briefe, die er verzweifelt an den Völkerbund richtete, damit dieser ein für allemal die Verwendung des Flugzeugs zu Bombenabwurf und anderen kriegerischen Grausamkeiten verbiete. Mit diesen beiden Briefen allein, welche die humanitäre Gesinnung seines Vaterlands vor der ganzen Welt proklamierten und verteidigten, hat sich seine Gestalt für alle Zeiten gegen jedes undankbare Vergessen geschützt.

      Setzt man also in die Bilanz die richtigen Zahlen ein, so ist die kulturelle Leistung Brasiliens heute schon eine außerordentliche. Richtig aber rechnet man nur, sofern man das kulturelle Alter dieses Landes nicht mit vierhundertfünfzig Jahren und die Zahl seiner Bevölkerung mit fünfzig Millionen einstellt. Denn Brasilien zählt seit seiner Unabhängigkeit nicht viel mehr als hundert, genauer hundertneunzehn Jahre, und von seiner Bevölkerung nehmen heute noch kaum mehr als sieben oder acht Millionen an modernen Lebensbedingungen produktiv teil. Ebenso führt jeder Vergleich mit Europa ins Leere. Europa hat unermeßlich mehr Tradition und weniger Zukunft, Brasilien weniger Vergangenheit und mehr Zukunft, alles Geleistete ist hier ein Teil des noch zu Leistenden, vieles, was Europa der jahrhundertealte Grundstock als selbstverständlich gewährt, ist hier noch aufzubauen, die Museen, die Bibliotheken, der durchgreifende Bildungsapparat; noch hat es der junge Künstler, der junge Schriftsteller, der junge Gelehrte, der Student hier hundertmal schwerer als in den besser dotierten und besser organisierten Lehranstalten Nordamerikas, sich Überblick und universelle Kenntnisse anzueignen. Noch spürt man hier manchmal eine gewisse Enge und anderseits Ferne von den aktuellen Bemühungen unserer Zeit, noch ist das Land nicht seiner eigenen Proportion entsprechend entwickelt, noch wird jeder Brasilianer ein Jahr Europa oder Nordamerika als die richtige letzte Stufe seiner Studien empfinden, noch hat Brasilien trotz allen und allen unseren Torheiten von unserer alten Welt Auftrieb und Antrieb zu empfangen.

      Aber anderseits hat auch der Europäer, der zu kürzerem oder längerem Besuch landet, schon viel hier zu lernen. Er begegnet einem anderen Raumgefühl, einem anderen Zeitgefühl. Der Spannungsgrad der Atmosphäre ist ein geringerer, die Menschen freundlicher, die Kontraste weniger vehement, die Natur näher, die Zeit nicht so überfüllt, die Energien nicht so bis zum letzten und äußersten gespannt. Man lebt hier friedlicher, also menschlicher, nicht so maschinell, nicht so standardisiert wie in Amerika, nicht so politisch überreizt und vergiftet wie in Europa. Dadurch, daß Raum ist um den Menschen, stößt nicht einer so ungeduldig mit dem Ellbogen gegen den andern, dadurch daß Zukunft ist in diesem Lande, ist die Atmosphäre unbesorgter und der einzelne weniger bekümmert und erregt. Es ist ein gutes Land für ältere Menschen, die schon viel von dieser Welt gesehen haben und nun in einer schönen, friedlichen Landschaft Stille und Zurückgezogenheit begehren, um all das Erlebte zu überdenken und auszuwerten. Und es ist ein wundervolles Land für junge Menschen, die ihre noch nicht ausgewerteten Energien in eine noch nicht ermüdete Welt bringen wollen, die noch restlos und freudig sich hier einpassen können und mitarbeiten an Entwicklung und Aufstieg. Von allen, die in den letzten Jahrzehnten aus Europa kamen, ist kaum einer zurückgekehrt; denselben Völkern, die heute sich jenseits des Ozeans sinnlos bekämpfen, ist hier eine gemeinsame Heimat des Friedens geworden. Und sollte – dies der glücklichste Trost in manchen Augenblicken unserer Verstörung – die Zivilisation unserer alten Welt sich wirklich in diesem selbstmörderischen Kampf vernichten, so wissen wir, daß hier eine neue am Werke ist, bereit, all das, was bei uns die edelsten geistigen Generationen vergeblich gewünscht und erträumt, noch einmal zur Wirklichkeit zu gestalten: eine humane und friedliche Kultur.

      6. Rio de Janeiro

      Vor fast vierhundert Jahren, 1552, schreibt Tomé de Sousa, da er in Rio landet: Tudo é graça que dela se pode dizer. Man kann es eigentlich nicht besser ausdrücken als dieser rauhe Kriegsmann. Die Schönheit dieser Stadt, dieser Landschaft läßt sich wirklich kaum wiedergeben. Sie versagt sich dem Wort, sie versagt sich der Fotografie, weil sie zu vielfältig, zu unübersichtlich, zu unerschöpflich ist; selbst ein Maler, der Rio in seiner Gänze darstellen wollte mit all seinen tausend Farben und Szenen, käme in einem einzigen Leben nicht zu Ende. Denn hier hat die Natur in einer einmaligen Laune von Verschwendung von den Elementen der landschaftlichen Schönheit alles in einen engen Raum zusammengerückt, was sie sonst sparsam auf ganze Länder verteilt und vereinzelt. Hier ist das Meer, aber Meer in allen seinen Formen und Farben, grün anschäumend am Strand von Copacabana von der unendlichen Ferne des Atlantischen Ozeans, bei Gávea wieder grimmig aufspringend an einzelnen Felsen und dann wieder in Niterói glatt und blau an den flachen Sandstrand sich schmiegend oder die Inseln zärtlich umschließend. Da sind Gebirge, aber jeder Gipfel und Hang anders geformt, schroff, grau und felsig der eine, umgrünt und weich der andere, spitz gestellt der Pão de Açúcar und wie von einem gigantischen Hammer flach geschlagen die Höhe von Gávea, hier zerrissen und zerzackt die Bergkette des Dedo de Deus, des Fingers Gottes. Jeder seine eigene Form eigenwillig bewahrend und doch alle in brüderlichem Kreise sich verbindend. Da sind Seen wie die Lagoa Rodrigo de Freitas und der von Tijuca, die die Berge, die Landschaft und gleichzeitig die elektrischen Linien der Stadt spiegeln, da sind Wasserfälle, kühl und schäumend aus den Felsen fallend, da sind Bäche und Flüsse, Wasser in allen seinen unfaßbaren Formen. Da ist Grün in allen Farben, Urwald bis knapp heran an die Stadt mit wuchernden Lianen und undurchdringlichem Dickicht, da sind Parks und gepflegte Gärten, die jeden Baum, jede Frucht, jeden Strauch der Tropen in scheinbarem Durcheinander und doch weiser Ordnung vereinen. Überall ist die Natur eine überschwengliche und doch harmonische, und inmitten der Natur die Stadt selbst, ein steinerner Wald, mit ihren Wolkenkratzern und kleinen Palästen, mit ihren Avenuen und Plätzen und farbig orientalischen Gäßchen, mit ihren Negerhütten und gigantischen Ministerien, mit ihren Badestränden und Kasinos – ein Alles-Zugleich, eine Luxusstadt, eine Hafenstadt, eine Geschäftsstadt, eine Fremdenstadt, eine Industriestadt, eine Beamtenstadt. Und über dem allen ein seliger Himmel, tiefblau des Tags wie ein riesiges Zelt und nachts besät mit südlichen Sternen; wo immer

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