ТОП просматриваемых книг сайта:
Iron Annie. Lisa M Hutchison
Читать онлайн.Название Iron Annie
Год выпуска 0
isbn 9783347100657
Автор произведения Lisa M Hutchison
Жанр Биографии и Мемуары
Издательство Readbox publishing GmbH
Albert legte einen schützenden Arm um seine zitternde Frau. „Ich denke, wir gehen jetzt besser. Es war wirklich wunderbar, dich zu sehen, liebste Mutter, ganz wie immer.“ Seine Stimme war eiskalt und Charlotte spürte sein leichtes Beben an ihrer Seite.
Seine Mutter zuckte nur mit den Achseln. „Wie du meinst“, sagte sie und begann dann zu keifen: „Und ich wette, jetzt, wo du verheiratet bist, bin ich nicht mehr Nutznießer, falls du mit deinem Flieger abstürzt?“
„Das warst du noch nie“, erwiderte Albert und damit stürmte er aus der Wohnung und zog Charlotte mit sich.
„Warte!“, schrie ihm seine Mutter nach. „Ich habe einen Brief für dich, den ganzen weiten Weg aus China. Ich frage mich, was du jetzt wieder vorhast…“ Damit schleuderte sie einen dünnen Briefumschlag in seine Hand und knallte die Tür hinter sich zu.
Albert stopfte ihn nur in seine Tasche und rannte die Treppen so schnell er konnte hinunter. Charlotte folgte ihm langsam, verständnislos angesichts dessen, was sie gerade erlebt hatte. Als sie sich ins Auto gesetzt hatten, legte Albert seinen Kopf in seine Hände und stieß einen langen Seufzer aus. „Das war meine Mutter“, murmelte er, „wie sie leibt und lebt.“
Charlotte streichelte seinen Arm. „Du hast jetzt Omi als Mutter“, sagte sie im Versuch, ihn zu beruhigen. „Lass uns zum Friedhof fahren, ein paar Blumen auf das Grab deines Vaters legen und dann kannst du den Brief lesen, wenn wir uns dort auf eine Bank setzen.“
Der Brief kam tatsächlich aus China und war in fast perfektem Deutsch verfasst. „Er ist von Zhou Enlai!“, rief Albert ungläubig aus. „Ich kann nicht glauben, dass er mir geschrieben hat!“
„Was schreibt er denn?“ Charlotte sah Albert bewundernd an – ein Brief aus China, das war wirklich unfassbar.
„Mein lieber junger Freund“, las Albert vor, „ich hoffe, es geht dir gut und du setzt bei deiner neuen Arbeit deinen Höhenflug fort (haha). Ich habe gehört, dass du in Berlin lebst, ein Ort, der mir und meinen Freunden sehr am Herzen liegt. Ich würde dich gern dazu einladen, für einen Besuch nach China zu kommen. Bitte melde dich, dein Freund Zhou.“
„Wie hast du ihn denn kennengelernt?“, wollte Charlotte wissen.
Albert erzählte ihr, dass seine Mutter nach dem Tod seines Vaters weitere Einkunftsquellen finden musste, und da sie in Göttingen lebten, einer wohlbekannten Universitätsstadt, mit vielen ausländischen Studierenden, hatte sie ein oder zwei Zimmer an Studenten vermietet.
Damals lernte Albert eine Reihe chinesischer Studenten kennen, unter ihnen niemand geringerer als Zhu De und Zhou Enlai, Der junge Albert verbrachte viele Stunden in angeregten Diskussionen mit den zwei kommunistischen Studenten. Er verachtete das Konzept des Kommunismus und hielt Kommunisten für Idealisten; immerhin hatte er die Kommunisten und Spartakusbündler in seinen ersten Militärjahren bekämpft.
Zhu De wurde später zum stellvertretenden Vorsitzenden sowohl der Volksrepublik China als auch der Kommunistischen Partei. Zhou Enlai wurde der erste Premierminister sowie Außenminister der Volksrepublik China von 1949 bis 1958.
„Das ist ja wundervoll“, antwortete Charlotte. „Vielleicht können wir beide eines Tages für einen Besuch nach China reisen.“
Sie blickte ihn verträumt an und Albert musste lachen – schnell umfing und küsste er sie.
„Wir werden sehen“, sagte er. „Lass uns jetzt ein nettes Café suchen und dann zu unserer Familie in Berlin heimkehren.“
Ein ausgezeichneter Vorschlag, dachte Charlotte.
Sie kamen nie nach China.
Kapitel 6
1936 fanden die Olympischen Sommerspiele in Berlin statt. Obwohl die Spiele vor Hitlers Machtübernahme an Deutschland vergeben worden waren, boten sie die perfekte Gelegenheit, seine Beliebtheit anzukurbeln und die Propaganda der Nazi-Doktrinen weiterzuverbreiten.
