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wie der Mensch sich selbst als ein kohärentes Ich erfährt, beim Nachdenken über sich selbst aber immer nur einen Teil seines Ichs erfahren kann, sich also spalten muss in Beobachter und Beobachteten, um sich selbst (teilweise) zu erkennen, so muss auch das göttliche Eine das tun. Die Schuld nach Erfahrung muss zwangsläufig im Nichts, als Summe von allem, das sein kann, enthalten sein, und diese Schuld – sich selbst die Selbsterkennung schuldig zu sein – sorgt dafür, dass die Einheit gespalten wird in Sein und Leere. Die göttliche Einheit reflektiert sich selbst, erhellt dabei nur einen Teil ihrer selbst und spaltet die Einheit in das Beobachtete und das Nichtbeobachtete. Dieser Prozess unterliegt keiner Zeit – es ist ein zeitloser, zirkulärer Akt. Die Reflexion des Einen erschafft erst den Beobachter, der die Einheit reflektiert und damit teilt, und die geteilte Einheit bedingt den Beobachter. Anders formuliert: Der Unterschied zwischen Sein und Leere IST der Beobachter als drittes Element, der durch die Beobachtung die Einheit in Sein und Leere spaltet. Beides geschieht simultan. Es gibt kein Vorher oder Nachher. Die Einheit bleibt immer bestehen. Sie ist nur durch den Beobachter »innerhalb« der Einheit gespalten worden, der seinerseits existiert, weil die Einheit gespalten und er zur Grenzfläche wurde – zum Unterschied selbst zwischen Sein und Leere. Als Unterschied zwischen Sein und Leere unterscheidet und scheidet er das Sein von der Leere. Wir können diesen Prozess aber auch von einer anderen Seite aus sehen: Das Sein grenzt sich durch Selbstreflexion von der Leere, als Summe allen Seins, ab. Hier wäre das Sein der Beobachter, der sich selbst erfährt, indem er sich als Negation, d.h. als das, was die Leere nicht ist, erfährt. Der Unterschied, der die Trennung konstituiert, ist das dritte Element – der Geist, der trennt. Wer ist aber der Beobachter bzw. der Geist, der trennt und der das Sein durch Beobachtung von der Leere scheidet? Es ist das Konzept Gott. Als Einheit existiert Gott und existiert nicht. Er beobachtet sich selbst als Einheit nicht, weiß somit nichts von seiner Existenz, existiert also auch nicht. Erst im Akt der Selbstreflexion, in dem die Einheit einen Teil ihrer selbst reflektiert, zerfällt sie in Dualismus und Trinität. Das Eine spaltet sich, und der Unterschied zwischen beiden Teilen ist der Beobachter, der den Unterschied beobachtet und die Spaltung initiiert. Eine Einheit zerfällt damit immer in drei Teile: die beiden gespaltenen Teile und die Grenzfläche, die den Unterschied erzeugt. Erst indem Gott sich selbst tötet, indem er die Einheit zerstört, erzeugt Gott sich selbst und kann sich fortan selbst definieren als abgetrennt und unterschieden von Sein und Leere – als Unterschied zwischen Sein und Leere, der den Unterschied zwischen Sein und Leere beobachtet. Alle drei Teile – Leere, Sein und die unterscheidende Grenzlinie – sind ihrerseits Gott. Gott ist sowohl der Unterschied zwischen Sein und Leere, der sich im Zuge der Selbstreflexion erst erzeugt, von Sein und Leere als Beobachter abgrenzt und durch den Akt der Beobachtung die Trennung aufrechterhält. Gott ist aber auch das Sein, das sich von der Leere abgrenzt, um sich selbst zu erfahren, und der Unterschied ist die erste Information, die er erfährt und durch die sich das Sein definiert. Der Unterschied IST die Selbstreflexion und damit Gottes Geist. Ebenso ist Gott die Leere, als Summe allen Seins, die sich vom Sein abtrennt, um alles zu sein, d.h. nichts zu sein. Ist Gott die Trennlinie, so scheidet er nicht nur Sein von Leere, sondern ist auch Herr über Sein und Leere und damit gleichzeitig wieder göttliche, ungeschiedene Einheit (der Kreis, der zwischen Anfang und Ende oszilliert), mit der Schuld nach Erfahrung. Ist Gott das Sein, so verkörpert er die Dynamik (den Phoenix). Ist Gott die Leere, so verkörpert er die Ruhe (das Pentagramm). Alle drei Komponenten bedingen einander und verkörpern Anfang und Ende simultan.

