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interessieren? Nur er weiß doch, dass der Flakon aus der Duftapotheke stammt. Ich wette, er hat den Duft auf dem Küchentisch gesehen und ihn mitgenommen. Vielleicht will er sich jetzt an uns rächen, indem er irgendeinen Vergessens- oder Verrückt-werde-Duft an unseren Eltern auslässt.«

      »Also gut«, lenkte Mats nach einem Moment ein. »Wir könnten vielleicht Frau van Velden nach seiner Adresse fragen?«

      »Gute Idee!«, sagte ich. »Die hatte ja den Brief für Willem. Dann muss sie auch wissen, wo er wohnt!«

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      20. Kapitel

      Fünf Minuten später standen wir vor Hannes Eingangstür und klingelten. Unter dem roten Lack blätterten die Farbschichten aus früheren Jahren. Ich beugte mich näher heran und sah, dass die Villa Evie schon mal eine blaue, eine weiße und eine schwarze Eingangstür gehabt haben musste. Dahinter hörte ich Pantoffeln auf uns zuschlappen.

      Undeutlich drangen ein paar Worte zu uns. Hanne redete mit jemandem, aber es drang nur gedämpft durch das Holz. Dann öffnete sich die Tür vor uns und Hanne stand uns mit einer Katze auf dem Arm gegenüber. Es war das erste Mal, dass ich sie mit offenen Haaren sah. Ihre grauen Locken hingen in dichten Wellen über ihre Schultern.

      »Lara! Wie schön, dass du mich besuchen kommst. Und du hast ja sogar deine Freunde mitgebracht!« Sie lächelte, strich der Katze durchs Fell und winkte uns in den Flur und Richtung Küche.

      Ich seufzte nur und sagte nichts. Mal sehen, welche Namen sie sich noch für mich ausdachte.

      Auch Hannes Teil der Villa sah aus wie ein Museum. Der Flur war düster, nur das bunte Fensterglas in der Eingangstür ließ etwas Licht hinein. Hanne benutzte ein Parfüm, das sie sich viel zu kräftig aufgesprüht hatte. Sie roch ja kaum noch etwas und merkte das wahrscheinlich gar nicht. Ich warf Mats einen belustigten Blick zu, den er erwiderte, indem er seine Nase krauszog.

      Doch bei Hanne roch es nicht bloß nach Parfüm, sondern auch kräftig nach gekochtem Kohl. Nicht gerade mein Lieblingsgeruch.

      Sie winkte uns weiter durch den engen Flur Richtung Wohnzimmer. »Kann ich euch einen Kaffee anbieten?«

      Ich grinste und winkte ab. »Nein danke.« Wäre Ma dabei gewesen, hätte sie Hanne jetzt einen langatmigen Vortrag über die Wirkung von Koffein bei Kindern gehalten. Zumindest hätte sie das vor ein paar Tagen noch gemacht. Heute wäre es sogar möglich, dass sie Benno und mir einen Likör einschenken würde und das ganz normal fände.

      Ich folgte Hanne ins Wohnzimmer. Sie winkte uns zum Sofa und verschwand dann in die Küche. Mats und Benno setzten sich rechts und links neben mich auf die Couch. Wir warteten und sahen uns um. Auf dem Kaminsims standen ein paar Bilderrahmen mit alten Fotos. Ein verblichenes Familienfoto zeigte wahrscheinlich Hanne als Mädchen mit ihren Eltern. Daneben standen zwei Fotos von einer schwarzen Katze und einer roten. Anscheinend lebte Hanne schon immer allein. Nirgends entdeckte ich ein weiteres Bild, auf dem Menschen waren. Keine Kinder, keinen Ehemann, nicht mal Freunde.

      »Fräulein Elvira benimmt sich heute noch viel verrückter als die ganzen Leute da draußen!«, rief uns Hanne aus der Küche zu und kam mit der Katze auf dem Arm zurück. Sie setzte Fräulein Elvira ab, die sich daraufhin platt auf den Boden legte, alle vier Beine von sich streckte und anfing, ihre Nase wie ein Kaninchen zu rümpfen. Mats verkniff sich ein Lachen und gluckste leise. Nur Benno kniete sich neben die Katze. Er streichelte ihr den Kopf, bis sie so schnurrte, wie es sich für Katzen gehörte.

      »Ich hatte schon befürchtet, sie wüsste nicht mehr, wie das geht.« Hanne klatschte begeistert in die Hände und sah zu Fräulein Elvira runter.

