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ELDORADO - Räuberpistole mit Fremdenführer. Klaus Schafmeister
Читать онлайн.Название ELDORADO - Räuberpistole mit Fremdenführer
Год выпуска 0
isbn 9783347068315
Автор произведения Klaus Schafmeister
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Am frühen Nachmittag waren die schwellenden Täler durchquert, und die Fuhre näherte sich dem unlängst noch umkämpften Höhenrücken von DosLaszivos, über den es via Schotterpiste talwärts ging in Richtung Nombredelrio und der Trockenebene des Malpais. Hier oben hielt sich die Natur merklich zurück; kalte Nebelschwaden zogen durch, Baumfarme mischten sich unter Kiefern und Kastanien; rechts und links des Pfades rosteten gelegentliche Reste von Kampfwagen; eine Flugzeugleiche stak dekorativ in den Schroffen und anderes Mordgerät. Paranusz steuerte den Renault vorsichtig zwischen den Wracks hindurch, umkurvte zerschellte Bäume und Granattrichter und bog endlich ab in Richtung ElPaseo, einem Kaff direkt unterhalb des Bergkamms, um den sich kürzlich noch Helden beider Seiten feste erschlagen hatten.
Auf ElPaseos Marktplätzchen war eine museale TinLizzy verreckt. Aus ihrem geborstenen Motor troff Öl zu einer Lache zusammen, der Holzvergaser an der Rückseite des Gefährts ließ nur noch einen dünnen Rauchfaden aus dem Schornstein. Ein dicker Schwarzer in einst weißem Kaftan hockte stoisch auf dem Trittbrett und umklammerte eine große bunte Blechdose. Er trug tintenblaue Filzpantoffeln an den Füßen und auf dem krausen Schädel ein ebenso azurnes Rundkäppi mit Goldstickereien - solche Kerls findest du sonst nur in Märchenbüchern oder gelegentlich noch auf den Bazaren von Tanger und Timbuktu, wo sie dir getürkte Nobeluhren und schwach doublierten Goldschmuck andrehen wollen, dazu merkwürdige Gewürzkompositionen, nachgemachte Altertümer und verbeulte Kupferpfannen. Doch wie er da thronte, wirkte er richtig hochwohlgeboren als ich noch Prinz war in Arkadien! Einen veritablen Lederbeutel hielten Majestät neben sich.
Zur weiteren Motivbelebung diente ein Haufe räudiger Köter und Kinder. Die beguckten den schwarzen Mann mit offenen Mäulern oder tollten ums Gefährt und darüber hinweg. Als sie des Renaults ansichtig wurde, sprang die Meute johlend und bellend auf das frische Opfer zu und war weder durch Hupen noch durch Flüche zu vertreiben. Paranusz musste so heftig bremsen, dass er mit der Stirn gegen die Scheibe stieß und den Motor abwürgte. Schimpfend kletterte er vom Fahrersitz – und wurde sogleich von der jiffenden Woge umspült. Doch bevor er der Eingeborenenbrut an die schmutzigen Hälse fahren konnte, war die wieder hinter der Blechliesel und in den Seitengassen verschwunden.
Die Cantina duckte sich unters knospende Kastaniendach des Marktplatzes. Paranusz ließ sich auf einen Stuhl fallen, rollte eine Zigarette, wurde träge. Auch hier starrte ein schläfriger EL SUPREMO vom Plakat überm Cantina-Eingang, krächzte aus dem Lautsprecher leise ein Ave Maria. Längs der Mauer darrten vorzeitliche Senores, aufgereiht in Korbstühlen, vom Leben zerknittert, von der Zeit vergilbt; die Strohhüte, die weißen Anzüge fadenscheinig geworden wie Haut und Haar der Altvorderen. Sie blickten ohne Regung in die Welt, als warteten sie auf die nächste; sicher hatten sie El Cid noch gekannt.
Der Wirt schlurfte herbei. Paranusz orderte ein Glas Tinto, zahlte gleich, trank. Fragte nach einer Weile über die Schulter in Richtung eines der alten Eisen, wie wohl die Zustände sein möchten auf dem Pass und hinunter nach Nombredelrio. Schob dem Greis den Tabaksbeutel hin. Der führte keine Zähne mehr im Maule, doch - wie unser Chauffeur – die Schärpe mit dem DetenteBala überm Herzen: ehrwürdiges Herz-Jesu-Amulett der Kirchentruppen; vom Nutzen solchen Schmucks ist noch zu reden.
Der Alte verharrte minutenlang wie versteinert. Plötzlich erwachte er, griff den Beutel, drehte ein Stäbchen mit knotigen aber flinken Fingern und schob es sich in den Mundwinkel. Paranusz zog Streichhölzer und gab Feuer. Der Greis inhalierte den Rauch, gebahr ihn zärtlich zurück aus Nase und krustigen Lippen, verbrachte eine Weile mit diesem Tun. Wandte den Aschekopf und ließ den Hidalgo heraus von vor –zig Jahren, funkelte den Bruder im HERRN an aus schwarzen Augenlöchern und wies mit großer Geste auf die Straße und aus dem Dorf hinaus: „Ein Geholper. Und Pack da oben wie früher. Trau keinem!“ Er bekreuzigte sich, endete: „Viva El DIO! Viva El SUPREMO!“ und ging erneut in Rauch auf. Seine Augen schlossen sich, den Moment bereits vergessen; der Caballero wehte zurück in seine innere Grabkammer, als hätte Paranusz nie daran gekratzt.