      Gott erhellt also im Zuge der Selbstreflexion einen Teil der göttlichen Einheit und spaltet damit das Eine in den beobachteten Teil und den nichtbeobachteten Rest. Alle Teile aber sind getrennt voneinander nicht definierbar, bedingen einander und sind eins (null). Gott ist also immer die Verkörperung der Dreifaltigkeit – die Leere (als Summe allen Seins), das Sein (dessen Summe Leere ist) und der Unterschied zwischen Sein und Leere, der nur im Zuge der Selbstreflexion, in der Gott sich selbst durch Teilung erzeugt und erfährt, von Gott beobachtet wird. Sein und Leere sind die Ur-Dualismen, die sich gegenseitig bedingen und eins sind, aber in einer beobachterzentrierten Welt überall, auf allen Ebenen, fraktal weitergesponnen, in Erscheinung treten. Die Selbstreflexion ist die simultane, d.h. zeitlose Oszillation zwischen Sein und Nichtsein der göttlichen Einheit. Sie definiert die göttliche Einheit als unterschiedslose Synthese aus Nichts und Etwas und kreiert synchron dazu den Unterschied zwischen Etwas und Nichts und damit die Selbsterfahrung Gottes. Die Oszillation, als Unterscheidung zwischen Sein und Leere, baut dabei komplexe Welten auf und zersetzt sie auch wieder. Sie ist das Verbindungsstück, das Trinität erzeugt und mit dem dualen Pol aus Anfang und Ende die große Fünf gebärt, »denn ihr habt fünf Bäume im Paradies, die verändern sich nicht, weder im Sommer noch im Winter, und deren Blätter fallen nicht. Derjenige, der sie kennt, wird den Tod nicht schmecken.«1

      Der menschliche Geist ist die Summe all seiner Erfahrungen, so wie die Leere die Summe allen Seins ist. Erst im Zuge der Selbstreflexion beobachtet der in sich ruhende Geist einen Teil seiner selbst, spaltet somit die Einheit in Beobachter und Beobachteten und weiß, dass er als dynamisches Element existiert, um den Preis der Unvollständigkeit. Die ruhende Leere wird in der Mythologie dem weiblichen Prinzip zugeordnet, das dynamische Sein dem männlichen Pol. Aus der weiblichen Leere spaltet sich das männliche Sein ab, das seinerseits ein Wechselspiel aus ruhender, weiblicher Stabilität und dynamischer, männlicher Komplexität ist. Aus dem weiblichen Geist spaltet sich das männliche Bewusstsein ab, das wiederum aus dem männlichen »Über-Ich« und dem weiblichen »Es« das individuelle »Ich« emergiert. Aus dem weiblichen, egalitären Stamm entsteht das ausdifferenzierte, hierarchisierte Patriarchat, das sich seinerseits aus dem männlichen Individualismus (Kapitalismus) und weiblichen Kollektivismus (Sozialismus) speist.

      Das Weibliche ist damit die Mutter allen Seins, und das Pentagramm ist ihr Symbol. Somit wird das Kapitel »Das Pentagramm« im Zeichen des menschlichen Geistes stehen und aller Systeme, die dieser Geist im Zuge der Evolution hervorbrachte.

      1 Aus dem apokryphen Thomas-Evangelium.

      Der Kreis

       Wenn sie euch fragen: »Welches ist das Zeichen eures Vaters in euch?«, sagt zu ihnen: »Es ist Bewegung und Ruhe.«

      Aus dem apokryphen Thomas-Evangelium

      Wenn die göttliche Einheit sich selbst reflektiert und einen Teil der Einheit erhellt, dann zerbricht die Einheit in das Sein, das erhellt wurde – als Gedanke Gottes – und in die Leere als Summe allen Seins. Weil aber nun der Leere der erhellte, beobachtete, reflektierte und damit realisierte Teil fehlt, kann sie nicht mehr die Summe allen Seins sein, sondern nur mehr die Summe allen Seins minus den realisierten Teil. Weil der Leere dieser Teil fehlt, kann sie nicht mehr leer sein, denn nur die Einheit aus Allem summiert sich zu Null. Die Symmetrie der Leere ist also gebrochen und sie zerfällt simultan zur Realisierung des reflektierten Teils in die Realisierung aller Möglichkeiten des Seins, die ihrerseits mit dem reflektierten Teil interagieren und ihn im dynamischen Wechselspiel als eigenständiges System erhalten. Alle nun realisierten Möglichkeiten des Seins sind aber ihrerseits in Summe wieder Leere. Die Realisierung allen Seins ist gleichbedeutend mit der »Realisierung« von Nichts und damit der Nichtrealisierung. Alle Formen des Seins definieren sich durch die Abtrennung vom Nichtsein, der Leere bzw. des Nichts und sind gleichzeitig in Summe wiederum dieses Nichts. Damit ist die Welt nichts anderes als eine »Was wäre wenn«-Simulation, d.h. nichts als ein Gedanke Gottes. So ist die Kohärenz der göttlichen Einheit zu begreifen. Die Selbstreflexion führt zur Realisierung eines Teils, damit zur Realisierung aller Teile und damit zu Nichts. Das ist das zeitlose Pulsieren der göttlichen Einheit. Der Kreis ist das Element, das Anfang und Ende simultan verbindet. Er ist dementsprechend, wie schon das Pentagramm zuvor, seinerseits ungeschiedene, göttliche Einheit und unterteilte Dynamik in einem. Erst der Beobachter zieht die Grenzlinie und teilt den Anfang in das Pentagramm, den Kreis und den Phoenix; jene Trinität, die im Ende wieder zur ungeschiedenen, göttlichen Einheit des Anfangs verschmilzt. Beobachter und Beobachtetes sind im Kreis eins. Die Verbindung von Anfang und Ende, von weiblicher Leere (dem Pentagramm) und männlicher Dynamik (dem Phoenix), erzeugt erst die Unterschiede, die das zeitlose Pulsieren des ungeschiedenen Kreises ermöglichen. Der Kreis als drittes Element steht aber gleichzeitig für den Unterschied zwischen weiblicher Leere und männlichem Sein. Er ist damit nicht nur göttlicher Beobachter und Unterschied,

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