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würde, dann wäre alles halb so schlimm. Was machte ich jetzt plötzlich ohne sie? Ob ich schon anrufen konnte? Aber bestimmt lag sie noch im Bett. Wenn keine Schule war und Mona nicht aufstehen musste, tat sie es auch nicht so schnell. Außerdem war sie, genau wie jede Sommerferien, mit ihren Eltern in Italien. Ich tröstete mich damit, dass es eh zu teuer war, dort anzurufen, und steckte mein Handy wieder weg.

      So gut es ging, verscheuchte ich meine Gedanken und sah zu Benno, der im Vorgarten einen Ball hin und her kickte. Also legte ich erst mal die Brötchentüte neben der Haustür ab, setzte mich auf die Stufen unserer Veranda und sah ihm zu.

      Über mir klapperte ein Emailleschild im Wind. Die Buchstaben darauf waren angeschlagen und nur noch schwer zu entziffern. Die Augen sind der Schlüssel zur Seele, aber die Nase ist das Tor, las ich mit Mühe.

      Nase? Sollte das eine Anspielung auf die vielen seltsamen Gerüche im Haus sein? Ein komisches Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich das alles lustig oder doch ein bisschen unheimlich fand.

      Wo waren wir hier nur hingezogen?

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      2. Kapitel

      Noch während ich über den Spruch auf dem Schild nachdachte, klapperte es neben mir. Ich drehte mich zur Seite und entdeckte Hanne van Velden im Vorgarten.

      »Einen ganz wundervollen, schönen guten Morgen!« Sie winkte mir mit ihrer Gartenschere in der Hand zu.

      »Morgen«, antwortete ich und zwang mich zu einem Lächeln. Aber Hanne kümmerte sich längst wieder um ihre Rosensträucher und schnitt die vertrockneten Blüten ab.

      Hanne van Velden war die Erbin der Villa Evie und unsere Mitbewohnerin. Na ja, zumindest fast. Sie hatte meinen Eltern den größten Teil der Villa verkauft. Nur die ehemalige Dienstbotenwohnung im seitlichen Teil des Erdgeschosses hatte sie behalten. In der wohnte sie angeblich schon seit Ewigkeiten, weil sie die ganze Villa zu groß für sich allein fand und keine Lust mehr hatte, sich darum zu kümmern.

      Hanne war eine »etwas durchgeknallte, aber liebenswürdige Dame«. Zumindest hatte Pa das bei unserem Einzug in mein Ohr geflüstert. Mit ihrer flatternden Blumenbluse, den vielen Perlenketten um Hals und Handgelenke wirkte sie, wie aus einem anderen Jahrhundert übrig geblieben. Hoffentlich war sie nicht so altmodisch, wie sie aussah, und meckerte bei jeder Gelegenheit gleich rum. Mit alten Damen in Erdgeschosswohnungen war ja meistens nicht zu scherzen – auch so ein Spruch von Pa. Aber zum Glück ließ Hanne mich gleich wieder in Ruhe.

      Benno verschwand mit seinem Ball hinterm Haus, also stand ich auf und lief ihm nach. Unter meinen Sohlen knirschte der Kies. Ich blinzelte und schaute an den verwaschenen Backsteinmauern hinauf zum Dach. Moos wuchs überall auf den Ziegeln und ein Blitzableiter schwankte besorgniserregend auf der Hausspitze.

      Hinter mir auf dem Kopfsteinpflaster vor der Villa Evie bremste plötzlich ein Auto und hupte. Ich drehte mich um und hoffte für eine Sekunde, dass Mona gleich auf mich zustürzen würde. Aber aus der dunklen Limousine stieg nur eine ältere Frau. Ich drehte mich enttäuscht weg. Das musste Besuch für Hanne sein.

      »Was hupen Sie hier rum? Gibt es irgendeinen Grund dafür?« Hanne klang ziemlich gereizt. Okay, befreundet waren die beiden also doch nicht.

      Ich blieb erst mal stehen und schaute zum Auto. Die Frau war gar nicht selbst gefahren. Vorne am Steuer saß ein Chauffeur. Mannomann! Der trug einen dunklen Anzug und sogar Handschuhe und die Frau sah noch übertriebener aus. Und mindestens zwanzig Mal so altmodisch wie Hanne! Sie hatte echt ein violettes bodenlanges Samtkleid an, das so aussah, als gehörte es eigentlich einer vor hundert Jahren ausgestorbenen Schlossherrin. War heute irgendwo ein Karnevalsumzug?

      »In der Tat gibt es einen Grund!« Die verkleidetet Lady ging auf das Gartentor zu. »Ich suche einen Herrn Boer, wenn Sie gestatten. Wäre es möglich, mich zu ihm zu geleiten?«

      Ge…leiten? Ich kicherte in mich hinein. Die war ja schräg.

