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      Als Signora Orsini die Haustür aufschloss hatte sie die Hoffnung, dass Estella nun doch zu Hause sei, aber die Wohnung war leer und verlassen.

      Müde ließ sie sich auf einen Stuhl am immer noch gedeckten Esstisch fallen, aber an Essen war jetzt nicht zu denken.

      „Was machen wir denn jetzt?“, jammerte Valentina und setzte sich zu ihrer Mutter.

      „Ich rufe die Questura in Portogruaro an“, sagte Patricio nach einer Weile des gegenseitigen Schweigens.

      „Vielleicht tun die etwas.“

      „Wenn du meinst…“

      Fünf Minuten später kam er zurück ins Esszimmer und seine Mutter sah ihn erwartungsvoll an.

      „Sie kümmern sich darum. Ein Sergente Bellucci hat alles aufgenommen und sie melden sich wieder. Wir sollen aber vorab schon einmal ihre Freunde oder Freundinnen anrufen. Vielleicht wüssten die ja etwas.“

      „Danke, mein Junge. Valentina, du kennst doch ihre Freundinnen. Könntest du sie bitte anrufen?“

      „Ja gut, mach ich.“

      Signora Orsini hoffte inständig, dass ihre Tochter dort irgendwo anzutreffen war und schwor sich, ihr keine Vorhaltungen zu machen, wenn sie nur gesund nach Hause käme.

      Zehn Minuten Später kehrte Valentina zurück und schüttelte den Kopf.

      „Niemand hat sie seit der Schule gesehen. Nur Vittoria, die mit ihr den Musikunterricht besucht, sah sie in Portogruaro. Sie war nicht im Unterricht. Mehr konnte sie mir nicht sagen.“

      „Dann war sie aber zumindest schon einmal da“, meinte Patricio. Dann klingelte sein Handy.

      „Pronto. Ja, ist gut, danke!“

      „Wer war das?“

      „Die Polizei. Sie schicken gleich einen Wagen vorbei und sie benötigen ein Foto von Estella.“

      Die Signora sah ihren Sohn an.

      „Ein Foto? Wofür?“

      „Sie müssen doch wissen wie sie aussieht. Sie werden es vervielfältigen und herumzeigen.“

      „Ach so, ja. Ich such dann mal eines heraus, wo sie gut getroffen ist.“

      Eine halbe Stunde später hielt ein Wagen der Polizia di Stato vor dem Haus.

      „Buona sera. Ich bin Sergente Bellucci“, stellte sich der uniformierte Polizist vor, als Patricio die Tür geöffnet hatte. „Ich hätte nur noch ein paar Fragen. Darf ich herein kommen?“

      „Natürlich. Bitte.“

      Patricio Orsini führte den Sergente ins Esszimmer, wo seine Mutter und seine Schwester am Tisch saßen. Die Signora hielt ein gerahmtes Foto verkrampft in ihren Händen.

      „Dies sind meine Mutter und meine andere Schwester.“

      „Buona sera.“

      „Nehmen Sie doch bitte Platz.“

      „Grazie. Signora, Ihr Sohn sagte mir am Telefon, dass Ihre Tochter nicht aus Portogruaro zurückgekehrt sei. Was genau hat sie dort gemacht?“

      Signora Orsini sah ihn an. Dann tupfte sie sich die Tränen ab und nahm wieder das Foto zur Hand.

      „Sie ist so ein begabtes Kind.“

      „Ja, aber was hatte sie dort zu tun?“

      „Sie hat dort Geigenunterricht“, antwortete Patricio, als er merkte, dass seine Mutter dazu offenbar nicht in der Lage war.

      Bellucci zog einen kleinen Block aus der Tasche und begann sich Notizen zu machen.

      „Ah, wo und bei wem hat sie Unterricht?“

      „Bei Professore DeLuca in der La Stretta. Die Nummer weiß ich nicht.“

      „Das finden wir heraus. Wie oft ging sie dort hin?“

      „Einmal die Woche. Nur heute ist sie dort nicht erschienen.“

      „Wie? Ich dachte, sie wäre auf dem Rückweg verschwunden.“

      „Ist sie ja auch. Sie war nur nicht im Unterricht.“

      „Und woher wissen Sie das?“

      „Das kann Ihnen meine Schwester besser beantworten.“

      Bellucci wandte sich an Valentina.

      „Signorina?“

      „Ich habe ihre ganzen Freundinnen angerufen. Dabei erzählte mir Vittoria, die auch mit zum Musikunterricht geht, dass sie meine Schwester in Portogruaro gesehen hätte, sie aber nicht zum Unterricht erschienen sei.“

      „Sonst nichts?“

      „Nein.“

      „Gut, wie heißt diese Freundin?“

      „Vittoria Marino. Sie wohnt in Ottava Presa.“

      „Wir werden sie auch nochmal befragen. Gibt es sonst noch etwas, was uns weiter helfen könnte?“

      Valentina schüttelte den Kopf.

      „Nein, ich denke nicht.“

      „Erzähl ihm doch mal von dem Anruf“, warf Patrizio ein.

      „Ach, das ist bestimmt nicht wichtig.“

      „Alles kann wichtig sein. Welcher Anruf?“

      „Meine Schwester rief mich an und erzählte mir, dass die einen Job bekommen hätte.“

      „Was für einen Job?“

      „Promotion für ein neues Parfüm.“

      „Wissen Sie bei welcher Firma?“

      „Nein. Das hat sie mir nicht gesagt. Sie war nur ganz aufgeregt, weil sie schon einhundert Euro als Anzahlung bekommen hatte.“

      „Was?“, schrie ihre Mutter auf. „Davon hast du mir nichts gesagt.“

      „Signora, bitte“, versuchte sie der Sergente zu beruhigen.

      „War der Anruf vor oder nach Unterrichtsbeginn?“

      „Oh, da habe ich nicht drüber nachgedacht, aber wenn Sie mich so fragen, müsste es während, oder kurz nach dem Unterricht gewesen sein.“

      „Gut, danke. Das war es erst einmal. Sie hören von uns.“

      Paricio brachte Bellucci an die Tür und verabschiedete sich.

      ***

      Sergente Bellucci parkte den Streifenwagen vor einem Mehrfamilienhaus in der Via Alessandro Volta in dem kleinen Örtchen Ottava Presa.

      Die Familie Marino wohnte im ersten Stock. Signora Marino öffnete die Tür und erschrak, als sie den uniformierten Polizisten vor der Tür stehen sah. Sie trug eine Schürze und hatte nasse Hände. Offenbar hatte er sie bei der Küchenarbeit gestört.

      „Signora Marino?“

      „. Ist etwas passiert?“

      “Ich bin Sergente Bellucci und möchte gerne Ihre Tochter Vittoria sprechen.“

      „Hat sie etwas angestellt?“

      „Nein, keine Angst, ich muss sie nur etwas zu ihrer Freundin Estella Orsini fragen.“

      „So, was ist denn mit ihr?“

      „Ist Ihre Tochter da?“, ignorierte er die Neugier der Mutter.

      „Ja, kommen Sie rein. Die hört wieder nichts wegen der lauten Musik und ich bin am Spülen.“

      Sie klopfte an einer Tür und als keine Antwort kam, öffnete sie einfach.

      Das Mädchen lag auf ihrem Bett und blickte erschrocken auf die beiden Eindringlinge.

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