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Sie nannte den Namen, ohne zu zögern.

      „Du kennst den Mann?“

      „Ja, Sam, ich kenne ihn. Ich kannte ihn schon, bevor du in mein Leben kamst und mich hierher brachtest. Lester Novelle ist kein guter Mensch, Sam.“ Ihre Stimme drohte vor Erregung zu ersticken. „Er ist schlimmer als der Teufel selbst.“

      Sam Perry nahm Susan sanft in die Arme. Er drückte sie an sich und fühlte ihr Beben.

      „Novelle hat viele Menschen in die Hölle getrieben, Sam“, murmelte sie leise. „Ich konnte ihm entkommen, als du mich mitnahmst. – Jetzt ist er hier!“

      Sie brach ab, dann fuhr sie mit erregter Stimme fort.

      „Du musst ihn finden und davonjagen, Sam! Nur dann gibt es wieder Ruhe und Frieden.“

      „So fürchtest du dich vor ihm, Susan?“

      „Ja, Sam.“

      „Wer weiß, was geschehen ist, Darling. Ich fand nur den Sattel, sonst nichts.“

      „Vielleicht lag das in seiner Absicht, und er hat dich beobachtet, Sam. Es ist seine Art, so zu handeln. Er wird nicht allein sein, er hat immer ein Rudel hartgesottener Kerle um sich. – Dad“, wandte sie sich an ihren Schwiegervater, „sag dem Sheriff, wem der Sattel gehört, dass er nach diesem Mann forschen soll. Sag ihm, dass mit Lester Novelle ein Mann ins Land kam, dem nichts heilig ist.“

      „Susan, was will er von dir?“, fragte Sam seine Frau.

      „Das, was ich ihm nicht gab, Sam. Er will mich. Er ist verrückt nach mir und in seiner Leidenschaftlichkeit ohne Maß.“

      „Er weiß doch, dass du mit mir verheiratet bist? Sicherlich weiß er das.“

      „Für ihn ist das kein Grund, aufzugeben und sich damit abzufinden. Täusche dich nicht in diesem Menschen, Sam, er kennt keine Skrupel. Er erkennt keine Bindungen an. Er ist triebhaft, und das wird um so schlimmer mit ihm, je mehr Widerstand er spürt. Ich habe Angst, Sam, sehr große Angst. Ich weiß, wie sich die Menschen vor ihm ducken, wie sehr sie ihn fürchten.“

      Sam sah auf seinen kleinen Sohn und blickte dann in die Augen seiner Frau.

      „Du brauchst keine Angst zu haben, Darling“, sagte er mit fester Stimme. „Die dunklen Schatten der Vergangenheit kommen nicht an dich heran. Du wirst bald einsehen, wie unbegründet deine Furcht ist. Es wäre gut, wenn du mir Lester Novelle beschreiben könntest. Ich will wissen, wie der Mann aussieht, der es wagt, unseren Frieden zu stören.“

      „Sam hat recht, Susan“, mischte sich jetzt Dan Perry ein. „Beschreib den Kerl, der glaubt, dass

      er hier wie in einer Großstadt wirken kann. Auf dem Land kennt einer den anderen, nichts bleibt verborgen. Hier nimmt der Wind die Botschaften auf und trägt sie weiter, so dass jeder sie hören kann. Wer immer dieser Novelle auch ist, selbst wenn er der Teufel selbst sein sollte, hier kann er seine Praktiken aus der Großstadt nicht anwenden.“

      „Dad, Lester Novelle kennt auch das Land“, sagte Susan leise. „Er ist weit herumgekommen. Man sagt, dass er alle Länder von Alaska bis zum Feuerland kennt, dass er ein Langreiter und Revolvermann ist, dass er auf den Goldfeldern war, verschiedene Banden gründete und den Tod vieler Menschen verschuldete. In den Großstädten tauchte er nur unter, um sich Aufgeboten zu entziehen. Man sagt, dass sein Steckbrief überall im Westen ausgehängt wurde. Weil das so ist, glaube ich nicht, dass die Personenbeschreibung, die ich von ihm geben kann, jetzt auf ihn zutrifft. Er kann sich so verwandeln, dass selbst seine Mutter ihn nicht erkennen würde.“

      „Trotzdem, Susan, trotz aller Maskierung bleibt genug, um einen Mann zu erkennen, wenn man eine Beschreibung von ihm hat.“

      „Sei da nicht so sicher, Dad“, erwiderte Susan. „Ich bin es jedenfalls nicht. Ihr könnt euch beide nicht vorstellen, wie groß seine Verwandlungskünste sind!“ Susans Augen flammten, rote Flecken brannten auf ihren Wangen. „Reite in die Stadt, Dad, erkundige dich nach Leuten, die dort fremd sind und erst in den letzten Tagen ankamen. Vielleicht hilft das. Schau dir die Leute genau an, die neu in der Stadt sind. – Nimm die ganze Mannschaft mit!“

      Dan Perry schüttelte den Kopf.