      Hanne winkte sie barsch weiter. »Gehen Sie einfach nach hinten durch. Willem treibt sich bestimmt irgendwo im Gewächshaus rum. Sie finden ihn schon selbst.«

      »Besten Dank.« Die Lady raffte ihren Rock und öffnete unser Gartentor. Mit erhobenem Kopf stolzierte sie an mir vorbei und ich überlegte, wie lange sie wohl für ihre kringelige Hochsteckfrisur unter dem winzigen Hütchen gebraucht hatte.

      Nur ganz kurz sah sie mich im Vorbeigehen an und sofort strömte mir ihr schweres Parfüm entgegen. Oh Mann, roch das muffig! Irgendwie dunkel und erdig. Ugh! Das war doch kein Duft, den man sich freiwillig aufsprühte?

      Als ich meinen Hals nicht mehr weiter verdrehen konnte, um sie zu beobachten, schlich ich ihr nach. Auf dem Rasen hinter dem Haus hielt Benno seinen Ball gerade unter dem Arm und sah zu einem älteren Mann in dreckverschmierter Latzhose hinauf. Er stand ungefähr einen Meter von Benno entfernt. Sein halbes Gesicht bedeckte der Schirm eines abgeschabten speckigen Basecaps. Ich erkannte nur seinen Mund und der sah so aus, als gebe er unfreundliche Töne von sich. Genau verstand ich sie nicht, aber seine Handbewegung machte unmissverständlich klar, dass Benno woanders spielen sollte.

      »Hey, Benno, komm mal her!« Ich winkte meinen kleinen Bruder zurück und warf dem Alten einen bösen Blick zu.

      Von einem Gärtner, der sich um das Gewächshaus hinter der Villa Evie kümmerte, hatte ich schon gehört. Auch dass es für uns alle strengstes Tabu war und nicht mehr zur Villa dazugehörte.

      Dieses Gewächshaus war wieder so eine Sache. Fast das komplette Grundstück hinter der Villa Evie bestand aus einem uralten Glashaus von der Größe eines Einfamilienhauses. Eine »viktorianische Schönheit«, hatte Ma das Ding genannt. Okay, es war zugegeben ganz hübsch, ich verstand nur wirklich nicht, wieso es so riesig war.

      Benno stapfte mir schlecht gelaunt entgegen, während sich der alte Mann an sein Basecap tippte und die Lady fast unterwürfig ins Gewächshaus führte.

      Was die beiden wohl zu besprechen hatten?

      Als ich mich wieder umdrehte, hatte Benno schon was Neues entdeckt. Jemanden, um genau zu sein. Gegenüber auf dem Nachbargrundstück ließ dieser Mats, der Junge, der angeblich besessen war von unserem Haus, einen Basketball hüpfen. Na super, die zwei Jungs wohnten also wirklich nebenan.

      Ich spürte, dass er mich aus den Augenwinkeln beobachtete. Am besten, ich tat erst mal so, als hätte ich ihn nicht gesehen. Auf die Art konnte ich ihn prima ignorieren. Ich starrte geradeaus auf den Kiesweg und ging schnell weiter. Nichts wie weg, bevor ich mich noch mit ihm unterhalten musste. Bestimmt fiel mir nach einem »Hallo« sowieso wieder nichts ein.

      Aber Benno lehnte schon am Gartenzaun und rief: »Haaallo? Was machst duuu?«

      Mats lächelte, als hätte er nur auf das Stichwort gewartet, und kam näher. »Basketball spielen. Willst du auch mal?«

      Benno juchzte vor Freude und kletterte sofort über die kniehohen Holzlatten auf das Nachbargrundstück. Geschlagen verabschiedete ich mich von meinem Plan, Mats zu ignorieren, und ging Benno hinterher. Mit genügend Sicherheitsabstand blieb ich hinter dem Zaun stehen.

      Ich tippte darauf, dass Mats ungefähr in meinem Alter war, auf jeden Fall war er der jüngere der zwei Brüder.

      Es war gut, dass ich mir Zeit gelassen hatte. Mittlerweile machte Mats Benno vor, wie man den Ball zum Korb hochwerfen musste, um ihn durchs Netz zu bekommen. Mats schaffte es jedes Mal und ein kleines bisschen nervte mich das. Es wäre zwar albern gewesen, wenn er mit Absicht danebengeworfen hätte, aber ich fand es trotzdem angeberisch von ihm.

      Ich blieb erst mal, wo ich war, schob meine Hände in die Hosentaschen und beobachtete die beiden. Mats trug eins dieser bunten Basketballshirts aus Nylon, das hinter ihm herflatterte, wenn er rannte.

      »Ihr seid also die Alvensteins, die neuen Nachbarn?«, rief er zu mir rüber und strich sich dabei durch seine kurzen dunklen Locken.

      Ich nickte nur, weil er seine Frage

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