Berlin brummte vor Aufregung: Endlich war die Welt gekommen, um die Tüchtigkeit und den Triumph des neuen Deutschlands zu erleben, das aus der Asche des Ersten Weltkrieges emporgestiegen war.
Selbst Albert musste zugeben, dass sich das Leben für die Menschen in Deutschland im Durchschnitt durchaus dramatisch verbessert hatte seit Hitler an die Macht gekommen war. Gesetz und Ordnung waren endlich in dieses von Niederlagen, einschneidenden Schulden, hohen Kriminalitätsraten und Verlust des Nationalstolzes und persönlicher Würde gebeutelten Landes zurückgekehrt. Ungeachtet all dessen hatte er immer noch Zweifel an dem Regime. Vielleicht wird es ja auf lange Sicht funktionieren, sagte er sich selbst und versuchte, seine Bedenken zu zerstreuen.
Die Karten für die meisten Veranstaltungen waren schnell ausverkauft gewesen, besonders natürlich für die Eröffnungszeremonie. Charlotte war traurig dass sie nicht dazu in der Lage sein würden, dieses internationale Ereignis persönlich zu erleben, obwohl es in ihrer eigenen Stadt stattfand. Albert nickte nur, war er doch bereits im Besitz der heiß begehrten Karten. Grinsend deutete er auf seine Tasche. „Lotti, ich habe Karten für die Spiele!“, verkündete er seiner begeisterten Frau.
„Oh Albert, das ist ja unglaublich!“ Charlotte war atemlos vor Aufregung. „Ich habe gehört, dass es absolut nirgendwo in Berlin mehr Karten gibt – wie hast du das nur hingekriegt?“
„Ach, weißt du, manchmal kann dein Ehemann Wunder wirken“, schmunzelte Albert, erfreut darüber, seine Ehefrau so begeistert zu sehen.
„Ich hoffe aber mal, dass es keine der weniger populären Veranstaltung ist, Boxen zum Beispiel“, grübelte sie. „So was mag ich nicht – aber einfach schon dabei zu sein ist so spannend!“
Albert zog sechs Karten aus der Jackettasche! „Nein, meine Liebste, drei Karten sind für die Eröffnungszeremonie“ – hier gab Charlotte einen Juchzer der Verzückung von sich – „und drei sind für Leichtathletik.“
„Wirklich?“
„Ja“, meinte er, „Leichtathletik. Das könnte spannend werden – einer der Läufer ist ein schwarzer Amerikaner, der angeblich extrem schnell ist. Ich freue mich schon auf das Rennen.“
„Ach, aber sicherlich ist er nicht so schnell wie unsere Läufer Erich Borchmeyer oder Karl Neckermann“, betonte Charlotte.
„Wir werden es sehen“, erwiderte Albert. „Zu der Eröffnungszeremonie kannst du deine Mutter und Großmutter mitnehmen, ich muss nämlich nach Bagdad, Teheran und Beirut fliegen und werde daher für ein paar Tage nicht zuhause sein. Aber ich bin mir sicher, dass ihr Damen das Spektakel genießen werdet.“
Charlotte war etwas enttäuscht. „Was ist denn mit Manfred?“, fragte sie.
„Ich nehme ihn für ein paar Tage mit nach Erfurt. Er wird sich bestimmt nicht gerade freuen, aber er muss seine Schwester und Großmutter auch mal wiedersehen. Und das wird dir und Omi ein paar Tage für euch selbst ermöglichen.“
„Ach, wir werden ihn vermissen, und dich natürlich auch“, meinte sie und lächelte ihren Ehemann an. „Aber du hast recht, er soll auch weiter Kontakt mit seiner anderen Familie haben.“
Obwohl Charlotte ihre Arbeit und den zugehörigen Trubel vermisste, fand sie doch viel Gefallen daran, ihr Heim herzurichten. Wie versprochen zog Charlottes Mutter bei ihnen ein, ein Arrangement, das Vorteile für alle mit sich brachte. Oma liebte ihre neue Rolle als Kindermädchen der zwei Kinder, die sie vergötterten. Für Albert und Charlotte bedeutete dies eine völlig neue Welt der Reisefreiheit, sowohl im Flieger als auch, durchaus häufiger, im Auto.
Endlich war der Tag der Eröffnungszeremonie gekommen. Charlotte, Oma, und Omama schlossen sich der Menschenmenge an, die zum Olympiastadion strömte. Es war ein gigantisches, neu erbautes Stadion, das 110.000 Zuschauern Platz bot und über