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der Italiener und Touristenort: Cafés, Restaurants, Banken, Supermärkte, Boutiquen, Einrichtungsläden, ein Casino - Malindi bietet alle Annehmlichkeiten. So vielfältig die Bevölkerung ist, so unterschiedlich sind auch die Baustile. Alte, reichverzierte Holztüren und bogenförmige Fenster neben schlichten, weißgekalkten Häusern mit Makuti-Dächern. Die meisten Häuser sind nicht in allerbestem Zustand, aber gerade das macht diese Stadt charmant. Lauscht man dem Stimmengewirr mit geschlossenen Augen, kann man nicht mit Sicherheit sagen wo man sich befindet. Swahili, Giriama, Englisch, Italienisch und manchmal ein paar Wortfetzen Deutsch. Hier werden alle Weißen - die Mzungus - grundsätzlich auf italienisch angesprochen, scheinbar sind in den Augen der Einheimischen alle Mzungus Italiener.

      Malindis Markt liegt im Zentrum des arabischen Stadtteils. Eine bunte Anhäufung von vielen kleinen Verkaufsständen, Bushaltestellen, kleinen Tea-Shops und Geschäften, die von Korbwaren, bis zu Flip-Flops und Haushaltwaren alles anbieten. Hühner in Körben warten auf ihren Tod.

      In Malindi angekommen, schlendert sie über den Markt. Diese armen Hühner! Beinchen aneinandergebunden in viel zu kleinen Körben - reinste Tierquälerei! Und dann wird sie Zeuge wie eines dieser Tiere geschlachtet wird. Gnadenlos wird das Huhn aus dem Korb gezogen, an den Flügeln festgehalten, auf den Boden gedrückt, Fuß auf das Huhn, damit beide Hände frei sind, mit der einen Hand den Hals lang strecken, mit der anderen Hand – ratsch - Messer der Kehle entlang. Dann Fuß vom Huhn, Huhn kopfwärts in einen Eimer und ausbluten lassen. Harriette sieht nur noch zwei heftig zappelnde Hühnerbeinchen. Das Zappeln wird weniger und dann bewegt sich nichts mehr in dem Eimer. Sie steht da mit Tränen in den Augen, sie kann die Grausamkeit nicht fassen. Die Marktfrau, die sich erst das Blut von den Händen und dann den Schweiß vom Gesicht wischt, sieht ihr Entsetzen und lacht laut.

      “Mzungu! Hakuna matata … no problem!”. Sie wickelt das tote Huhn in Zeitungspapier und gibt es dem geduldig wartenden Kunden. Harriette ist schlecht. Hieran werde ich mich niemals gewöhnen können! Ja, auch das ist Kenia!

      Harriette verbringt eine schlaflose Nacht. Immer wieder dieselben Fragen: Was will ich hier in Malindi? Was will ich mit diesem Haus? Alles, was mir lieb und wichtig ist, aufgeben? Will ich hier alt werden? Ganz alleine hier. Keine Ahnung, worauf ich mich einlasse… naiv… Touristenbrille auf… und trotzdem… ich wollte doch immer schon in den Tropen leben! Der Moment ist JETZT! Jetzt oder nie! Wenn du es jetzt nicht machst, dann meckere nie wieder darüber, dass du in den Tropen leben wolltest! Verpasste Chance …. Zurück in die Mühlen, die du schon kennst!

      *

      Die kommenden Tage verbringt Harriette mit Auskundschaften. Sie will dieses Malindi mehr auf sich einwirken lassen, will mehr zu wissen bekommen, was hier so passiert, wer hier so lebt.

      Harriette findet zwei Makleragenturen in Malindi – beide durch Italiener betrieben. Sie schaut sich das Angebot in den Fenstern an: die meisten Häuser sind die typischen mit Makutidach, aber es gibt auch weniger exotische Exemplare mit Ziegeldach oder ganz primitive Häuser mit Wellblechdach! Das ist doch garnicht auszuhalten mit der Hitze! Wie kann man unter einem Wellblechdach leben? Das Preisangebot variiert entsprechend.

      Harriette betritt eines der beiden Maklerbüros und sieht eine Frau an einem Tisch hinter ihrem Computer sitzen. Sie schätzt sie im gleichen Alter wie sie selber. Eine etwas mollige Italienerin mit tiefem Dekoltee, großer Armani-Sonnenbrille auf dem Kopf, um ihr mittelbraunes, langes Haar nicht ins Gesicht fallen zu lassen, silberne Ohrreifen und zahlreiche Ringe an den rundlichen Fingern mit langen künstlichen Fingernägeln. Von allem ein bißchen zu viel!

      “Kann ich Ihnen helfen?”, fragt die Schöne freundlich und schüttelt die Silberreifen an ihrem Arm.

      “Nun - ich würde mich gerne einmal unverbindlich umschauen nach einem Haus hier in Malindi. Ich kann noch nicht einmal sagen, was ich genau suche. Vielleicht auch nur ein Haus zur Miete … haben Sie das auch?”.