      „Das wäre grundverkehrt, Susan“, erwiderte er. Er hob den Sattel vom Corralzaun und legte ihn auf den Einspänner zurück. Dann machte er sich daran, zwei Pferde einzufangen.

      „Man darf Lester Novelle keine Möglichkeit geben, sich zu entfalten, Sam“, wandte sich Susan an ihren Mann.

      „Das habe ich auch nicht vor“, erwiderte der lächelnd und zeigte damit, wie fest er auf sich selbst baute. „Ich bin bei dir, niemand kann dir etwas Böses antun. Die Schatten der Vergangenheit werden dich nicht erreichen, dafür werde ich sorgen. – Komm mit Jim ins Haus.“

      Susan folgte Sam in die große Wohnhalle. Dort setzte sie Jim auf den mit dicken Fellen bedeckten Boden. Erstaunt sah sie ihrem Mann zu, der aus einer Truhe zwei 45er Colts herausholte und die Waffen sorgfältig prüfte.

      „Zwei 45er, Sam?“, fragte sie erstaunt. „Sie gehören dir?“

      Sam nickte.

      „Und du hast mir immer erzählt, dass dein Vater sie trug, als er noch jung war.“

      „Ich wollte dich nicht beunruhigen, Darling. Keine Frau ist erfreut, wenn sie erfährt, dass ihr Mann ein Beidhandschütze ist. Ich war nie stolz darauf und wollte es für immer vergessen.“

      „Großer Gott, Sam!“

      „Jetzt weißt du es, Susan“, sagte Sam mit rauer Stimme. „Ohne diesen Zwischenfall würdest du es nie erfahren haben. Ja, ich war lange unterwegs. Mit vierzehn Jahren bin ich von zu Hause ausgerissen. Vater und Mutter haben sich jahrelang vergebens bemüht, mich wieder zurückzubekommen. Als ich mich nach Jahren dazu entschloss, hatte ich eine traurige Berühmtheit erlangt. Ich brauchte Monate, um meine Spuren zu verwischen und hierherzukommen. Als ich hier eintraf, war es zu spät, mich bei meiner Mutter zu entschuldigen. Sie war tot, und ich konnte nur noch ihr Grab besuchen. Ich fing ein neues, bürgerliches Leben an. Ich war entschlossen, nur noch der Arbeit zu leben und jedem Kampf aus dem Weg zu gehen. Aber es soll nun wohl nicht so sein, Darling.“

      „Sam, das alles habe ich nicht gewusst.“

      „Und wenn, hätte es an deiner Liebe zu mir etwas geändert?“

      „Nein, bestimmt nicht, Sam“, kam es spontan über ihre Lippen. Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch Dan Perry betrat die Halle.

      „Die Pferde stehen bereit, ich reite jetzt. Vorher möchte ich eine Beschreibung von Lester Novelle von dir hören, Susan.“

      Dan Perry blickte auf seinen Sohn, und seine Augen verdunkelten sich.

      „Es geht wohl nicht anders, Sam?“

      „Nein, Dad.“

      „Wir wollen hoffen, dass alles nur ein böser Traum ist, Sam, dass unsere Sorgen wie Seifenblasen zerplatzen.“ Er machte eine Pause und sah seine Schwiegertochter fest an. „Nun, Susan?“

      „Lester Novelle ist blond, grauäugig und von großer Statur. Sein Gesicht ist schwer zu beschreiben, weil es ein Durchschnittsgesicht ist. Und seine Haarfarbe kann er ändern.“

      „Richtig. Und jetzt sag uns die volle Wahrheit“, sagte Dan Perry sanft. „Ein Mann kann nicht so leidenschaftlich sein. Allein deinetwegen ist er doch nicht hier?“

      Susan zögerte. Sie schluckte, und ihr Blick ging zwischen ihrem Mann und ihrem Schwiegervater hin und her. Man sah ihr deutlich an, wie schwer es ihr fiel zu sprechen.

      „Also gut“, sagte sie, „ich will alles erzählen. Es ist wohl besser so. Ich möchte keine Geheimnisse vor euch beiden haben.“

      „Geheimnisse, Susan?“, fragte Sam aufhorchend. Seine Augen weiteten sich, er schüttelte ungläubig den Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, dass seine Frau Geheimnisse vor ihm hatte. Das war für ihn genauso verwirrend

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