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werdet vielleicht annehmen, dass die Zeit, als ich die Band verließ, enorm spannend für mich war, denn ich konnte ja nun tun und

      ,,Ich finde, es ist schon ziemlich viel über mich gesagt worden und darüber, warum ich One Direction verlassen habe.''

      lassen, was ich wollte. Aber wenn ich ehrlich bin, war das gar nicht so. Eigentlich fühlte ich mich eher verloren. Zwar stand für mich fest, dass ich meine eigene Musik machen wollte, aber ich war irgendwie orientierungslos. Alle, die ich aus der Musikbranche kannte – die Jungs, die Crew, das Management, der Rechtsanwalt –, all das gehörte mit dem Tag meines Abschieds der Vergangenheit an. Dafür war ich nun selbst verantwortlich, und das war äußerst verwirrend. Plötzlich ganz auf mich selbst gestellt zu sein, war verdammt beängstigend. Ich verbrachte viel Zeit alleine und versuchte, meine nächsten Schritte zu planen. Rückblickend denke ich, ich brauchte diese introspektive Phase, die man durchmacht, wenn mit einem Schlag alles wegfällt, was man seit fast einem halben Jahrzehnt gewohnt ist. Irgendwann begriff ich, dass ich jemanden brauchte, der mich öffentlich vertrat. Ich hatte Glück, dass meine Pressesprecherin mich auf eine neue Managementfirma hinwies, die ausschließlich von Frauen geleitet wurde. Ich bin in erster Linie von Frauen erzogen worden, also hörte sich das für mich gut an. Von nun an hatte ich wieder verlässliche Unterstützung. Sie verstanden, was mir vorschwebte, die Musik, die ich machen wollte, und ich wusste instinktiv, dass sie die richtigen Leute waren, um mir zu helfen.

      * * *

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      Freier Fall/

      One Direction machten zweifellos tolle Popmusik. Es ist aber kein Geheimnis, dass diese Art Pop nicht ganz mein Ding ist. Gegen Ende meiner Zeit in der Band wuchs mein Verlangen, die Melodien und Beats, die für uns komponiert wurden, hinter mir zu lassen, mich in meinem eigenen Stil auszudrücken und Texte über das zu schreiben, woran ich glaubte. Ihr müsst wissen, dass keiner von uns bei der Musik viel mitzureden hatte. Zumindest am Anfang nicht. Wenn ich vorschlug, etwas mehr auf R&B-Art zu singen, wurde dennoch ein poppiger Ansatz vorgezogen, weil das eben von uns erwartet wurde. Und als wir reifer wurden und die anderen Jungs ihren eigenen Sound entwickelten, unterschied er sich wiederum von meinem eigenen. Ich riss mich aber zusammen, weil die positiven Reaktionen, die wir weltweit erhielten, einfach unglaublich waren. Außerdem schien es für meine Kameraden zu passen, und das hatte ich zu respektieren. Für mich war es ehrlich nicht leicht, dass sich unsere Geschmäcker so unterschieden. Ich fühlte mich ein bisschen so, als würde ich in eine Form gepresst, in die ich nie passte. Ich wollte im Studio zu Themen singen, die mir etwas bedeuteten, und nicht nur die Textzeilen eines anderen wiedergeben.

      Als Band bereisten wir die ganze Welt. Wir verbrachten viel Zeit in Tourbussen und Flugzeugen. Dort ließ ich meiner Kreativität freien Lauf. Zwischen den Konzerten lagen viele Stunden, in denen ich mich hinsetzte und schrieb. Eigentlich bei jeder Gelegenheit – auch spät in der Nacht und obwohl ich wusste, dass wir mein Material mit der Band ohnehin nicht umsetzen würden. Da steckte kein Masterplan dahinter; ich hatte nicht vor, mich davonzumachen, um eine Solokarriere zu starten. Ich wollte einfach meinen eigenen Stil entwickeln und opferte meine Freizeit für das, was ich am liebsten tat. Mittlerweile begreife ich, dass One Direction mir half zu erkennen, was ich tun musste, nämlich meinen eigenen Sound finden. Erst ganz am Ende meiner Zeit in der Band begab ich mich alleine in Studios, um zu experimentieren. Es schien mir wichtig, eine freiere Zeiteinteilung zu haben, nicht ständig zu tun, was andere Leute für mich oder für sich selbst als richtig ansahen, sondern meine eigenen Entscheidungen zu treffen.

      Als ich aus der Band ausstieg und zum ersten Mal ins Auge fasste, meine eigene Musik zu veröffentlichen, war das größte

      ,,Ich wollte im Studio über Dinge singen, die mir etwas bedeuteten, und nicht nur die Textzeilen eines anderen wiedergeben.''

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      Freier Fall/

      Hindernis, dass ich mir über meinen Sound noch nicht im Klaren war. Ich hatte bloß ein paar musikalische Bausteine und textliche Ideen, aber nicht mehr. In der Anfangszeit von One Direction hatte ich noch nicht allzu viel Lebenserfahrung, ich war nur ein Junge aus Bradford, der bei einem Casting von X Factor aufkreuzte. Ich träumte davon, Solokünstler zu werden, hatte jedoch keinen blassen Schimmer von der Branche, geschweige denn von dem, was nötig gewesen wäre, um den Grundstein für eine solche Karriere zu legen. Ich wurde bei One Direction einfach mit vier anderen Jungs zusammengesteckt. Wir wurden von einer verrückten Welle mitgerissen und traten vor ausverkauften Arenen auf. Die Fans bestürmten uns überall. Es war ziemlich überwältigend.

      One Direction eröffnete mir ein irres Ausmaß an Möglichkeiten. Allerdings landete ich in einer Welt, die mir unbekannt war und mich

      ,,Ich weiss jetzt, dass ich mit 19, 20 oder sogar 21 nicht so weit war, Solokünstler zu werden. In den fünf Jahren in der band lernte ich als junger

      mensch enorm

      viel über die

      branche.''

      einschüchterte. Bevor ich mich bei X Factor versuchte, war ich noch nicht einmal in London gewesen. Und schon gar nicht war ich im Flugzeug um die halbe Welt gejettet. Bei meinem ersten Flug war ich sehr nervös. Da half es auch nicht, dass die Jungs mir einredeten, das Flugzeug würde einen Looping machen, sobald wir in der Luft wären. Ich hätte mir fast in die Hosen gemacht. Natürlich war das nur Spaß, aber dass ich ihnen glaubte, unterstreicht meine damalige Naivität. Ich war zwar nicht direkt in einem Kokon aufgewachsen, aber doch in einer Stadt, aus der nicht viele Leute jemals herauskamen. Ich schätze mich glücklich, dass ich diese Chance erhielt. Für uns fünf, die wir aus eher bescheidenen Verhältnissen stammten, war es ein Abenteuer und wir nahmen die Möglichkeiten, die sich uns boten, freudig an. Aber egal, wie weit wir zusammen reisten, ich fühlte mich immer ein bisschen als Außenseiter. Vielleicht lag es ja daran,

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      /Freier Fall

      dass ich aus Bradford stammte, oder an meinem Akzent, meinem gemischtkulturellen Hintergrund oder meiner Religion. Keine Ahnung. Aber alle um uns herum – das Management, die Plattenfirma, die Anwälte – wirkten im Vergleich zu uns so piekfein. Alles, was mir vertraut war, wurde durch etwas Fremdartiges ersetzt. Das kann einen schon verwirren. Ich bin in einer Familie mit großem Zusammenhalt aufgewachsen, und da war es schwer, plötzlich so weit weg von ihnen zu sein.

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