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ich würde es nie herausfinden, wenn ich es nicht zumindest probierte.

      Ironie des Schicksals – so sah meine erste Auftrittserfahrung aus: Ich wollte nicht auf die Bühne und man musste mich dazu überreden. Ich erzähle immer, dass ich einfach nur faul war, aber eigentlich waren es meine Nerven, die mich fertigmachten. Damit hatte ich schon immer zu kämpfen gehabt. Ich war als Junge nie ein vor Selbstvertrauen strotzender Performer gewesen, der für alle singen wollte. Vielmehr sang ich alleine in meinem Zimmer – und das war’s auch schon. Zwar schauspielerte ich als Kind, aber da konnte ich in eine Rolle schlüpfen und mich dahinter verstecken.

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      /Zeit für einen Neuanfang

      Singen war eine ganz andere Geschichte. Nicht einmal vor meinen Eltern hatte ich richtig gesungen, geschweige denn vor Publikum und laufenden Kameras. Ich glaube, meine größte Motivation bestand darin, dass ich damit vielleicht meiner Familie finanziell helfen könnte. Zwar glaubte ich keine Sekunde daran, es zu schaffen, aber ich wollte ihnen zeigen, wie viel sie mir bedeuteten. Dass ich heute hier stehe, verdanke ich der Tatsache, dass meine Mum an jenem Tag so sehr an mich glaubte.

      Fünf Jahre später erklärte ich nun meinen Eltern, dass ich eine Solokarriere anstrebte und mein eigenes Material schreiben würde … Ihre Reaktion war, gelinde gesagt, verhalten. Mum war wie immer auf meiner Seite. Sie glaubt an mich, egal, was ich mache. Aber Dad hielt sich zurück. Er war nicht dagegen, aber er ist eher realistisch eingestellt. Und das ist auch gut so. Er spornt mich an, über mich hinauszuwachsen. Man braucht beides, um seinen Charakter auszubilden: Unterstützung und Herausforderung.

      ,,Als wir dann durchstarteten, hätte uns nichts und niemand auf das vorbereiten können, was uns bevorstand.''

      ,,Wenn du jung bist, scheint es wichtig, sich allen anderen anzupassen, aber inzwischen begreife ich, dass meine Zurückhaltung und Eigenwilligkeit nur Teile meiner persönlichkeit waren – und das ist nichts Schlechtes.''

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      Zeit für einen Neuanfang/

      Mein Vater Yaser fuhr immer schon total auf Musik ab. Als ich klein war, machte er es sich zur Aufgabe, mich für Hip-Hop aus den Neunzigerjahren zu begeistern. Ständig spielte er mir Biggie Smalls (alias The Notorious B.I.G.) und Tupac vor. Beide machten starken Eindruck auf mich. Außerdem liefen noch Prince, Bob Marley und Gregory Isaacs. Auch sie beeinflussten meine Musik auf Mind of Mine. Dads Plattensammlung ist eine große Inspiration. Seine Liebe für Musik hat auf mich abgefärbt, seit ich ganz jung war.

      Dads Reaktion auf meine Solopläne ging mir unter die Haut, aber auf positive Weise. Ich wollte ihm beweisen, dass ich es schaffen konnte – zum Glück hat es geklappt. Als er zum ersten Mal Mind of Mine hörte, schrieb er mir eine SMS: „Bin stolz auf dich, Sohn.“

      Die Unterstützung meiner Familie war für mich ein Grund, ihnen, als ich Erfolg mit der Band hatte, ein Haus zu kaufen. Es war meine Art, ihnen für alles zu danken. Als Kind hatte ich nicht viel, aber trotzdem gaben mir meine Eltern alles. Deshalb wollte ich ihnen etwas zurückgeben. Und das traf nicht nur auf meine Eltern zu. Meine ganze Familie hat mich immer sehr unterstützt.

