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anlegte, bevor er überhaupt verstand, wie ihm geschah. Mit einer weiteren Fessel fixierte der Einbrecher Lindenthals Hals an der Saunabank.

      »Wer sind Sie?« wollte er fragen, doch die Halsfessel engte ihn zu stark ein. Auf der Zunge lagen ihm noch viele weitere Fragen, die er nicht mehr stellen konnte: »Was wollen Sie von mir? Wieso machen Sie das? Geht es um Geld? Muß ich noch beteuern, daß ich dem Phantomzeichner der Polizei gegenüber schweigen werde, obwohl ich Ihr Gesicht gesehen habe? Gehen Sie jetzt weg? Und sind Sie sicher, daß es klug ist, eine Flasche Rapsöl auf die Kohlen zu packen?«

      Lindenthal sah richtig: Der Eindringling legte eine Plastikflasche mit einem Liter Rapsöl auf die Kohlen in der Sauna und ging dann hinaus.

      Jetzt war Lindenthal klar, was ihm blühte – der gleiche Tod wie einem der Opfer in seinem Roman »Blutiger Westerwald«. Das war in seiner Sauna verbrannt, nachdem der Mörder es gefesselt und von außen einen schweren Grabstein an die Tür gelehnt hatte, damit sie sich von innen nicht mehr öffnen ließ. In Lindenthals Roman hatte der Mörder sich durch das Sichtfenster in der Tür alles freudig angesehen:

      »Stirb, du Schwein«, dachte Rogowski und weidete sich daran, wie Leonhards Haut kross wurde und in Flammen aufging. Es war lustig, die einzelnen Feuerstellen aufspringen zu sehen, während das Leben in Leonhards Augen erlosch …

      Als Lindenthal die Plastikflasche schmelzen sah, gab er sich selbst noch zwei Sekunden.

      Der Plopplaut, mit dem das Öl explodierte, klang bescheiden, aber das Feuer röstete Lindenthals Haut von der Stirn bis zu den Knien, und der Brand, der darauf folgte, verzehrte ihn bis auf die Knochen.

      »Das kann kein Einzeltäter gewesen sein«, sagte Hauptkommissarin Elke Farian, als sie das Meßergebnis prüfte. Der Grabstein, den der Mörder an die Saunatür gelehnt hatte, wog neunzig Kilogramm. »Wie soll jemand ganz allein einen derartig schweren Stein die Kellertreppe runtergetragen haben? Und man klaut auf dem Friedhof auch nicht eben mal so einen Grabstein von diesem Kaliber, wenn man nicht mindestens einen Komplizen hat …«

      Oberkommissarin Anna Schubert nickte und signalisierte mit zwei Fingern vor dem Mund ihr Interesse an einer Zigarettenpause.

      »Gut«, sagte Kommissarin Farian. »Laß uns rausgehen.«

      Neben dem Eingang des Gebäudes stand zu diesem Zweck ein sandgefüllter Betonkübel bereit, der nur unregelmäßig geleert wurde. Wer unbedingt rauchen will, schien dieses Ding zu besagen, der kann es zwar tun, doch er soll sich bloß nicht einbilden, daß er oder sie einen hübscheren Aschenbecher verdient hätte.

      Die beiden Frauen rauchten eine Weile stumm vor sich hin. Dieser Mordfall bot ihnen viel Stoff zum Nachdenken. Nicht einmal ein Augenbrauenhärchen schienen die Täter in dem Haus zurückgelassen zu haben. Nur den Grabstein und ein paar Scherben auf dem Fußboden vor der Terrassentür. Und was nicht verbrannt war, hatten die von Lindenthals Nachbarn alarmierten Feuerwehrleute geflutet oder zertrampelt. Und kein Mensch hatte irgendwen kommen oder gehen sehen. Es war genau wie in Lindenthals Krimi: eine verkohlte Leiche in der Sauna und keine einzige heiße Spur.

      »Und was macht deine Urlaubsplanung?« fragte Kommissarin Schubert. »Mecklenburger Seenplatte oder wieder Schiermonnikoog?«

      »Weder noch. Mein Mann will ins Gebirge …«

      Dann wurde Kommissarin Farian ans Telefon gerufen.

      »Guten Tag, Frau Kollegin. Hauptkommissar Gerold hier aus Uelzen. Ich hab von Ihrem Fall in Hachenburg gehört. Ist Ihnen bekannt, was bei uns in Bad Bevensen passiert ist?«

      »Nein. Überraschen Sie mich.«

      Er setzte sie ins Bild.

