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Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
Читать онлайн.Название Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten
Год выпуска 0
isbn 9783958555181
Автор произведения Jonathan Swift
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
Erschreckt und verwirrt konnte ich solche Gedanken nicht unterdrücken, als ein Schnitter sich auf zehn Ellen der Furche, wo ich lag, näherte und in mir die Besorgnis erweckte, durch seinen nächsten Schritt würde ich zerquetscht oder von seiner Sichel durchschnitten werden. Als er sich wieder bewegen wollte, schrie ich deshalb so laut wie möglich, worauf das Geschöpf stillstand, einige Zeit den Boden ansah und mich zuletzt erblickte. Er betrachtete mich mit der Vorsicht, die man anzuwenden pflegt, wenn man ein kleines gefährliches Tier ergreifen will und befürchtet, gebissen oder gekratzt zu werden, wie ich dies in England, wenn ich Wiesel fing, ebenfalls gewohnt war. Zuletzt war der Riese so kühn, mich mit seinem Daumen und Mittelfinger von hinten zu ergreifen. So hielt er mich drei Ellen von seinen Augen entfernt, damit er mich genau betrachten konnte. Ich ahnte seine Absicht, und mein gutes Glück gewährte mir so viel Geistesgegenwart, daß ich den Entschluß faßte, mich durchaus nicht zu bewegen, solange er mich ungefähr in der Höhe von sechzig Fuß über dem Boden hielt, obgleich er mir, aus Besorgnis, ich möchte seinen Fingern entschlüpfen, die Seiten furchtbar zerquetschte. Ich wagte jedoch, die Augen zur Sonne zu erheben und meine Hände wie beim Gebet zu falten; darauf sprach ich einige Worte in so wehmütigem Tone, wie er meiner damaligen Lage angemessen war, denn ich befürchtete jeden Augenblick, er werde mich auf den Boden schleudern, wie wir es mit einem kleinen und verhaßten Tiere, das wir töten wollen, zu tun pflegen. Allein mein guter Stern wollte diesmal, daß der Riese an meiner Stimme und meiner Bewegung Gefallen fand; er betrachtete mich mit Aufmerksamkeit und schien erstaunt, daß ich in artikulierten Tönen sprach, obgleich er kein Wort von dem, was ich sagte, verstehen konnte. Mittlerweile konnte ich es nicht unterlassen, zu seufzen und zu weinen und meinen Kopf, so weit wie möglich, nach beiden Seiten zu drehen. Dadurch wollte ich ihm nämlich andeuten, der Druck seiner Finger mache mir furchtbare Schmerzen. Er schien meine Andeutung zu verstehen und steckte mich sanft in seine Tasche. Hierauf lief er sogleich zu seinem Herrn, einem wohlgenährten Pächter, derselben Person, die ich zuerst auf dem Felde gesehen hatte.
Der Pächter schien sich von seinem Knecht einen Bericht über mich geben zu lassen. Dann nahm er das Ende eines Strohhalmes, von der Größe eines Spazierstocks, und hob damit meine Rockschöße in die Höhe; er schien nämlich zu glauben, mein Rock sei eine Art Haut, die mir die Natur verliehen habe. Hierauf blies er meine Haare seitwärts, um mein Gesicht besser betrachten zu können. Darauf rief er seine übrigen Leute herbei und fragte sie, wie ich nachher erfuhr, ob sie sonst noch so ein kleines Geschöpf, wie ich sei, auf dem Boden hätten laufen sehen. Hierauf legte er mich auf den Boden, und zwar auf alle viere; ich stand jedoch sogleich auf und ging langsam vorwärts und rückwärts, um diesen Riesen anzudeuten, ich wolle durchaus nicht davonlaufen. Alle setzten sich nieder, indem sie mich in einem Kreis umringten, um meine Bewegungen besser beobachten zu können; ich nahm meinen Hut ab und machte dem Pächter eine sehr tiefe Verbeugung. Ich fiel auf die Knie, erhob meine Hände und Augen und sprach mehrere Wort so laut wie möglich; dann nahm ich eine Geldbörse aus der Tasche und reichte sie ihm demütig dar. Er nahm sie auf die Handfläche, hielt sie dicht vor die Augen, um zu sehen, was es sei, und drehte sie dann mehreremal mit der Spitze einer Nadel um, die er aus seinem Ärmel nahm; er konnte aber die Bedeutung meiner Börse nicht begreifen. Darauf gab ich ihm durch ein Zeichen zu verstehen, er möge seine Hand auf den Boden legen; dann nahm ich meine Börse und schüttete mein Geld auf seine Hand. Es bestand aus vier spanischen Quadrupeln und zwanzig bis dreißig kleineren Münzen. Ich sah, wie er die Spitze seines kleinen Fingers auf der Zunge naß machte, um eines meiner größten Geldstücke aufzunehmen; er schien jedoch nicht zu wissen, was dies sein könnte. Dann gab ich ihm ein Zeichen, ich wollte das Geld wieder in meine Börse und die Börse in meine Tasche stecken; ich hielt es nämlich für das beste, mein Geld zu behalten, nachdem ich es ihm mehreremal angeboten hatte.
