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Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
Читать онлайн.Название Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten
Год выпуска 0
isbn 9783958555181
Автор произведения Jonathan Swift
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
Ungefähr zwei oder drei Tage früher war ich in Freiheit gesetzt worden. Als ich den Hof mit dem erwähnten Kunststück unterhielt, langte plötzlich ein Kurier an, um Seine Majestät zu benachrichtigen, daß einer seiner Untertanen einen Fund gemacht habe. Jener war in der Gegend des Ortes, wo ich zuerst gefunden wurde, spazierengeritten und hatte eine große schwarze Substanz von sonderbarer Form auf dem Boden erblickt. Sie erstreckte sich bis zum Umfange des Schlafzimmers Seiner Majestät, und zwar im Kreise, und erhob sich in der Mitte bis zu einer Mannesgröße; es sei kein lebendes Geschöpf, wie man es zuerst befürchtete (so lautete der Bericht), sondern sei bewegungslos auf dem Grase gelegen; mehrere seien einigemal herumgegangen, dann einander auf die Schulter gestiegen, um auf den Gipfel zu gelangen. Sie fanden diesen flach und eben und bemerkten durch Stampfen, daß die Substanz inwendig hohl sei. Dann hätten sie, wie sie sagten, die untertänigste Meinung gehegt, dies werde wohl etwas sein, das dem Bergmenschen gehöre; wenn Seine Majestät befehle, würden sie es mit fünf Pferden herbeischaffen. Ich verstand sogleich, was sie beschreiben wollten, und freute mich herzlich, diese Nachricht zu erhalten. Als ich nämlich nach meinem Schiffbruch zuerst das Land erreichte, war ich so verwirrt, daß mein Hut mir vom Kopfe fiel, bevor ich an den Ort kam, wo ich einschlief. Meinen Hut hatte ich nämlich beim Rudern mit einer Schnur auf dem Kopfe befestigt, und er war mir deshalb während des Schwimmens nicht abgefallen; erst nach der Landung hatte ich ihn verloren, und die Schnur mußte durch irgendeinen Zufall, den ich nicht bemerkte, gerissen sein; bisher glaubte ich, ihn im Meere verloren zu haben. Ich bat darauf Seine Kaiserliche Majestät, indem ich die Natur und den Nutzen des Hutes beschrieb, er möge Befehl erteilen, ihn mir so schnell als möglich überbringen zu lassen. Am nächsten Tage kamen auch die Fuhrleute mit ihm an, brachten ihn aber in keinem guten Zustande, sie hatten in die Krempe anderthalb Zoll vom äußersten Rand zwei Löcher gebohrt und in den Löchern zwei Haken befestigt; auf einen Wagen hatten sie ihn nicht geladen, sondern mit langen Stricken an das Geschirr der Pferde gebunden, die ihn ungefähr eine halbe englische Meile auf dem Boden hinter sich herschleiften; da jedoch der Boden dieses Landes außerordentlich eben und weich ist, so wurde mein Hut weniger beschädigt, als ich befürchtet hatte.
Zwei Tage nach diesem Abenteuer befahl der Kaiser, der Teil seines Heeres, der in der Hauptstadt und in der Umgegend einquartiert sei, solle sich zum Marsche bereit halten. Er hatte nämlich den Einfall, sich auf sonderbare Weise zu unterhalten. Er wünschte, ich möchte mich wie ein Koloß aufstellen, indem ich die Beine, so weit wie möglich, auseinanderspreizte. Dann befahl er seinem General, der ein alter, erfahrener Truppenführer und zugleich auch mein Beschützer war, die Truppen in geschlossenen Reihen aufzustellen und unter meinen Beinen durchmarschieren zu lassen; die Infanterie in Reihen von vierundzwanzig Mann, die Kavallerie in Reihen von sechzehn, bei Trommelschlag, mit fliegenden Fahnen und eingelegten Lanzen. Dies Korps bestand aus 3000 Mann Infanterie und 1000 Mann Kavallerie. Seine Majestät gab Befehl, jeder Soldat solle auf dem Marsche bei Todesstrafe den korrekten Anstand gegen meine Person beachten; das konnte jedoch einige junge Offiziere nicht abhalten, ihre Augen, als sie unter mir hermarschierten, aufzuschlagen. Um die Wahrheit zu gestehen, meine Beinkleider waren damals in so schlimmem Zustande, daß sie Gelegenheit zum Lachen und Erstaunen bieten mußten.
