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      Tod Ei Jedermann! ist so fröhlich dein Mut?

      Hast deinen Schöpfer ganz vergessen?

      Jedermann Was fragst um das zu dieser Stund?

      Bekümmerts dich? wer bist? was solls?

      Tod Von deines Schöpfers Majestät

      Bin ich nach dir ausgesandt

      Und das in Eil: drum steh ich da.

      Jedermann Wie, ausgesandt nach mir?

       Greift nach seinem Herzen.

      Alle stehen ohne Atem. Dem möchte wohl so sein. Ei ja.

      Tod Denn ob du ihm gibst wenig Ehr

      In der himmlischen Sphär denkt er dein,

      In welcher Weis, das soll dir gleich gemeldet sein.

       Hugo von Hofmannsthal: „Jedermann“

      Stefan Benz

      Theaterherz

      Herr Beck und der Tod

      des reichen Mannes

       .

      © 2020 Stefan Benz

      Umschlag, Illustration: Rebecca Jaweed

      Verlag & Druck: tredition GmbH,

      Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN

      978-3-347-06929-9 (Paperback)

      978-3-347-06930-5 (Hardcover)

      978-3-347-06931-2 (e-Book)

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

       Inhalt

      Erster Aufzug: Lear

      Zweiter Aufzug: Gunderloch

      Dritter Aufzug: Jedermann

      Vierter Aufzug: Adam

      Fünfter Aufzug: Argan

      Die Personen

      Justus Beck, Theaterkritiker mit krankem Herzen

      Paula Berlepp, seine Haushälterin

      Juliane, seine längst verstorbene Frau

      Franz Mager, sein junger Freund

      Bernd Rudolf, Polizeipräsident

      Claudia Cestonaro, Mitarbeiterin der Kurstadtzeitung

      Marco Cestonaro, ihr Sohn

      Antonia Weißmehl, Wellness-Mitarbeiterin für alle Fälle

      Ulf Stroh-Engel, Kommissar in Bad Weinfurt

      Constantin Olth, Sensationsjournalist aus der Hauptstadt

      Kevin Jung, Lokalchef der „Neuen Post“ in Bad Weinfurt

      Hermann Castus, Großwinzer und Mäzen

      Anatol Wildmoser-Bettencour, Intendant der Festspiele

      Cornelia Hartmann, Star der Festspiele

       Erster Aufzug: Lear

      1Seine Zeit war abgelaufen. Alle wussten es. Nur er nicht. Er hatte seinen Beruf aufgegeben und seine Immobilien verschenkt. Von einer Pflegeversicherung hatte er wohl noch nie gehört. Nicht mal den Nießbrauch für seine diversen Immobilien hatte er sich im Grundbuch eintragen lassen. Wie dumm von ihm. Nun vertraute der alte Narr darauf, dass seine Kinder ihn aufnehmen und pflegen würden. Dabei hatte er ihnen als Vater immer vorgelebt, worauf es im Leben wirklich ankommt: Macht und noch mehr Macht. Und nun wunderte er sich, dass seine Töchter keine aufopferungsvollen Krankenschwestern geworden waren, dass sie Karrieristen an ihrer Seite hatten, die einen lästigen Schwiegervater lieber früher als später loswerden wollten. Zumal der Alte ständig herumnörgelte.

      Justus Beck schaute auf die Uhr. Er ertrug diesen Griesgramgreis nur sehr schwer. Der alte Mann mit dem Holzschwert in der schlaffen Hand und dem riesigen Schnuller an der gelbbraun verfärbten Windel sollte endlich sterben. Das war zwar erst der dritte Akt von „König Lear“, aber das Elend dauerte schon zu lange. Deutlich über eine Stunde! Der gebrechliche Herrscher hatte sein Reich an die undankbaren, aber instinktiv kniefälligen Töchter Goneril und Regan vermacht. Schwester Cordelia, die um ihre Vaterliebe kein Aufhebens getrieben hatte, ging leer aus, wurde enterbt und verstoßen. Dabei hätte sie sich doch um ihn gekümmert. Bei Goneril und Regan aber waren Papa Lear und sein Gefolge bald nicht mehr willkommen. Shakespeare kannte eben auch bei Senilität keine Gnade. Und Schauspieldirektor Bernd Huber, der Regie führte, hatte auch kein Mitleid mit König Lear: Der alte Mann war an diesem Abend im Stadttheater ein klarer Fall für die Demenz-WG, hielt sich für einen mächtigen Patriarchen, dabei bestand sein Gefolge aus Spielzeugrittern, die ihm Regan und Goneril nach und nach alle wegnahmen. Sein Gehstock war ein Infusionsständer auf Rollen, dessen Schlauch in seine linke Armbeuge mündete. Sein Schlachtross war ein Schaukelpferd, und die beiden Burgen seiner Töchter sahen aus, als hätte sie ein Riesenbaby mit enormen Legosteinen gebaut.