      »Das sind wirklich ganz erstaunliche Parallelen«, sagte Kommissarin Farian. »Und wie kommen Sie voran?«

      »Keinen Millimeter. Der Kerl ist ein Phantom.«

      »Sie gehen davon aus, daß es nur einer ist?«

      »Es ist mir bereits ein Rätsel, wie ein einziger Mensch so wenige Spuren hinterlassen kann. Bei zwei oder drei Tätern würde das schon an ein Wunder grenzen.«

      »Vielleicht haben wir’s in Hachenburg ja mit einem Nachahmungstäter zu tun.«

      »Möglich ist alles. Das mit den Glasaugen haben wir allerdings nicht an die Öffentlichkeit gegeben.«

      »Sehr vernünftig. Halten Sie mich bitte auf dem laufenden über Ihre Ermittlungen.«

      »Eine Hand wäscht die andere«, sagte Kommissar Gerold.

      3

      Drei Seemeilen nördlich von Spiekeroog machten zwei Aale Jagd auf einen Hering. Er war auf einem Auge blind, seit er in der Nacht zuvor mit einer Makrele gekämpft hatte, und seine Chancen standen schlecht. Auf dem Meeresboden hätte er sich vielleicht in einem gesunkenen Krabbenkutter oder hinter dem versteinerten Backenzahn eines Mammuts verstecken können, aber nicht hier oben, nur ein paar Meter unter der Wasseroberfläche, ohne jeden Schutz durch seinen Schwarm, den er nach dem Zusammenstoß mit der Makrele nicht mehr wiedergefunden hatte.

      Er geriet in Konfusion, so wie die meisten Heringe außerhalb ihres Schwarms, und suchte sein Heil in der Flucht. Aber die Aale waren kräftiger und schneller. Mit dem heilen Auge erhaschte der Hering, als er sich umsah, einen Blick auf die spitzen Kieferzähne des einen Aals, der ihn verfolgte, während der andere aus dem toten Winkel auf ihn zuschoß.

      Es gab drei Augenzeugen dieser Attacke – einen Petersfisch, einen Heilbutt und einen Froschdorsch –, doch sie gingen auf Distanz. Sie hatten ihre eigenen Erfahrungen mit räuberischen Aalen gesammelt, und es lag ihnen nichts am Leben eines Herings. Wenn er den Appetit seiner Jäger stillte, umso besser.

      Auch von der Ohrenqualle, die dort herumschwabbelte, konnte sich der Hering keine Hilfe erhoffen. Quallen und Heringe hatten nie gelernt, einander beizustehen.

      Die Rettung kam von oben. Kurz bevor die beiden Aale zuschnappen konnten, fiel aus einem Boot etwas Großes und Blutiges auf sie herab: die enthauptete Leiche von Hobbe Hubertus Schepker, der die Inselkrimis »Mord auf Spiekeroog«, »Selbstjustiz auf Baltrum«, »Totschlag auf Sylt«, »Exitus auf Pellworm« und »Amoklauf auf Amrum« verfaßt hatte.

      Dem einäugigen Hering war es gleichgültig, um wen es sich dabei handelte. Er wollte einfach nur heim. Die Aale aber witterten eine fettere Beute und disponierten augenblicklich um. Und bissen zu.

      Ein Dornhai und zwei Zitterrochen, die auch etwas von dem Happen abhaben wollten, verjagten die Aale und fraßen sich am Bauchspeck satt. Das restliche Fleisch reichte in den folgenden Stunden sogar noch für dreihundert andere hungrige Mäuler, denn an seinem Todestag hatte Schepkers Körper zweihundertfünfzig Pfund gewogen. Ohne den Kopf.

      Am Hafen von Neuharlingersiel roch es nach Seetang und Meersalz, aber das nahm Fritjof Haferland kaum noch wahr, denn danach roch er selbst, und mit seinem Geruchssinn war es nicht mehr weit her, seit er hoch in den Siebzigern stand. Auch sein Gehör hatte gelitten, doch die Augen und die Beine waren noch intakt.

      Nach fast sechzig Arbeitsjahren als Fischer versah er zweimal in der Woche vormittags seinen Dienst als Wärter des Buddelschiffmuseums in Neuharlingersiel. Dank einiger Fernsehbeiträge hatte es überregionale Bekanntheit erlangt, und er wies die Besucher immer wieder gern auf die schönsten Modelle hin: Thor Heyerdahls Floß Kon-Tiki, ein Nilschiff mit Zweibeinmast, eine chinesische Dschunke, die sinkende Titanic und ein Atom-U-Boot.

      An diesem etwas windigen und regnerischen Vormittag war nicht mit vielen Leuten zu rechnen. Haferland nahm auf einem Stuhl neben der Eingangstür Platz und holte aus seiner Aktentasche eine Zeitschrift heraus, die den Titel Rätsel mit Pfiff trug. Ein Geschenk seiner Großnichte Paula aus Ziallerns.

      Südwind am Gardasee mit drei Buchstaben? Besser anderswo ansetzen, sagte sich Haferland. Zugmaschine am Verschiebebahnhof mit zehn Buchstaben? Woher sollte er das wissen? Er suchte sich ein anderes Kreuzworträtsel aus. Erkrankung am Pferdefuß mit fünf Buchstaben? Ja, waren die denn gaga, diese Rätselmacher?

      Den

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