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fürchterliche Zwickmühle, in der sich der kranke Mensch befindet, ein Abgrund, in den er zu springen gezwungen ist, obwohl er weiß, dass er sehr hart aufschlagen wird.

      Das Craving beherrscht den abhängig kranken Menschen total, seine Gedankenwelt, seine Gefühlswelt und seinen Körper. Er erwacht mit dem Gedanken, ob noch genügend Stoff im Haus ist, ob er genug Geld für weiteren hat, wo er mehr bekommen kann; sein Tagesablauf drapiert sich um den Augenblick des Konsums herum; ja, er hat noch Gefühle für seine Nächsten, kann Freude empfinden, Trauer, Liebe, Wut - aber alles ist dem Gefühl des Haben-müssens des bevorzugten Stoffes untergeordnet, ebenso sein Empfinden für Recht und Unrecht; er spürt die Gier nach dem Stoff in jeder Faser seines Körpers, es tut weh und er weiß: erst der Stoff wird ihm Linderung verschaffen, seinem Körper, seinem Geist, seinen Gedanken, seinen Gefühlen.

      Ambivalenz

      Ambivalenz ist etwas vertracktes: Hü-Hott und Brrrr gleichermaßen und gleichzeitg; soll ich links abbiegen oder doch lieber rechts; tu ich's oder tu ich's nicht. Bestenfalls bedeutet Ambivalenz Entscheidungsstau, Verzögerung, schlechtestenfalls Stllstand und Entscheidungsunfähigkeit. Ambivalenz ist Zerrissenheit und Passivität. Sie ist nicht sonderlich angenehm.

      Alle Menschen, die psychotrope Substanzen außerhalb einer definierten therapeutschen Behandlung konsumieren, sind ambivalent. Ambivalent heißt: sie wollen den Stoff konsumieren und auch wieder nicht, sie wollen die Wirkung haben und auch wieder nicht, sie wollen auffiören und auch wieder nicht, sie wollen Nähe und Zuwendung und gehen gleichzeitg auf Distanz, sie wollen Hilfe und doch alleine klar kommen, sie wollen vertrauen können und dennoch ihr Misstrauen behalten, sie wollen Vertrauen ernten und trauen sich selbst kaum. Diese Zwickmühle ist noch bedrückender als es sich anhört. Denn sie lässt kaum Raum für Klarheit und verhindert Entscheidungen. Sie ist nicht immer gleich stark, sie variiert, sie ist immer dann besonders stark spürbar, wenn der Substanzspiegel weit genug gesunken ist, verschwindet auf wunderbare Weise bei dessen Ansteigen und nährt so das Verlangen nach dem bevorzugten Stoff.

      Es ist wichtg, die Ambivalenz im Auge zu behalten, wenn man mit einem Substanz konsumierenden oder abhängig kranken Menschen zu tun hat. Sonst ist man beispielsweise leicht geneigt, Aussagen als Betrug, als Lüge, als Verarschung, mindestens als gepflegten Selbstbetrug zu werten, obwohl der Betreffende nichts anderes tut, als diesen - seinen - Anteil zu sehen und zu formulieren.

      Deshalb ist Ambivalenz erfreulicherweise nicht nur negatv: sie bietet dem Therapeuten mit ihrem gesunden Anteil eine Möglichkeit, ressourcenorientert zu arbeiten. Das erst versetzt uns in die Lage, die klassische und weit verbreitete Defizitmethode3 zu verlassen, die Stärken des Menschen zu nutzen und damit eine sinnvolle, effiziente, Erfolg versprechende und den Hilfe Suchenden annehmende Herangehensweise zu verwirklichen - sehr ökonomisch also.

      Der„innere Schweinehund“

      Ein gern genommenes Bild. Ähnlich oft wird mit dem „Engelchen“ und dem „Teufelchen“ gearbeitet. Das sind Metaphern, die die Meisten gut verstehen. Sie sollen verdeutlichen, dass wir Menschen auch negatve Anteile in uns haben. Anteile, die uns nicht gut tun, die uns zu Dingen verführen, die wir eigentlich nicht tun sollten.

      Mit diesen Bildern arbeiten wir nicht. Auch das will ich gern begründen.

      „Sie müssen Ihren inneren Schweinehund bekämpfen und am besten besiegen.“ meinen viele Therapeuten und in der Folge auch viele abhängig kranke Menschen. Analog soll das Engelchen über das innere Teufelchen siegen.

      Hört sich gut an, ist es aber nicht.

      Als ich meine Stelle als Chefarzt antrat, stand am Eingang der Klinik auf einem kleinen Podest ein Stein, in den war eingraviert: „Sich selbst zu bekriegen ist der schwerste Krieg, sich selbst zu besiegen ist der schönste Sieg.“ So eine Art Motto der Klinik.

      Nach einiger Zeit stand er nicht mehr da. Aber nicht, weil ich es angeordnet hätte, sondern ich habe mit meinen Mitarbeitern einfach etwas diskutert:

      Wenn du gegen dich Krieg führst, wenn du gegen dich kämpfst, wer kann nur verlieren?