Mittlerweile hatte der Pächter sich davon überzeugt, daß ich ein vernünftiges Geschöpf sein müsse. Er redete mich mehreremal an, allein der Schall seiner Stimme durchdrang meine Ohren wie das Klappern einer Wassermühle, obgleich die Töne artikuliert waren. Ich antwortete so laut wie möglich in mehreren Sprachen, und er hielt sein Ohr oft nur zwei Ellen von meinem Munde entfernt; alles war jedoch vergeblich; wir konnten einander in keiner Weise verstehen. Hierauf sandte er seine Knechte an die Arbeit, zog sein Schnupftuch aus der Tasche, breitete es doppelt auf seiner linken Hand aus, legte diese auf den Boden, die innere Fläche nach oben gekehrt, und gab mir ein Zeichen, hinaufzusteigen. Dies war mir nicht schwer, denn die Dicke der Hand betrug nicht mehr als einen Fuß. Ich hielt es für meine Pflicht zu gehorchen und legte mich, um nicht zu fallen, der Länge nach auf sein Schnupftuch hin, dessen Zipfel er der größeren Sicherheit wegen über meinem Haupte zusammenband, worauf er mich so nach Hause trug. Dort rief er seine Frau herbei und zeigte mich; sie aber schrie auf und lief in derselben Art fort, wie es die Weiber in England beim Anblick einer Spinne oder Kröte zu tun pflegen. Als sie jedoch mein Benehmen einige Zeit beobachtet hatte und wie genau ich die Zeichen ihres Gatten beobachtete, wurde sie bald wieder ausgesöhnt und sogar außerordentlich zärtlich gegen mich.
Es war ungefähr zwölf Uhr mittags, und ein Diener trug das Essen auf. Es bestand ausschließlich aus einem nahrhaften Fleischgericht, wie es sich für den einfachen Stand und die Beschäftigung eines Bauern ziemt; die Schüssel aber hatte vierundzwanzig Fuß im Durchmesser. Die Gesellschaft bestand aus dem Pächter, seiner Frau, drei Kindern und einer alten Großmutter. Als diese sich sämtlich um den Tisch gesetzt hatten, der ungefähr dreißig Fuß hoch war, stellte mich der Pächter in einiger Entfernung von sich selbst darauf. Ich zitterte aus Furcht und hielt mich, aus Besorgnis herabzufallen, so weit wie möglich von dem Rande des Tisches entfernt. Die Frau des Pächters zerschnitt ein kleines Stück Fleisch, zerkrümelte etwas Brot auf einem hölzernen Teller und stellte diesen vor mich hin. Ich machte ihr eine tiefe Verbeugung, zog Messer und Gabel aus der Tasche und begann zu essen, worüber sich alle außerordentlich freuten. Die Herrin ließ ein kleines Likörglas, das ungefähr vier Maß enthalten konnte, durch eine Magd holen und füllte es mit Getränk. Mit einiger Schwierigkeit hob ich das Glas mit beiden Händen, trank auf die Gesundheit Ihrer Gnaden mit der höflichsten Verbeugung, indem ich, so laut es mir möglich war, die Worte auf englisch ausrief: Hierüber aber lachte die Gesellschaft so herzlich, daß ich durch den Lärm beinahe taub geworden wäre.