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die roten Grenzer sie jetzt kontrollieren und nach ihren Dokumenten fragen würden? Aber es gehörte wohl nicht zu den Aufgaben der bewaffneten Grenzsoldaten. Die sollten nur ihr eigenes Volk bewachen, damit es ihnen nicht fortlief in den Westen. Die Situation hier auf den Bahnsteigen war auch inzwischen eine schlimmen alltägliche Realität für die West-Berliner geworden. Nur für die Beiden aus dem Ostland war es eben ganz neu und völlig ungewohnt.

      Sie liefen also ganz schnell aus dem U-Bahnbereich wieder nach ober zur S-Bahn und sind dann ganz genau wieder von der Station abgefahren, die sie ja schon von ihrer Ausreise her kannten. Die verschlossenen Türen im Seitenbereich des Bahnhofs Friedrichstraße bemerkten sie nun auch. Es war ihnen dann schon klar, dass die Ostmacht hier jederzeit ihre Agenten und Spione gefahrlos in den Westteil der Stadt bringen konnte. Das war keine sehr beruhigende Entdeckung für die Beiden, wirklich nicht. Den weißen Strich auf dem Bahnsteig beachteten sie bei ihrem schnellen Gang einfach gar nicht.

      Obwohl er ja nur eine fiktiver Grenze darstellte, gingen sie einfach nur ganz schnell darüber hinweg. Besser so.Sie wollten nur so schnell wie nur möglich wieder in ihrer S-Bahn sitzen und diesen schrecklichen Ort verlassen. Da der Zug aber noch nicht abfuhr, wollten die Minuten des Wartens für sie nicht vergehen, es kam ihnen jedenfalls so vor. Als ob sie in einem Film, der nun angehalten worden war, die Hauptdarsteller spielen würden, so fühlten sie sich nun. Die Menschen bewegten sich anscheinend wie in Zeitlupe. Selbst die Bahnhofsuhr schien stillzustehen. Nichts erschien jetzt normal. Die Mitreisenden im Zug sahen sie auch alle so komisch an, so als ob sie Außerirdische wären und gar nicht hier her gehörten. Eine ganz große Stille herrschte plötzlich in der ansonsten so lauten und umtriebigen Gegend auf dem Bahnsteig. Man hätte bestimmt ein Haar zu Boden fallen hören, so still war es nun.

      Dann kam aber endlich die so ersehnte Durchsage aus dem Lautsprecher und plötzlich lief alles wieder wie gewohnt ab. Die letzten Fahrgäste beeilten sich den Zug schnell noch zu erreichen.

      Die Türen schlossen sich automatisch und ihre Fahrt konnte nun beginnen. Robert war bei der Sache gar nicht wohl gewesen und er verfluchte sich schon, dass er nicht richtig aufgepasst hatte und es deswegen zu dieser Situation gekommen war. In der Zukunft sollte ihm das nicht wieder passieren. Was sollte denn seine Anita nur von ihm denken, wenn er die Sache nicht in der Hand behielt. Ein toller Mann ?

      Aber dieses Erlebnis hatte auch eine gute Seite für ihn. Nun war er sich noch sicherer, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte mit seiner Ausreise. In dem Land wo die Menschen nicht frei reisen durften und sie überall bespitzelt und bewacht wurden, wollte er wirklich nicht mehr leben müssen. Er hatte schon die richtige Entscheidung getroffen, denn die Zukunft konnte dort wirklich nicht sein. Dort war nur noch Vergangenheit und eine Eiszeit, welche sich wie ein frostiges Tuch über die Menschen legte und sie zu erstarren drohte. Er war mutig genug seinen Weg selbst zu wählen und gegen den Strom zu schwimmen. Dabei war es nicht einfach gewesen immer auf diesem Weg zu bleiben. Sehr viel Kraft hatte er ihm auch gekostet. Aber nur so war es richtig gewesen und nun wollte er hier in seinem zweiten Leben weiter vorankommen und sich seinen Platz erobern.

      Es geht wieder los Robert! Nimm deinen Roller und kämpfe um den Sieg, so wie du es in deinen Kindertagen schon geübt hast. Du kannst es wieder schaffen ein Sieger der Herzen zu werden.

      Dann, wenn du alle deine Kraft einsetzt, deinen Mut beweist und deine Intelligenz. Du schaffst es Robert, ganz bestimmt!

      Noch war es aber nicht soweit, denn es fehlten immer noch ein paar Stempel auf dem Laufzettel und sein Personalausweis konnte so noch nicht angefertigt werden. Deshalb war die Warterei vor den Amtsstuben der Behörden für sie auch noch nicht beendet und sie mussten weiterhin jeden Tag in das Aufnahmelager fahren. Diesmal aber nicht wieder mit der U-Bahn, da war sich Robert nun ganz sicher.

      Was Robert bei den Gesprächen in den verschiedenen Behörden besonders auffiel war die Tatsache, dass die Stempel-Berechtigten in der übergroßen Mehrzahl Männer waren.