      Der Alte war also auf dem Weg zurück in die infantile Verblödung. Und seine herzlosen Töchter, die als viel beschäftigte Geschäftsfrauen Hosenanzüge trugen, waren drauf und dran, den alten Wirrkopf entmündigen zu lassen. Abgedankt und abgeschoben: „König Lear“, ein gerontologisches Drama zum demografischen Wandel. So hatte die Dramaturgie Shakespeares Seniorentheater angekündigt. Was nicht im Programmheft stand: Regisseur Huber inszenierte aus eigener Erfahrung. Nachdem seine Mutter drei polnische Pflegerinnen vergrault und mit der Schwiegertochter Streit angefangen hatte, war „König Lear“ nun Therapie, Absolution und Rache zugleich. Der Schauspieldirektor hatte die widerspenstige Alte entnervt ins Pflegeheim abgeschoben und zeigte seinem Publikum jetzt, was für eine unerträgliche Last die Eltern doch sein konnten. Nicht dass er damit hausieren gegangen wäre, aber es war Kantinengespräch, und die stellvertretende Vorsitzende der Theaterfreunde sorgte dafür, dass es auch Stadtgespräch wurde. Prompt wurde ihr im Theater Hausverbot erteilt, wovon sie Politiker und Presse in ausführlichen Telefonaten in Kenntnis gesetzt hatte. Auch Beck kannte jetzt alle hässlichen Details. Leider machte dieses Wissen den Theaterabend nicht vergnüglicher.

      Im Grunde sei Hubers Mutter dement, ihren Sohn habe sie als Versager beschimpft, die Pflegerinnen als seine Nutten, enterben habe sie ihn wollen und halbnackt zum Fenster heraus gekeift, er wolle sie entmündigen und würde sie verhungern lassen, dabei sei die Pflegschaft die ganze Zeit beim Vormundschaftsgericht verhandelt worden, wo Huber gegen einen amtlichen Betreuer prozessierte. Beck fragte sich, warum der Schauspieldirektor nicht gleich sein eigenes Familiendrama auf die Bühne brachte und den armen alten Lear dafür in Ruhe ließ.

      Doch nichts da. Im dritten Akt war Lear nun endgültig zurück im Spielzimmer seiner Kindertage. Der König mit der vollen Windel stand im Sturm von Papierschnipseln zusammen mit dem Narren und einem verbannten Grafen unter einer Plexiglaskuppel. Nur noch eine Spielzeugfigur in einer Schneekugel war der größte Greis des Welttheaters.

      Jaja, Beck hatte verstanden. Aber das ging ihm schon zu lange und war ihm auch zu grob, wie der alte Mann da debil und inkontinent vorgeführt wurde. Beck erwischte sich bei dem Gedanken, dass er sich über seine eigene Zimperlichkeit wunderte. Sonst war er doch nicht so dünnhäutig im Theater. Seit bald vierzig Jahren schrieb er Kritiken für die „Neue Post“, aber an diesem Abend tat ihm das Theater tief im Herzen weh. Zum ersten Mal.

      War es jetzt soweit? Erkannte er sich schon selbst in König Lear? Oder was sollte der plötzliche Anfall von Empfindsamkeit? Irgendwas war verkehrt mit dieser Inszenierung. Sie schmeckte stumpf, sie sah unscharf

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