      Richtg: du selbst.

      Aber niemand verliert gerne, niemand wird gerne besiegt. Das ist ein höchst unangenehmes Gefühl. Niederlagen verzeiht man nicht gerne, auch nicht sich selbst. Und in der Regel schafft man sich mit einem Sieg jede Menge alter und neuer Feinde.

      Und noch etwas: In einem Krieg gibt es jede Menge Verluste, in einem Krieg gibt es keine Gewinner (außer der Rüstungsindustrie), sondern nur Verlierer. Wir sollten uns sehr gut überlegen, ob wir solche Metapher benutzen.

      Was denn dann? Gibt es eine Alternatve? Es wird doch immer wieder dazu aufgefordert, den Kampf gegen die Krankheit aufzunehmen?!

      Kämpfen als solches ist völlig in Ordnung, manchmal muss man eben kämpfen. Einfach untergehen, sich kampflos dem Schicksal ergeben, das ist oft nicht das, was einen weiterbringt.

      Es ist aber ein feiner und entscheidender Unterschied, ob ich zum Beispiel den inneren Schweinehund bekämpfe oder mir anschaue, welche guten und wichtgen und gesund machenden positven Anteile in mir stecken. Der Focus, die Aufmerksamkeits- und Tätgkeitsrichtung und die Bedeutung verändern sich dadurch. Den inneren Schweinehund lasse ich einfach links liegen und widme mich den wirklich wichtgen Dingen: meinen Stärken und meinen gesunden Anteilen. Ich schließe Freundschaft mit mir, mache Frieden mit mir - auch der längste Krieg endet mit einem Frieden, wie wir wissen. Und um Freundschaft und Liebe zu kämpfen, das lohnt allemal.

      Das Wunderbare dabei: es gibt kein gegen, sondern ein für, es gibt keine Toten.

      Und noch etwas ist wichtg: solche Denkbilder wie der „innere Schweinehund“ verschieben unsere Perspektve. Sie verleiten uns dazu, die verantwortliche Substanz aus den Augen zu verlieren und so zu tun, als müssten wir nur vernünftig handeln, um wieder gesund zu werden.

      Dass vernünftiges, kluges und umsichtges Handeln, eigenverantwortliches und vielleicht überhaupt verantwortliches Handeln durch die konsumierte Substanz ja gerade verhindert wird, das wird dann schnell vergessen. Der Zwang der Substanz, deren pharmakologische Macht, spielen dann keine Rolle mehr und der Mensch muss dann eigentlich nur noch vernünftig sein und mit dem Mist auffiören.,.also genau das, was einem abhängig Kranken und jedem Kranken verwehrt ist: mit Krankheit einfach mal so eben auffiören (siehe weiter oben).

      „Intrinsische Motìvatìon“

      Bei dieser Art der Arbeit könnte gleich eine weitere sehr verbreitete, tradierte Ansicht renoviert werden. Sie lautet: der Hilfe Suchende muss intrinsisch motviert sein, also aus tìefer innerer Überzeugung mit festem Willen etwas für sich persönlich tun wollen. Vielfach wird der Versuch unternommen, diese Motvaton abzuprüfen: mit Zugangsvoraussetzungen zu Therapieangeboten, zeitlichen und bürokratschen Hürden, geschickten Fragestellungen oder gar der Auflage, bis zum Therapiebeginn keinen Stoff mehr zu konsumieren.

      Ganz ehrlich: dieser 100%-Motvatons-Typ ist mir noch nicht untergekommen. Geht eigentlich auch gar nicht, schon wegen der Ambivalenz. Und wenn man sich die tollen Wirkungen verschiedener Substanzen ansieht, erschließt sich mir auch nicht so recht, wieso jemand diese so angenehm empfundenen Wirkungen aus tefster Seele zum Teufel wünschen sollte. Nein, in meiner doch ziemlich langen Erfahrung mit Substanz konsumierenden und abhängig kranken Menschen habe ich eigentlich immer nur wirksame äußere Einflüsse gesehen: meckernde Eltern, unzufriedene Partner, spöttelnde Kollegen, sich zurückziehende Kinder und Freunde, oder drohende berufliche, straßenverkehrstechnische oder juristsche Komplikatonen - das waren die Antriebe, es vielleicht mal mit etwas anderem zu versuchen. Zusammen mit der Nutzung von Ambivalenz und Ressourcen ist das aber eine absolut gesunde und tragfähige Ausgangslage, finde ich.

      Und es ist notwendig, dringend notwendig und geboten, alle Möglichkeiten zu nutzen, mit einem abhängig kranken Menschen in Kontakt zu kommen und zu helfen. Denn alle Krankheiten ziehen nicht nur den Betroffenen selbst, sondern stets auch in höchst unterschiedlichem Umfang sein Umfeld in Mitleidenschaft. Die Abhängigkeitserkrankung macht das in besonders hartnäckiger und leider auch nachhaltger Art und Weise. Tina Franken gewährt uns hierzu in ihrem Beitrag bedrückende Einblicke in das

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