      “Miete!? Ja, das gibt’s auch, aber ich fürchte, daß Sie damit nicht glücklich werden. Die Häuser, die hier vermietet werden, sind im Allgemeinen ziemlich verwahrlost!”.

      “Ich würde mir gerne einmal einen Eindruck verschaffen von sowohl Kauf- als auch Mietshäusern. Könnten Sie mir ein paar Häuser zeigen?”.

      “Für wie lange würden Sie denn eventuell mieten wollen? Ist es, um hier längere Zeit zu leben oder um hier regelmäßig Urlaub zu machen?”, fragt die Maklerin. “Tja, sie werden mich für verrückt erklären, aber das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Ich will etwas anderes mit meinem Leben anfangen und könnte mir vorstellen, das hier in Malindi zu verwirklichen. Wenn ich mieten würde, gehe ich natürlich kein Risiko ein; bei einem Hauskauf sieht das ganz anders aus, aber ich könnte dann auch schon ganz anders vorgehen bei der Verwirklichung meiner Ideen”.

      “Was sind denn Ihre Ideen?”, fragt sie weiter. Harriette fühlt sich auf den Zahn gefühlt.

      “Vielleicht ein kleines Hotel oder ein Bed & Breakfast beginnen. Wenn ich mieten würde, wäre das also lediglich für die Zeit, die ich brauche, um meine Pläne zu verwirklichen. Letztendlich aber läuft es doch auf den Kauf eines Hauses hinaus”.

      “Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen morgen ein paar Häuser. Morgen zehn Uhr hier?”.

      “Wunderbar! Morgen zehn Uhr. Ich werde da sein. Ich heiße Harriette van der Ham”.

      “Angenehm! Anna Grimaldini!”.

      Die Häuser, die Harriette zu sehen bekommt, beeindrucken sie nicht. Die meisten befinden sich im nördlichen Teil der Stadt - einer weniger attraktiven Gegend. Es ist nichts dabei, was Harriettes Herz höher schlagen läßt. Zu weit abgelegen, zu schattig, ungenügende Abschirmung, vergammelte Dächer, schlechte sanitäre Anlagen, oder einfach nur eine unbehagliche Atmosphäre, ohne das näher erklären zu können. Anna hat Recht. Die Mietshäuser oder Wohnungen sind einfach nur gräßlich. Lieblos, verwahrlost, defekt, schmutzig. Nein, dort will sie keinen einzigen Tag verbringen! Warum wird das Mietern zugemutet? Warum kann man kein nettes, gepflegtes Häuschen oder eine nette Wohnung finden? Harriette versteht es nicht. Könnte ich nicht tatsächlich selber Zimmer vermieten in Malindi? Könnte ich nicht wirklich besser doch ein Haus kaufen und es so umgestalten, daß ich die Zimmer vermieten kann? Schöne, liebevoll eingerichtete, geschmackvolle Zimmer. Schlicht, aber einladend! Vielleicht tatsächlich ein Bed & Breakfast beginnen … ein Guesthouse … ein kleines Hotel ….

      Als Harriette sich die verschiedenen Häuserpreise genauer anschaut, stellt sie mit Erleichterung fest, daß Dorothys Haus nicht übertrieben teuer ist. Es liegt preislich zwar über den anderen, aber das Haus ist auch wesentlich attraktiver, größer, und liegt in einer schöneren Gegend, und das alles nur fünf Gehminuten vom Strand entfernt!

      Harriette hat es sich im ‘Karen Blixen Café’ – im Zentrum des italienischen Stadteils – mit einem Cappuccino bequem gemacht. Sie muß nachdenken. Sie beobachtet die Leute auf diesem kleinen Platz. Ziemlich lebendig hier für eine Kleinstadt! Und was hier so alles herumläuft: sehen und gesehen werden! Italiener überall. Frauen in Gold und Strass, herausgeputzt, als seien sie einer Varieté Show entsprungen, Männer in Bermudashorts und lässig darüberhängenden Design Hemden, Wildledermokassins, Design Sonnenbrillen und Zigarillos. Dem Stimmengewirr nach könnte man meinen, man sei in Italien. Machen die hier alle Urlaub oder leben die hier?

      Eine elegante Italienerin - Harriette schätzt sie auf Anfang sechzig – die einen Rollstuhl vor sich herschiebt, darin ein zerbrechlicher alter Mann, der etwas griesgrämig vor sich hinschaut, nähert sich Harriettes Tisch. Sie trägt einen weiten Seidenkaftan mit farbenfrohem Blumenmotiv und türkisfarbene flache Sandalen. Ihr grau-meliertes Haar - straff zu einem kleinen Nackenknoten gebunden - lässt die kleinen Brilliantohrstecker dezent zur Geltung kommen. Schlichte, stilvolle Eleganz - das gibt es also auch hier! Mit stark italienischem Akzent fragt die Dame auf Englisch, ob sie sich beide zu ihr setzen dürfen.

      “Aber natürlich”, antwortet Harriette, steht auf um einen der noch freien Stühle am Tisch zur Seite zu schieben, um Platz zu schaffen für den Rollstuhl.

      “Wie nett von Ihnen”, sagt

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