      So etwas kannte er bisher noch gar nicht. Da liefen kräftige Männer mit Aktenstapeln unter dem Arm durch die Gegend, machten einen auf sehr beschäftigt und vergaben dann die begehrten Stempel.

      Im Ostland übten die Männer richtige Berufe mit oft schwerer körperlicher Arbeit aus und hier liefen die jungen Burschen mit Papierstapeln durch die Gegend.

      Es war wirklich eine ganz andere Welt in der er sich nun befand. Willkommen in der Beamten Republik Deutschland, kurz: BRD.

      Ohne einen Stempel ging hier gar nichts vorwärts. Ohne eine Genehmigung und ein exakt ausgefülltes Antragsformular bewegte sich nichts, die Beamten schon einmal gar nicht. Dazu gab es Vordrucke und weitere Formulare, deren Sinnhaftigkeit dem Antragsteller oft verborgen blieb. Formulare, Formulare… von der Wiege bis zur Bahre. Robert kam sich langsam vor wie bei einem richtigen Spießrutenlauf durch die Spaliere der Bürokratie. Willkommen in Deutschland Robert !

      Sie schafften es dann eines Tages aber doch noch, sich das Zentrum und einige Sehenswürdigkeiten in Berlin-West anzuschauen. In die großen Kaufhäuser gingen sie nicht so gerne, denn damals wurden dort Bomben gelegt von dem Erpresser Dagobert. Das war auch eine ganz neue Erfahrung für sie, welche sie nun machen mussten. Hier passierte einfach so viel mehr, im Guten wie im Bösen. Aber ansonsten waren sie von der Stadt begeistert und sie fühlten sich schon wohl in ihrer neuen Welt.

      Wie sie es sich vorgestellt hatten, so war es dann auch in der Wirklichkeit: der Himmel schien blauer, das Gras grüner und die vielen Leuchtreklamen faszinierten sie auch. Die meisten Menschen waren nach der neuesten Mode gut gekleidet und eine Armut konnte Robert nicht wirklich entdecken. Überall fuhren die verschiedensten neuen Automodelle durch die Straßen. Es stank nicht nach verbranntem Treibstoff, sondern von überall her kamen

      Wohlgerüche herübergeweht. Es war einfach nur ein großes Wunder für sie, was sie jetzt erleben durften.

      Gewundert hat sich Robert dann aber auch noch einmal. Als sie den Funkturm und die anliegenden Messehallen besuchten, drehte dort ein Team vom Fernsehen einen Film. Das war eigentlich auch gar nichts Besonderes. Aber als sie genauer hinsahen, erblickten sie ihnen bekannte Schauspieler und Gesichter aus dem Osten.

      Das waren die Leute vom Polizeiruf 110, die Genossen Polizisten und Kommissare Borgelt & Schaller des Ostfernsehens, welche hier im Westteil der Stadt eine weitere Folge der an und für sich beliebten Fernsehreihe drehten. Was es nicht alles gab in den Tagen des Sommers 1989. Für Robert und Anita gab es dann bald auch den Tag als sie nun endlich ihre Dokumente und den Personalausweis erhielten. Nun waren wirklich alle Stempel beisammen. Nichts fehlte mehr und so konnten die Beamten dann den Vorgang abschließen.

      Nun waren sie in deren Augen auch wieder Bürger und keine durchlaufende Nummer, jetzt war alles gut. Sie bekamen ihre Personaldokumente gleich mit den Flugtickets ausgehändigt, denn in Berlin durften sie ja nicht bleiben. Erst wollten die Beamten Robert und Anita nach Niedersachsen schicken, denn dort war anscheinend ganz viel Platz für die ankommenden Neubürger. Robert wollte da aber nicht hin und lehnte ihren Vorschlag einfach ab. Das Nein-sagen hatte er ja inzwischen gelernt und auch das es immer besser ist eine eigene Meinung zu haben ebenfalls.

      Er hatte für den Fall der Fälle vorgesorgt und mit seinem damaligen Kollegen vom Roten Kreuz alles weitere schon in Eisenhüttenstadt besprochen. Der Dieter Schmidt war ein Mensch, der einstmals im Westteil Deutschlands an der Mosel bei Koblenz geboren wurde. Irgendwie hat ihn die Liebe dann in den Ostteil verschlagen und er lebte viele Jahre hier. Dann war aber seine Frau weggegangen und er wollte nun mit seiner neuen Ehefrau wieder zurück zu seinen Eltern und Geschwistern an die Mosel.

      Er durfte dann auch mit seiner neuen Familie schon vor Robert ausreisen und wohnte nun wieder in seiner alten Heimat.

      „Wenn du einmal nicht weiterkommst, dann helfe ich dir“… so hatte er es damals dem Robert versprochen und er hielt seine Zusage jetzt auch ein.

      Ein Anruf bei ihm reichte aus um eine Bestätigung von ihm zu bekommen: „Na klar helfe ich dir. Komm einfach her.“

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