Ich hatte so viele Vorstellungen und Bittschriften über die Wiedererlangung meiner Freiheit eingesandt, daß Seine Majestät die Sache zuerst in seinem Kabinett und dann in dem versammelten Staatsrate zur Sprache brachte. Dort fand durchaus kein Widerstand statt, nur von Skyresh Bolgolam, der mein Todfeind zu sein beliebte, ohne daß ich ihm die geringste Veranlassung dazu gegeben hatte. Allein der ganze Staatsrat stimmte gegen ihn, und der Kaiser gab die Bestätigung. Dieser Minister war Galbet oder Admiral des Reiches; er besaß das Zutrauen seines Herrn in hohem Grade und war auch sehr gewandt in den Staatsgeschäften, allein von mürrischem und saurem Gemüt. Zuletzt wurde er aber überredet, nachzugeben; es wurde jedoch nur unter der Bedingung durchgesetzt, daß er die Artikel und Bedingungen, unter denen ich meine Freiheit erhalten sollte, aufsetzen dürfe. Der Skyresh Bolgolam brachte mir die Artikel in Person; er war von seinen Untersekretären begleitet. Nachdem diese mir vorgelesen worden waren, wurde mir ein Eid über die Befolgung abverlangt; zuerst nach der Sitte meines Vaterlandes und nachher in der Art, die von ihren Gesetzen vorgeschrieben war, die darin bestand, daß ich meinen rechten Fuß mit der linken Hand packen und den Mittelfinger der rechten Hand über die Stirn und den Daumen an das rechte Ohr legen mußte. Vielleicht aber ist der Leser neugierig, von dem besonderen Stil und der Ausdrucksweise dieses Volkes einen Begriff zu bekommen und zugleich auch die Artikel kennenzulernen, nach denen ich meine Freiheit erhielt. Deshalb habe ich die ganze Urkunde Wort für Wort, soweit es mir möglich war, abgeschrieben und nehme mir die Freiheit, sie dem Publikum darzubieten.
Golbasto Momaren Eulamé Gurdilo Shefin Mully Ully Gué der Allergroßmächtigste Kaiser von Liliput, Entzücken und Freude der Welt, dessen Reich sich 5000 Blustrugs weithin ausdehnt (im ganzen ungefähr sechs Stunden), bis an den Rand des Erdreichs; Monarch aller Monarchen, größer an Wuchs als die Söhne der Menschen; dessen Füße den Mittelpunkt der Erde drücken und dessen Haupt sich bis zur Sonne erhebt; auf dessen Wink die Fürsten der Erde mit den Knien zittern; süß wie der Frühling, voll Behaglichkeit wie der Sommer, fruchtbar wie der Herbst, furchtbar wie der Winter. Seine Hocherhabene Majestät stellt dem in unsern himmlischen Provinzen kürzlich angelangten Bergmenschen folgende Bedingungen, deren Artikel er mit feierlichem Eide beschwören muß.
1. Der Bergmensch soll unser Reich nicht ohne besondere, mit unserem Reichssiegel versehene Erlaubnis verlassen dürfen.
2. Er soll ohne besonderen Befehl unsere Hauptstadt nicht zu betreten wagen; alsdann soll den Einwohnern zwei Stunden vorher eine Warnung verkündet werden, damit sie ihre Häuser nicht verlassen.
3. Der besagte Bergmensch soll seine Spaziergänge auf unsere hauptsächlichsten Heerstraßen beschränken und auf Wiesen oder Kornfeldern sich weder niederlegen noch auf diesen umherwandeln.
4. Wenn er auf besagten Heerstraßen spazierengeht, soll er mit der äußersten Sorgfalt sich in acht nehmen, nicht auf die Leiber unserer geliebten Untertanen, ihre Pferde oder Wagen zu treten; er soll auch keinen unserer Untertanen ohne besondere Erlaubnis auf die Hand nehmen.
5. Wenn die außerordentliche Abfertigung eines Kuriers erforderlich ist, so soll der Bergmensch den Kurier sowie dessen Pferd sechs Tagereisen in seiner Tasche tragen, und zwar einmal monatlich; ferner soll er