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Ein Sattel zuviel. Larry Lash
Читать онлайн.Название Ein Sattel zuviel
Год выпуска 0
isbn 9783745211443
Автор произведения Larry Lash
Жанр Вестерны
Издательство Readbox publishing GmbH
„Ich habe euch meinen Bruder verschwiegen“, begann sie. „Er war nur zwei Jahre älter als ich. Ohne ihn wäre es mir nach dem tragischen Tod meiner Eltern wohl schlecht gegangen. Meine Eltern kamen bei einem Eisenbahnunglück ums Lehen. Mein Bruder sorgte für mich. Er war es, der das elterliche Geschäft verkaufte und versuchte, in der Stadt ein neues Leben zu beginnen. Damals glaubte er, dass es genügte, jung und stark zu sein, wenn man das Glück zwingen wolle. Es kam alles anders, als Rod es sich erhofft hatte. Die große Stadt nahm uns nicht freundlich auf, aber was noch schlimmer war, niemand kümmerte sich um uns. Anfangs besaßen wir noch genügend Geld, um im Hotel wohnen zu können. Mein Bruder versuchte immer wieder, Arbeit zu bekommen. Doch immer wieder kam er von vergeblicher Arbeitssuche niedergeschlagen nach Hause. Wir mussten schließlich aus dem Hotel ausziehen, und es war schwer für uns, eine andere Unterkunft zu finden. Zu diesem Zeitpunkt versuchte ich, Arbeit zu bekommen, und das glückte mir auch. Meinem Bruder war das nicht recht, und so stritten wir uns oft aus nichtigen Anlässen. Immer wieder sagte ich Rod, dass es gleichgültig sei, wer von uns das Geld bringe, es sei für uns beide nur wichtig, zu leben und nicht unterzugehen. Bald würde es sicherlich besser werden. Anfangs hatte ich mit dem Zureden noch Erfolg, aber später wurde er mutloser und immer schweigsamer. Eines Tages kam er abends nicht wie gewohnt zurück, sondern erschien erst gegen Morgen. Meine Angst, dass ihm etwas zugestoßen sei, war unbegründet. Ich weiß noch, wie ich mich bemühte, ihm keine Vorhaltungen zu machen. Als ich aber sah, dass er betrunken war, konnte ich mich nicht beherrschen. Er unterbrach meinen Redeschwall nicht, sah mich nur spöttisch an und setzte sich auf einen Stuhl. Dann kramte er in seiner Westentasche, zog einen Packen Dollarnoten hervor und warf ihn auf den Tisch. Dabei sagte er, dass mir das wohl den Mund stopfen würde, und dass er jetzt am Zuge sei. Mir verschlug es die Sprache. Entsetzt betrachtete ich die Dollarscheine. Ihm schien es höllischen Spaß zu machen, mich so verblüfft und erschrocken zu sehen. Ich fragte ihn, woher er das Geld habe. Schließlich bequemte er sich zu sagen, dass er weder jemand umgebracht noch einen Raubüberfall ausgeführt habe. Er hätte einen Job bekommen, und das Geld sei die Anzahlung. Umsonst bemühte ich mich, mehr von ihm zu erfahren. Er rückte nicht mit der Sprache heraus und ließ mich schließlich allein, um seinen Rausch auszuschlafen.
Ich brauche euch sicherlich nicht zu sagen, dass für mich eine Welt einstürzte. Meine Angst um Rod war riesengroß geworden. Ich ging wie gewohnt meiner Arbeit nach. Mein Bruder schlief tagsüber, und sobald es dunkel wurde, machte er sich auf, um seiner Arbeit nachzugehen, wie er sagte. Ich versuchte, ihm zu folgen, doch immer wieder verstand er es, mich abzuhängen. Ich wagte es auch nicht, mich allzu weit von unserer Wohnung zu entfernen. In den großen Städten ist es bei Anbruch der Dunkelheit für eine Frau gefährlich. Ich ahnte es damals nur, aber ehrbare Bürger und angesehene Politiker können gleichzeitig Angehörige von Banden sein. Das sollte ich alles noch erfahren.
Einer der hochangesehenen Bürger der Stadt war Jack Topper. Er war Bankier und Friedensrichter, ein Mann, der das Auftreten eines Gentleman hatte. Wer ihn sah, musste ihn für die Anständigkeit in Person halten.
Mit der Zeit bekam ich heraus, dass mein Bruder bei diesem Mister Topper angestellt war. Das beruhigte mich etwas und gab mir das Gefühl, dass mein Bruder einer ehrlichen Arbeit nachging. Der Zufall aber wollte es, dass ich eines anderen belehrt werden sollte. Damals glaubte ich, dass es ein Zufall gewesen sei, heute glaube ich nicht mehr daran. Das Schicksal spielt uns die harten Tatsachen auf den Tisch, und wir haben mit ihnen fertig zu werden.
Rod arbeitete in Wirklichkeit nicht für Jack Topper, sondern für Lester Novelle. Er gehörte zu den Leuten, die unorganisierte Geschäftsleute mürbe machten und sie dazu brachten, an Novelles Bande Tribute zu zahlen. Das ist ein übles und raues Geschäft. In schändlicher Art wurden die Leute zusammengeschlagen, die sich der Bande zu widersetzen versuchten. Es kam immer wieder zu harten Auseinandersetzungen. Nicht nur mit den Geschäftsleuten, sondern auch mit Banden, die sich gegenseitig Konkurrenz machten.