Auf der anderen Platzseite tat sich was. Der schwarze Mann kam herübergeschlendert, in seinem Gefolge zwei Typen. Die Gesellschaft baute sich vor Paranusz auf.
„Darf ich bekanntmachen?" Der Kaftanträger wies in die Runde. "In diesem ehrwürdigen Signore erblicken Sie Maestro Rinaldo Tagliatelle, mehrfacher Heldentenor und hochmögender Prinzipal des PiccoloTeatro Nuovo von der elegischen Mittelmeerinsel Lampedusa - dortens wohlbekannt aus Zeitung, Funk und Wochenschau! Und sein entzückendes Töchterlein, die begnadetste Tänzerin unter südlicher Sonne: LaEsmeralda!“
Auf die Proklamation hin traten die Genannten in den Ring: ein blutjunges hübsches Mädchen mit dunkelrotem Schopf und eben der ehrwürdige Theaterdirektor - der reichlich kurz geraten war: liliputanisch. Kleinwüchsig wie man auch sagt. Der dunkle Hofmarschall schwoll wieder an, wollte wohl noch Wichtiges kundtun, doch der kleine Herr, dem eine respektable Brustweite zu Eigen war, wischte ihm das Wort aus dem Maul mit knappem Fingerschnipp. „Genug palavert! Unser Personenstandsregister interessiert den Mann nicht einen Deut.“
Der Alte, der Prinzipal - egal die Länge, so einer hat das Sagen!
Herr Klitzeklein wies über die Schulter und auf den Ford. „Den alten Bock hats zerrissen, zu viel für ihn … Sie fahren, wie ich sehe, ein Automobil mit modernem petroleumbetriebenen Verbrennungsmotor und somit sicherlich im Auftrage der geschätzten Nobilität - und bestimmt bis Nombredelrio, gar weiter durch die Desertas in Richtung LaCita ELDORADO: nehmen Sie uns mit! Ihr Fahrzeug ist sicherlich stark genug, unser geringes Gewicht", er schielte auf den feisten Schwarzen, "auch noch zu tragen.“
So sprach der Lampedusier mit voller wohltönender Stimme, und „Bitte!“, flehte das Mädchen mit den Kastanienhaaren und dem liebreizenden Gesichtchen von zartbrauner Farbe; Paranusz wettete mit sich, dass die Kleine höchstens 16 war. Er legte aber vorsichtshalber erstmal die Stirn in Sorgenfalten und die Hand aufs Herz - auch seine Brust geziert (wie erwähnt) durch ein blechernes verbeultes DetenteBala wie der Kenner das kugelwehrende Herz-Jesu-Medaillon der Kirchentruppen nennt - ein fester Teil von ihm, ein Freund; fing es zwar noch keine Kugel, dafür jedoch den Huftritt eines rebellischen Maulesels ab (und zumindest einmal noch wird’s ihn vorm Loch bewahren).
Paranuszs Zweifel lösten sich jedoch auf in Wohlgefallen, als der pergamentgesichtige Princeps in seine Börse griff und dem Chauffeur einen Stapel Pesoscheine in die Hand drückte. Der ließ die Lappen in der Tasche verschwinden Guck dir diese Goldparmäne an! und verlangte die Pässe. Vater und Tochter wiesen sich auch dokumentenkorrekt als Italienische aus, und nach der Aufschrift auf Seiner Kurzheit Koffer firmierte diese in der Tat als (angeblicher) Teatrodirettore und honoriges Mitglied der Academia Musice di Lampedusa. Paranusz wars am Ende aber gleich, welchen Dreck einer am Stecken hatte, Hauptsache, er zahlte anständig!
Der Arkadische mochte ebenfalls nicht nachstehen und wedelte mit einer Herkunftsbescheinigung aus dem großen schwarzen Afrika (in dem als Vorname nicht etwa ein Casparmelchiorbalthasar verzeichnet stand, sondern nur ein einfallsloser Abdul), zog noch ein fleckiges Brevier aus dem Tasche, darin vom cimarronischen Agitationsbeauftragten bescheinigt dass der stattliche Maure samt den Italienischen sympathisierende Intellektuelle aus Europa und Afrika sind und sich in bewunderungswürdigerArt der Volksrevolution unter Einsatz von Körper, Geist und Seele als Kulturtragende zur angenehmsten Truppenbetreuung haben dienstbar gemacht! – ausschweifende Referenzen, aber hier nichts wert, sondern todgefährlich, weil von der falschen Fakultät. Für alle Eventualitäten zauberte Herr Abdul einen zweiten Wisch hervor, " …suchen Sie sich einen aus!", der aber genauso heikel werden konnte: hierin bürgten keine cimarronischen Horden, sondern es bescheinigte der Glaubenshüter der Südprovinz dem Trupp GOTTgefällige Kunst- und Kulturbeflissenheit! verbunden mit einem huldvollen Halleluja!
Mimbrejos Stirnrunzeln deutete das Prinzipalchen wieder falsch, trippelte sichtlich entnervt herbei, knurrte „ … hab dem blöden Kerl doch gleich gesagt, dass diese falschen Fuffziger nichts wert sind!“, ergriff dessen Hand und zog Herrn Abdul grob den Goldring vom Finger, nicht achtend des Schwarzen Geschnatter. Der Signore hielt dem Fuhrmann das Geschmeide vor die Nase, „ … wenn die Pesos nicht