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Die Stadt der Sehenden. Жозе Сарамаго
Читать онлайн.Название Die Stadt der Sehenden
Год выпуска 0
isbn 9783455812787
Автор произведения Жозе Сарамаго
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Das Gespräch dauerte nicht lange, Hier spricht der Wahlvorsteher des Wahllokals Nummer vierzehn, ich bin sehr beunruhigt, hier tut sich etwas höchst Merkwürdiges, bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch kein einziger Wähler erschienen, obwohl wir seit über einer Stunde geöffnet haben, keine Menschenseele hat sich blicken lassen, ja natürlich, das Unwetter will kein Ende nehmen, Regen, Wind, Überschwemmungen, ja natürlich harren wir hier standhaft und geduldig aus, deshalb sind wir ja gekommen, das ist doch selbstverständlich. Von da an trug der Wahlvorsteher nur noch mit mehrmaligem Kopfnicken, ein paar unterdrückten Ausrufen und drei oder vier angefangenen und nicht beendeten Sätzen zu dem Gespräch bei. Als er den Hörer auflegte, blickte er seine Tischkollegen an, doch in Wirklichkeit sah er sie gar nicht, es war, als hätte er ein Bild mit lauter leeren Sälen vor Augen, mit unberührten Wählerverzeichnissen, wartenden Wahlvorstehern und Schriftführern, Parteienvertretern, die sich misstrauisch beäugten und ausrechneten, wem wohl die Situation zum Vorteil und wem zum Nachteil gereichte, und im Hintergrund ein durchnässter, diensteifriger Wahlhelfer, der gerade von der Eingangstür zurückkommt und verkündet, es sei niemand in Sicht. Was hat das Innenministerium gesagt, fragte der PDM-Vertreter, Sie wissen auch nicht, was sie davon halten sollen, natürlich bleiben bei dem schlechten Wetter viele zu Hause, aber dafür, dass überall in der Stadt praktisch das Gleiche passiert wie hier, haben sie keine Erklärung, Warum sagen Sie praktisch, fragte der PDR-Vertreter, In einigen Wahllokalen, allerdings nur in ganz wenigen, sind Wähler erschienen, aber der Zulauf ist äußerst gering, so etwas hat es noch nie gegeben, Und im übrigen Land, fragte der Vertreter der Linken, es regnet doch nicht nur in der Hauptstadt, Das ist ja das Beunruhigende, an manchen Orten regnet es genauso stark wie hier, und trotzdem gehen die Menschen wählen, natürlich sind es in Gegenden, wo schönes Wetter herrscht, mehr, und wenn wir schon beim Thema sind, es heißt, der Wetterbericht hat eine Besserung für den späten Vormittag vorausgesagt, Trotzdem kann es auch noch schlimmer kommen, denken Sie nur an das Sprichwort, Am Mittag zieht’s sich zu, oder es klart auf, warf der zweite Wahlhelfer ein, der bis dahin noch nicht den Mund aufgemacht hatte. Es wurde still. Da fasste der Schriftführer in die Außentasche seines Jacketts, holte ein Mobiltelefon heraus und wählte eine Nummer. Während er auf die Verbindung wartete, sagte er, Das ist ungefähr so wie die Geschichte vom Berg und dem Propheten, da wir die Wähler, die wir nicht kennen, nicht fragen können, warum sie nicht wählen kommen, fragen wir eben die Familienangehörigen, die wir kennen, Hallo, Liebes, ich bin’s, du bist also zu Hause, warum bist du noch nicht wählen gekommen, dass es regnet, weiß ich wohl, meine Hosenbeine sind immer noch nass, ja, das stimmt, entschuldige, ich habe vergessen, dass du mir gesagt hast, du würdest nach dem Mittagessen kommen, natürlich, ich ruf dich an, weil das hier ganz schön vertrackt ist, wenn ich dir sage, dass bisher kein einziger Wähler erschienen ist, um seine Stimme abzugeben, dann glaubst du mir womöglich gar nicht, ist gut, dann warte ich hier auf dich, Küsschen. Er legte auf und bemerkte süffisant, Zumindest eine Stimme ist gesichert, meine Frau kommt heute Nachmittag. Der Wahlvorsteher und die übrigen Mitglieder des Wahlvorstands sahen einander an, es war klar, dass sie dem Beispiel folgen mussten, doch keiner von ihnen wollte der Erste sein, denn damit hätten sie indirekt zugegeben, dass der Schriftführer hinsichtlich Einfallsreichtum und Beherztheit in diesem Wahllokal den Sieg davongetragen hatte. Dem Wahlhelfer, der zur Tür gegangen war, um nachzusehen, ob es noch regnete, fiel die Einsicht nicht schwer, dass er noch viel lernen musste, um an einen Schriftführer wie diesen hier heranzureichen, der mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt einem Mobiltelefon eine Stimme abringt, so wie ein Zauberkünstler ein Kaninchen aus dem Hut zaubert. Als er sah, dass der Wahlvorsteher sich in eine Ecke zurückgezogen hatte und mit seinem Mobiltelefon zu Hause anrief und dass die anderen es ihm in diskretem Flüsterton mit wiederum eigenen Telefonen gleichtaten, würdigte der Wahlhelfer von der Tür insgeheim den Anstand seiner Kollegen, nicht die dort installierten, für den offiziellen Gebrauch bestimmten Festnetzapparate zu benutzen und somit dem Staat Geld zu sparen. Der Einzige, der, da er kein Mobiltelefon besaß, wohl oder übel darauf warten musste, was die anderen erzählten, war der PDL-Vertreter, wobei noch hinzugefügt werden muss, dass der arme Mann allein in der Hauptstadt wohnte, seine Familie hingegen auf dem Land, und er daher niemanden hatte, den er hätte anrufen können. Eins nach dem anderen wurden die Gespräche beendet, am längsten dauert das des Wahlvorstehers, der offensichtlich die Person, mit der er spricht, zwingen will, auf der Stelle zu kommen, was soll das noch werden, eigentlich hätte ja er als Erster anrufen müssen, doch da der Schriftführer ihm nun einmal zuvorgekommen ist, sei es auch recht, schließlich haben wir bereits gesehen, dass dieser zum Schlag der forschen Menschen zählt, hätte er die Hierarchie gewahrt, so wie wir das tun, hätte er die Idee einfach an seinen Vorgesetzten weitergegeben. Der Brust des Wahlvorstehers entrang sich ein tiefer Seufzer, er steckte das Telefon ein und fragte, Nun, haben Sie etwas erfahren. Die Frage war nicht nur überflüssig, sondern auch, wie sollen wir sagen, ein klein bisschen unfair, erstens, weil man, so wie das Wort Erfahren zu verstehen ist, immer etwas erfährt, selbst wenn es uns nichts nützt, und zweitens, weil der Fragende eindeutig seine Amtsautorität missbrauchte, um von seiner eigenen Pflicht, nämlich höchstpersönlich den Informationsaustausch einzuleiten, abzulenken. Wenn wir also diesen Seufzer und den fordernden Nachdruck, den wir zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Telefongespräch herauszuhören meinten, noch nicht vergessen haben, müssen wir folgerichtig annehmen, dass das Gespräch mit der betreffenden Person, vermutlich einem Familienmitglied,