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Könnte schreien. Carola Clever
Читать онлайн.Название Könnte schreien
Год выпуска 0
isbn 9783347059184
Автор произведения Carola Clever
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Mary und Alexandra gingen in die Küche, tuschelten miteinander. Ich hörte sie lachen und juchzen, während ich mich im Wohnzimmer umschaute. Helle freundliche Holzmöbel signalisierten etwas Distinguiertes und doch Gemütliches. Bunte Tücher, Teppiche, Überwürfe, orientalische Lampen rundeten das Bild eines marokkanischen Basars ab. Ein riesiges Bild über dem Sofa zog mich total in den Bann. So ein großes Bild hatte ich privat noch nie gesehen. Die Oberfläche war wie gelackt. Die Pinselstriche des Malers waren in den Konturen gut sichtbar. Die Szene war unbeschreiblich. Ich konzentrierte mich, überlegte, ob ich dieses Bild kannte. Ich entschied mich für ein klares Nein, kannte zwar den Künstler, aber dieses Bild hatte ich noch nie gesehen.
Mary kam ins Wohnzimmer, küsste mich, während sie sich gleichzeitig verabschiedete.
„Ich wünsche dir die nächsten zwei Stunden Freude und Genuss. Lass dich verwöhnen, genieß mein Souvenir aus der Schweiz, denn dort hatte ich auch das Vergnügen. Ich hole dich hier wieder ab.“ Ich blieb überrascht stehen, schaute ihr nach, während sie das Haus poposchwingend mit breitem Lächeln verließ.
Tausendschön kam in den Salon. „Hallo Valentina. Fühl dich wie zu Hause!“
Ich drehte mich von ihr weg. „Bewundere dein Bild. Die Szene fesselt mich.“
„Wie treffend!“ Ihre Augen hatten diesen sagenhaften Glanz, der ihr Strahlen verstärkte. „Nun, es ist mein Lieblingsbild. Eine geniale Kopie von Lucas Cranach der Ältere. Das Original ist von 1546. Es trägt den Titel Der Jungbrunnen – ein Quell mit Wandlungskräften, dieser Jungbrunnen, den Juan Ponce de León als erster Europäer und Kommandant eines der ersten Segler in Florida auf dem amerikanischen Kontinent gesucht hat. Er hörte nämlich, dass der, der in diesem Quell badet, um Jahrzehnte verjüngt wurde.“ Sie streckte ihren Finger aus, zeigte mit ihm auf das Bild. „Links siehst du, wie Menschenmassen dahinströmen. Sie werden in Schubkarren angekarrt. Du siehst, wie sie in offenen Kutschen, Lastenträgern, zu Pferd oder huckepack getragen werden. Die Landschaft zeigt ein überdimensionales Wasserbecken. Die Menschen entkleiden sich vor dem Becken, springen, schwimmen, baden und hüpften ins Wasser. Das Wasser spült ihre Gedanken, Gebrechen, Unebenheiten und Sorgen davon. Dann gehen sie auf der anderen Seite aus dem Becken raus in die Terra Incognita oder auf die andere Seite in uns. Sie fühlen sich erneuert, befreit, erleichtert und verjüngt, treffen Partner, Familie und Freunde, tafeln, spielen oder erfreuen sich an sich selbst.“
Fasziniert hörte ich zu, konnte meinen Blick nicht abwenden.
„Das ist die Einleitung zu dem, was wir miteinander machen werden. Ich habe zwar nicht so ein großes Schwimmbecken, aber auch du wirst, wie einem Jungbrunnen entstiegen, diesen Ort verlassen: befreit, erleichtert und verjüngt.“
Ich räusperte mich verlegen. Während ihrer Aufzählung kringelte ich wieder meine Locke im Nackenhaar, sah sie mit fragendem Blick an. Meine Nervosität wuchs. Molly hüpfte wie ein Gummiball rauf und runter, lachte, kicherte und schien sich zu amüsieren. Hm!
„Komm, folg mir die Treppe hoch. Das Behandlungszimmer, mein imaginäres Schwimmbecken, ist in der ersten Etage.“
Mmh … Behandlung? Vielleicht eine Kosmetikbehandlung? Das war’s also! Na klar! Wieso ich das nicht gleich erraten hatte, war mir schleierhaft. Ich freute mich.
Das Zimmer hatte eine hohe Decke, erstreckte sich über zwei Etagen, war mintgrün gestrichen. Der etwas süßliche Duft konnte Flieder sein. Oder war es Jasmin? Außer einer gepolsterten dicken Matratze, einer Stereoanlage, einer Zweisitzer-Couch, einem Tisch mit weißen Lilien stand nichts in diesem großen Zimmer. Meine Augen suchten diskret den Behandlungsstuhl, die Vergrößerungslampe, den Dampfreiniger, die Handtücher, die Flaschen, Tuben und Tiegel. Nichts.