      * * *

      Meine Großmutter Jean hatte ebenfalls einen riesigen Einfluss auf mich. Leider ist sie 2016 gestorben und ich vermisse sie sehr. Sie kommentierte alles, was ich tat. Immer stand sie mir zur Seite und war sehr stolz auf mich. Ich bin so froh, dass sie mich auf dem Höhepunkt meines Erfolgs mit One Direction erleben durfte. Ich glaube, dass ihr manche der Texte etwas zu weit gingen, aber sie war immer mein Fels in der Brandung.

      familie

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      Zeit für einen Neuanfang/

      Als ich klein war, betrieben meine Großmutter und mein Großvater Walter ein Pub. Es hieß Bradford Arms, und als Erinnerung an die beiden habe ich mir meine eigene kleine Kneipe in meinem Londoner Garten bauen lassen. Dort hänge ich gerne mit meinen Freunden ab. Von außen sieht es nicht nach viel aus. Im Grunde habe ich einfach den größten Schuppen vom örtlichen Heimwerker-Superstore gekauft. Die Bude ist voll mit Erinnerungsstücken. Ich habe auch die Samtvorhänge und das Sofa aus dem Bradford Arms dort. Auch das Original-Schild aus dem Pub haben sie mir gegeben. In meinem Privat-Pub habe ich außerdem noch Zapfhähne und solchen Kram. In London ist das so etwas wie mein Rückzugsgebiet, ein zweites Zuhause, das mich an meine Wurzeln erinnert.

      Nicht nur meine Eltern und meine Großmutter hatten großen Einfluss auf mich. Als Kind war ich meist von Frauen umgeben. Meine Tanten – oder „Poppos“, wie ich sie nannte – waren wie Zweitmütter für mich. In ihren Häusern ging ich ganz selbstverständlich ein und aus, und ihre Kinder waren wie Geschwister für mich. Jedes Mal, wenn One Direction nahe Bradford auftrat, kamen sie alle vorbei. Drei Busladungen voll mit meinen Verwandten! Die ganze Sippe war total aufgeregt und nahm in der Konzerthalle eine ganze Sitzreihe oder noch mehr in Anspruch. Es war ziemlich cool, zu ihnen rüberzuschauen, während ich mit der Band sang. Sie jubelten, tanzten und drehten komplett durch. Es gehört zu meinen Highlights, dass ich meine Erfahrungen mit One Direction mit meiner ganzen Familie teilen konnte.

      ,,Es gehört zu meinen highlights, dass ich meine Erfahrungen mit One Direction mit meiner ganzen Familie teilen konnte.''

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      /Zeit für einen Neuanfang

      kINDhEIT

      Als ich in Bradford aufwuchs, wusste ich schon, dass ich etwas Kreatives machen wollte, aber es dauerte ewig, bis mir klar wurde, was das sein würde und wie ich es machen wollte. Ich war ziemlich wild. Da ich als Kind echt schlecht darin war, mich auszudrücken, übertrieb ich es oft. Ich war sehr unkonzentriert, ließ meine Gedan-ken andauernd umherschweifen. Ständig gab es Probleme mit mir. Einmal wurde ich an der Tong High School mit einem Luftgewehr erwischt. Es war nicht geladen, aber als ich damit herumfuchtelte, kam das nicht gut an. Ein paar meiner damaligen Lehrer haben mich unlängst als Musterschüler bezeichnet, aber ich sehe das anders. Ich war einfach ein Nerd, der ein kreatives Ventil brauchte.

      Später stellten Ärzte die Diagnose, dass ich extrem hyperaktiv sei. Sie nennen das auch ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit Hyperaktivität). Ich denke, dem menschlichen Verhalten sind keine Grenzen gesetzt. Einem Kind ADHS zu bescheinigen kann bei manchen zu Lösungen führen, aber sich auf andere auch negativ auswirken. Heute glaube ich, dass der Grund für meine hyperaktive Persönlichkeit war, dass ich keine kreative Betätigung hatte, für die ich mich hätte begeistern können. Meine ganze Energie staute sich auf, bis ich an meine Grenzen stieß und einfach explodierte. Deshalb war und ist Boxen bis heute sehr wichtig für mich.

      Ich habe Boxen schon als Kind gemocht. Mein Dad und ich standen beide drauf. Ich durfte nur dann lange aufbleiben, wenn ein großer Kampf im Fernsehen lief. All die Lichter und

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