      Ich räusperte mich. »Wir wollen Sie gar nicht lange stören, wir wollten bloß …«

      »Aber ihr stört doch nicht!« Hanne winkte ab und hielt uns eine Dose Kekse hin. »Es ist so schön, dass mich mal jemand besuchen kommt. Wenn es nach mir ginge, hätte ich ständig Besuch!«

      Benno stand sofort auf und bediente sich bei den Keksen. Auch ich griff zu. »Wir wollten Sie fragen, ob Sie uns vielleicht die Adresse von Willem Boer geben könnten?«

      Hanne spitzte neugierig ihre Lippen. »Was wollt ihr denn von Willem?«

      »Also … ähm …« Mist, ich hätte mir vorher mal eine Erklärung für meine Frage ausdenken sollen!

      »Wir wollen ihn nur etwas fragen«, schaltete sich Mats ein. »Ich mache gerade bei einem Ferienprojekt für die Schule mit. Es geht um das Thema Mögliche Berufswünsche. Und weil wir direkt neben dem größten Gewächshaus weit und breit wohnen, hat mich meine Lehrerin gebeten, Willem Boer über den Gärtnerberuf zu befragen. Wenn jemand seinen Beruf ernst nimmt, dann Willem, oder? Aber er ist gerade nicht hier, deshalb dachten wir, wir versuchen es mal bei ihm zu Hause.«

      Ich war beeindruckt. Mats log, ohne mit der Wimper zu zucken. Der hatte ja ein echtes Pokerface!

      »Ach so.« Hanne biss nachdenklich in einen Keks. »Seine Adresse habe ich aber leider nicht. Brauchte ich noch nie, Willem ist ja jeden Tag hier.«

      »Und Sie wissen auch nicht, wo er ungefähr wohnt?«, fragte Mats.

      Hanne blickte uns drei entschuldigend an. »Nein, leider nicht.«

      Mir schoss ein Gedanke durch den Kopf. »Sollen wir den Brief mitnehmen, der für Willem angekommen ist? Falls wir ihn heute treffen, können wir den für Sie überbringen.« Vielleicht kamen wir auf die Art doch noch an einen Brief, der an Daan de Bruijn adressiert war!

      Hanne strich sich gedankenverloren über ihren Rock. »Das ist lieb, Luise. Aber ich habe ihn schon unter der Gewächshaustür durchgeschoben. Da findet Willem ihn selbst. Spätestens morgen ist er bestimmt wieder hier.«

      Mats und ich warfen uns sofort einen Blick zu und kamen offensichtlich zur selben Schlussfolgerung.

      »Danke!«, sagte Mats etwas zu laut und stand eilig auf. »Dann gehen wir mal wieder.«

      Benno hatte die Backen prall mit Keksen gefüllt und nuschelte ein krümeliges »Auf Wiedersehen!«. Ich verabschiedete mich auch und schob mich hinter Mats und Benno zurück durch den Flur. Elvira schnurrte immer noch, als die Tür hinter uns ins Schloss fiel und der Kohlgeruch endlich nachließ.

      »Wo gehen wir hin?«, fragte Benno verwirrt, als Mats und ich ihn mit uns in Richtung Gewächshaus zogen.

      »Wir suchen den Brief«, antwortete ich knapp.

      Nur eine Sache leuchtete mir einfach nicht ein. Ich kaute auf meiner Unterlippe herum, während wir über die Wiese vor der Villa liefen. »Warum vergessen manche Erwachsene plötzlich alles und jeden und andere bleiben völlig normal? Hanne war so wie immer, stimmt’s?«

      Ich warf Mats einen fragenden Blick zu, immerhin war sie schon sein ganzes Leben lang seine Nachbarin.

      Er grinste nur. »Ja. Aber ihre Katze war dafür echt schräg.«

      Benno protestierte: »Die Katze war nicht schräg! Sie war nur ein bisschen …«

      »… wie ein Kaninchen«, beendete ich Bennos Satz.

      »Du hast recht«, sagte Mats zu mir. »Wenn die Katze wirklich vom Duft so komisch drauf war, wieso war Hanne es dann nicht?«

      »Eben«, stimmte ich zu, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass wir darauf jetzt keine Antwort finden würden.

      Wir näherten uns dem Gewächshaus, das unter der Mittagssonne leuchtete. Der Schlitz unter der Tür, durch den Hanne den Brief geschoben haben musste, war zu dünn, um darunter durchzugreifen. Ich kniete mich auf den Boden und versuchte, wenigstens hindurchzusehen.

      Ich schnaufte vor Wut. »Das hat keinen Sinn, ich erkenne gar nichts von hier!« Der Spalt unter der Tür war einfach zu schmal. Ich stand wieder auf und klopfte mir den Dreck von der Jeans.

      Benno hatte einen Vorschlag: »Wir könnten Willem hinterhergehen, wenn er aus dem Gewächshaus rauskommt und

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