„Du kannst dich vor der Couch ausziehen, deine Sachen über die Lehne legen, wenn du magst.“
Tausendschön ging zur Stereoanlage, legte eine wunderbare, beruhigende Musik auf. Der leichte Trommelwirbel wurde unterstützt von der Oboe. Das wirkte beruhigend, geradezu besänftigend. Dann zündete sie mehrere Duftkerzen, die in mintgrünen Gläsern standen, an, dimmte das Oberlicht. Ein warmer Grünton kleidete das Zimmer aus. Grün, die Farbe des Herzens. Ich stand in BH und Höschen vor der Couch, wusste nicht so richtig, was ich machen sollte, drehte meine Locke.
„Bitte zieh den BH und das Höschen auch aus. Leg dich bequem auf den Bauch. Es wäre auch gut, wenn du deine Haare hochstecken könntest, damit sie nicht fettig werden. Ich benutze ausschließlich naturbelassene Öle aus Jasmin, Kokos und runde es ab mit süßem Mandelöl für deinen Körper.“ Ich spürte, die Matte war vorgewärmt, als ich mich bäuchlings hinlegte. „Aber sollest du trotzdem frieren, stelle ich die Heizung sofort höher.“
So betörend konnten nur Elfen lächeln. Es hatte etwas unglaublich Warmherziges. Trotzdem schämte ich mich, so unbedeckt im Eva-Kostüm vor dieser mir noch Fremden. Splitterfasernackt lag ich auf ihrer Matte. Das hatte etwas sehr Intimes. Meine Arme verschränkte ich vor meiner Stirn. Wollte dem direkten Blickkontakt ausweichen. Das Herz schlug mir bis zur Oberlippe. Der Schlag schallte in meinen Ohren als Refrain wider.
Meine Nervosität nahm zu, als ich hörte: „Ich benutze lauwarmes Rosenwasser, Valentina, werde dich erst mal bequem im Liegen waschen. Dann öle ich deine Haut ein, von Kopf bis Fuß. Jeden Millimeter deiner Haut berühre ich mit zarten kreisenden Streichelbewegungen, damit sich deine Hautrezeptoren wohlwollend öffnen. Denn um zu fühlen, brauchen wir Entspannung.“
Hm … das hörte sich doch gut an.
Ihre Stimme war engelsgleich: „Genieße die Entspannung. Lass angestaute Anspannung aus deinem Körper fließen. Alles ist gut. Erlaube all deinen schweren Gedanken davonzuschweben. Lausche der Musik. Du brauchst dich nicht zu fürchten, nichts Schlimmes passiert. Es ist ein Geschenk an dich selbst, wenn du es zulässt.“
Ich entspannte meinen bis dahin zusammengekniffenen Po, ließ meine hochgezogenen Schultern fallen, entspannte meine Kiefermuskulatur, weil sich meine Zähne ineinander verkeilt hatten. Toll! Ich bekam sicherlich eine Ganzkörper-Massage! Super Idee, Mary. Du bist die Beste! Während ich meinen Gedanken folgte, hörte ich, wie ihre Kleidung raschelnd zu Boden fiel. Die Hose, das T-Shirt, ihre Socken und Schuhe.
„Nicht erschrecken!“, flüsterte Tausendschön. „Vielleicht hast du schon wahrgenommen, dass ich mich ebenfalls ausgezogen habe. Nicht weil ich mich scheue, Öl an meine Kleidung zu bekommen, sondern weil ich mich mit dir verbinde. Denn solltest du Schamgefühle wegen deiner Nacktheit mir gegenüber haben, möchte ich, dass du sie ablegen kannst. Deshalb bin ich auch nackt.“
Ich fand ihre gelassene, natürliche Art, mit Nacktheit umzugehen, erstaunlich beruhigend.
„Du brauchst dich vor mir nicht schämen. Wir sind gleich und miteinander verbunden. Natürlich können wir nicht alle nackt umhergehen, aber Kleidung beeinflusst und lenkt ab vom Wesentlichen.“
Das lauwarme, herrlich duftende Rosenwasser träufelte sie langsam über meinen Hals, Brust und Oberarme, verstrich die betörenden Tropfen seitlich über meine Rippen bis zur Taille. Größere Mengen flossen über meine Oberschenkel, Beine und Füße. Ich lag im lauwarmen Rosenwasser auf der Matte, während Alexandra den ganzen Körper damit streichelte. Ich hielt meine Späher verschlossen, hörte, wie sie eine Flasche öffnete, eine zähe Flüssigkeit herausdrückte. Sie rieb ihre Hände und verteilte das Öl. Streichelzart verteilte sie es auf jede Hautzelle. Viel zu schnell gab sie die Anweisung, mich zu drehen, um eine Seitenlage einzunehmen. Ich hielt die Augen dabei geschlossen aus Genuss und Scham, die ich nicht ablegen konnte. Die Wörter prüde und steif kamen mir in den Sinn.
Ich zuckte ein wenig bei ihrer ersten Berührung der Füße.
„Bleib entspannt, alles ist gut. Entspann