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Was uns als Individuen und Menschheit heute weiterbringt, ist die Selbstermächtigung – eine Machtübernahme, die jeder selbst in Freiheit vollziehen muss. Diese Macht ist uns vom Himmel gegeben, damit wir sie uns auf Erden nehmen. Nur wir selbst sind imstande sie uns zu verleihen. Und sie muss einhergehen mit dem Verzicht der Machtausübung über andere.

      Das gilt für die Pädagogik, für das Verhältnis von Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern, aber auch für Schulbehörden und Bildungseinrichtungen aller Art. Es gilt für die Gesellschaft im Allgemeinen. Selbstermächtigung kann nicht von oben verordnet werden, sondern wird durch den Verzicht auf pädagogische und inhaltliche Vorgaben ermöglicht. Im Klartext: Das Verhältnis, in das wir mit anderen treten, darf niemals ein Machtverhältnis sein, wollen wir dem Neuen ins Leben verhelfen – sonst wäre es das Alte. Anderen den Raum zur Selbstermächtigung zu geben, ist die machtvollste Geste im Miteinander. Unsere politischen und gesellschaftlichen Strukturen sind auf diesen Paradigmenwechsel noch nicht eingestellt. Die einzelnen Menschen sind in ihrer Entwicklung diesbezüglich längst weiter, wie zahlreiche Grassroot/Graswurzel-Bewegungen zeigen. Überall da, wo das Alte zerfällt, wird das Neue schon in naher Zukunft kraftvoll in die Bresche springen und organische Strukturen eines neuen Miteinanders sprießen lassen.

      Heute geht es für jeden vor allem darum, Macht über sein Tun zu erlangen und dafür verantwortlich zu zeichnen. Selbstermächtigung geht Hand in Hand mit Selbstverantwortung, auch und vor allem für das eigene Handeln.

      Michaela Glöckler spricht vom Mysterium des Tuns als einem offenen Geheimnis.24 Am Tun einer Person, eines Politikers, einer Regierung, eines Verantwortlichen, egal in welchem Bereich, können wir ablesen, wes Geistes Kind er ist. Das gilt auch für Gruppierungen, Parteien, Religionsgemeinschaften, Initiativen, Bildungs- und Gesundheitspläne, aber auch für Abkommen aller Art, mit denen wir uns als Gesellschaft konfrontiert sehen. Was diese Gruppierungen bewirken durch ihr Tun, offenbart ihre Geisteshaltung und ihre Intentionen, ganz nach den Bibelworten: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“.25 Früchte als Taten, Handlungen und Maßnahmen, die das Weltgeschehen bestimmen:

      in Richtung Freiheit oder nicht,

       in Richtung Ermächtigung des Menschen oder nicht,

       in Richtung Würdigung des Menschen oder nicht,

       in Richtung Entwicklungsförderung oder nicht

       in Richtung Stärkung der Menschenrechte oder nicht.

      Alles, was bewusst zwingt, kontrolliert, entrechtet, Abhängigkeiten schafft, Verwirrung stiftet, zeigt durch seine Auswirkungen die Absichten der Initiatoren. Eine Geisteshaltung ist mehr als nur eine Ansicht. Sie entspringt einer höheren Ebene des Seins, weshalb sie dem Tun viel größere Wucht verleiht – im Guten wie im Bösen.

      Im Sinne der Selbstermächtigung ist es gerade deshalb von eminenter Bedeutung, dass wir uns als mündige Menschen gewahr sind, was geschieht: in unserem eigenen Leben, in unserem eigenen Körper, in unserem eigenen Herzen. Das Geschehen auf gesellschaftlicher und globaler Ebene ist nur insofern von Belang für uns, als wir unseren Körper und unser Herz befragen können – nicht unseren Verstand! –, ob wir etwas dazu beitragen können, damit unser Leben in alledem besser funktioniert. Uns selbst zu verändern, indem wir unserem tiefsten Sehnen folgen, liegt auch jetzt in unserer Macht, in der Macht jedes einzelnen Menschen. Nutzen wir sie, wird sich auch die Welt verändern.

      Wir sind dann keine Opfer mehr, sondern wissen um die Bedingungen und die Bedingtheit unserer Welt, zu der wir am meisten beitragen, indem wir authentisch sind, aus unserem Sein heraus handeln, um noch weitere Seinsmöglichkeiten zu kreieren. Das ist ein wahres Werkzeug der Macht. Wissen wir es zu nutzen, steht uns die Zukunft offen. Denn nichts und niemand kann uns daran hindern, uns unbeirrbar zu denen zu entwickeln, die wir von Herzen sein wollen.

      Worte der Besinnung:

      Wahre Macht beschränkt sich auf Selbstermächtigung.