Ich merkte erst, was mein Bruder tat, als zwei Männer Rod schwerverletzt in unsere Wohnung brachten und mir befahlen, dafür zu sorgen, dass mein Bruder am Morgen wieder auf den Beinen sei.
Ich erwiderte ihnen, dass Rod vor allen Dingen einen Doc brauche und dass ich mich aufmachen würde, einen zu holen. Einer der Kerle zog daraufhin einen Revolver, richtete die Waffenmündung auf mich und sagte grinsend: Das werden Sie sein lassen! Wir haben einen neuen Polizeipräsidenten. Solange der nicht marschiert, können wir uns nicht erlauben, dass Sie einen Doc holen. Leider ist der alte Doc vor drei Tagen erschossen worden. Ihr Bruder hat also doppeltes Pech. Er muss morgen früh wieder fit sein und seine Arbeit bei Topper antreten. Nur das wird ihn noch retten können.
Ich nickte, obwohl ich nichts von allem verstand. Man riet mir, Rod selbst zusammenzuflicken, da wir beide in Gefahr seien. Außerdem sollte ich nicht versuchen, mit meinem Bruder die Stadt zu verlassen. Wir würden beide nicht weit kommen.
Ich fragte nicht weiter, denn ich begriff, mit welchen Menschen ich es zu tun hatte. Als die beiden gingen, verriegelte ich die Tür hinter ihnen. Ich musste mich setzen, meine Beine wollten mich kaum noch tragen. Lange Zeit regte ich mich nicht, doch als Rod aufstöhnte und nach Wasser verlangte, wurde ich lebendig. Ich weiß selbst nicht, woher ich den Mut nahm, ihm die Kugel aus dem Oberschenkel zu schneiden und ihn zu verbinden. Ich band meinem Bruder den Mund zu, damit die Leute im Hause nicht durch sein Schreien aufmerksam wurden. Es war schrecklich, aber ich schaffte es schließlich. Rod war während der ganzen Zeit bei Bewusstsein. Als ich fertig war, nahm ich ihm den Knebel aus dem Mund.
Jetzt weiß ich, was ich für eine Dummheit gemacht habe, Schwester, murmelte Rod mit zuckenden Lippen. Diese Kerle erschießen die eigenen Leute, wenn sie ihnen gefährlich werden.
Zum ersten Mal sprach er von seiner Arbeit, zum ersten Mal hörte ich Novelles Namen. Grauen erfasste mich. Ich hörte Rod zu, ohne ihn zu unterbrechen. Mein Bruder sagte, dass alles noch gut werden könne, dass er die Arbeit aufgeben würde.
Ich sagte ihm, dass man mir erklärt habe, er müsse morgen früh bei Topper sein. Rod zuckte zusammen und blickte ängstlich zur Tür.
Ich kann nicht mehr, sagte er. Ich habe mir zu viel zugemutet. Dieses Leben kann ich nicht weiterführen. Sie wissen es und haben mich auf die Abschussliste gesetzt.
Er berichtete, wie seine Arbeit aussah. Er konnte die Wahrheit nicht länger verschweigen. Ich sagte ihm, dass sie uns beide töten würden, wenn er nicht bei Topper sein würde.
Das haben sie dir also angedroht? Es sieht diesen Schuften ähnlich, erwiderte er. Der neue Polizeipräsident hat einige Beamte entlassen, ein frischer Wind weht durch diese Stadt. Novelle musste einige Niederlagen einstecken. Er weiß, dass man alle Hebel in Bewegung setzt, um die
Bande auffliegen zu lassen. Der Raub der Ölpapiere hat die ganze Stadt in Aufruhr versetzt. Ich war an diesem Raub beteiligt, Schwester. Ich konnte mich nicht widersetzen. Novelle wollte die Pläne haben, auf denen die Gebiete verzeichnet sind, auf denen man Ölvorkommen erschließen will. Er weiß, dass die Originalpapiere nicht vervielfältigt worden sind, dass derjenige, der sie in Besitz hat, ein Riesenvermögen machen kann. Der Polizeipräsident will sich jetzt die Sporen verdienen, indem er die gestohlenen Papiere wieder auftreibt. Aus diesem Grunde kann Novelle keine Rücksicht auf mich nehmen. Ich vermute, dass alle Ärzte in der Stadt Anweisung erhalten haben, auf einen Mann zu achten, der einen Oberschenkelschuss hat. Was hätte es nur gegeben, wenn du mir die Kugel nicht herausgeholt hättest.
Wie soll es jetzt weitergehen, Rod?, fragte ich ihn.
Er sah mich mit fieberglänzenden Augen an.
Nur ich weiß, wo die Papiere sind, gab er zur Antwort. Darum soll ich auch morgen wieder da sein. Wir haben uns auf der Flucht trennen müssen, und ich habe die für Novelle so wichtigen Papiere versteckt.
Rod brach ab und stöhnte leise. Er verlangte nach Wasser, und ich gab ihm zu trinken. Sein Zustand verschlimmerte sich von diesem Zeitpunkt an immer mehr. Er sprach im Fieber, aber seine Sätze waren zusammenhanglos