      Mühelosigkeit

       Es sieht mühelos aus,

       aber es ist sehr kompliziert,

       einfach zu sein.

      Martin Scorsese

      Manchmal gelingen uns Dinge mühelos, ohne dass wir uns dafür anstrengen müssen, ohne dass wir uns darüber den Kopf zerbrechen oder sonstwie damit herumquälen. Mühelosigkeit ist kein Privileg der Begabten und hat immer etwas Spielerisches an sich, sie geht mit einer Leichtigkeit und Grazie einher, die an tanzen erinnert. Wer etwas mühelos vollbringt, ist im Flow26, seine inneren und äußeren Bewegungen folgen einer unsichtbaren Choreografie, die sich wie von selbst ergibt. Mühelosigkeit strahlt eine Schönheit und Leichtigkeit aus, die sonst nur dem Tun und Sein von Kindern eigen ist. Etwas mühelos zu beherrschen, setzt Übung voraus – die aber nicht mit Mühe zu verwechseln ist.

      Üben ist das Immer-wieder-Tun, nicht die eine große Anstrengung, die mit Gewalt auf einen Schlag erreichen will, was die Wiederholung wie von selbst schafft. Das gilt auch für das Liebe-Üben. Entwicklung, aber auch der Erwerb von Fähigkeiten, vollzieht sich mühelos von Impuls zu Impuls, egal, ob er von innen oder außen kommt.

      In manchen Bereichen genügt es nicht, etwas zu wollen, auch wenn der Wunsch noch so brennend ist. Fähigkeiten, wie z. B. das Spielen eines Instrumentes, das Turnen, Tanzen, Singen, müssen durch viele Stunden des Übens erworben werden. Dazu braucht es den unbedingten Willen dran zu bleiben und es zu tun, und die Bereitschaft eigene Grenzen und Begrenztheiten zu erkennen und zu überwinden. Kinder benötigen dafür ein unterstützendes Umfeld, Erwachsene müssen sich selbst diese Struktur geben. Doch in beiden Fällen ist die Freude am Üben das ausschlaggebende Element, der Garant für mühelose Leichtigkeit. Denn mit Freude zu üben ist leicht, auch wenn es um komplizierte Abläufe geht.

      Haben wir uns erst einmal mit unserem Körper angefreundet, wird er uns über seine Signale auf dem Weg der Mühelosigkeit unterstützen. Unser Körper hört immer auf uns, auch auf die unbewussten Botschaften, die wir ihm senden. Solange wir das nicht begreifen, werden wir manchmal meinen, er arbeite gegen uns. Es gibt verschiedene Wege, wie wir unseren unbewussten Botschaften auf die Spur kommen können. Der einfachste ist in den Spiegel unseres Körpers zu schauen: Wenn er nicht unseren Vorstellungen entspricht, nicht tut, was wir wollen, bedeutet das immer, dass er einer unbewussten Anweisung folgt, womöglich schon jahrelang. Solche Anweisungen lassen sich überschreiben, auch wenn man nicht genau weiß, wie sie lauteten. Man muss nur einen neuen, stärkeren Auftrag geben. Nichts hat mehr Kraft als das, wonach wir uns wahrhaft aus tiefstem Herzen sehnen. Indem wir konsequent und bewusst unserer Sehnsucht nach unserem wahren Wesen, nach dem, was wirklich zu uns gehört, Nachdruck verleihen, mit allen Mitteln, die uns einfallen, in Liebe, Freude, Leichtigkeit und unter Einbeziehung unserer Körpersignale, wird die alte Anweisung außer Kraft gesetzt und einer neuen Mühelosigkeit weichen.

      Worte der Besinnung:

      Mühelosigkeit zeichnet den Weg des Herzens aus.

      Kunst

       Aus der Asche erhebt sich der Phönix,

       verwandelte Form aus verbranntem Leben:

       Er kommt durch das Tor am Ende

       in das Land des ewigen Anfangs

       aus ßammenerprobter Kraft.

      Katharina Offenborn (1999)

      Kunst ist kein Luxus, ist Pflege des Wesentlichen mitten im Leben, ist Nahrung, ist Notwendigkeit des Nehmens und Gebens. Kunstschaffende aller Richtungen schenken Momente des Glücks trotz persönlicher, biografischer, weltgeschichtlicher Dramen, angesichts einer Welt, die von Angst überwältigt in den Abgrund gezogen zu werden droht. Sie sind Sehende inmitten von Umwälzungen, stehen Kopf wie ihr Leben, tun den Sprung in ihr Herz und stehen wieder auf. Als Experten für den Tanz der Verwandlung atmen sie tief durch, spüren die unbändige Kraft ihres Schaffens, schüren in sich Mut und Freude, bis diese lichterloh

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