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der Schuld im Nichts, aus dem es kam.

      Wenn also grundsätzlich jeder Giralgeld erzeugen kann, warum konzentriert sich die Geldschöpfung dann fast ausschließlich bei den Geschäftsbanken? Was macht eine Geschäftsbank zu etwas Besonderem? Nun, wie wir gesehen haben, wird das Giralgeld ja vom Schuldner am Markt ausgegeben, d.h. irgendjemand hat dann den aufgenommenen Kredit des Schuldners in seiner Hand bzw. auf seinem Konto. Ein Gläubiger einer traditionellen Wechselforderung kann in das Vermögen eines, bestenfalls mehrerer Indossanten zwangsvollstrecken. Reichen die Sicherheiten nicht bzw. sind diese stark im Wert gefallen, fährt der Gläubiger einen Verlust ein. Ein Gläubiger eines »Bankwechsels« dagegen kann in das Vermögen der gesamten Bank zwangsvollstrecken, mit dem sie für diese Forderung (lautend auf Bargeld) haftet. Geht nämlich der Kreditnehmer, der das Giralgeld zusammen mit der Geschäftsbank geschaffen hat, pleite, muss die Geschäftsbank diesen Verlust bilanziell anderweitig ausgleichen, notfalls mit ihrer Gewinnrücklage. Sie haftet also für die Werthaltigkeit des von ihr ausgegebenen Giralgeldes und sie muss stets genügend notenbankfähige Pfänder auf ihrer Aktiv-Seite haben, um die Nachfrage nach Bargeld bedienen zu können.

      Daneben bezahlen Geschäftsbanken auch beim Ankauf von Wertpapieren oder Sachvermögen mit neu erschaffenem Geld, aber auch hier müssen sich Vermögen und Verbindlichkeiten der Bankbilanzen die Waage halten, d.h. jede Kreditvergabe und jeder Ankauf von Wertpapieren oder Sachvermögen stellt eine Bilanzverlängerung dar, während jede Kredittilgung oder der Verkauf von Wertpapieren oder Sachvermögen einer Bilanzverkürzung entspricht. Dem Vermögen einer Geschäftsbank (Kreditforderungen, Wertpapiere, Sachvermögen) stehen also immer Verbindlichkeiten in gleicher Höhe gegenüber. Das bedeutet, dass eine Geschäftsbank natürlich nicht nach Belieben die halbe Welt mit neu geschöpftem Giralgeld aufkaufen kann – verringert sich nämlich nach Ankauf der Preis der Sachvermögen oder Wertpapiere, entsteht ein Ungleichgewicht in der Bankbilanz, das die Bank mit ihrem eigenen Geld (Gewinnrücklage) bzw. ihrem Eigenkapital decken muss. Kann sie das nicht, ist sie pleite. Wenn also eine Bank Vermögenswerte mit frisch gedrucktem Geld aufkauft, ist sie zwar Eigentümerin dieser Vermögenswerte, sie hat aber gleichzeitig Verbindlichkeiten in der gleichen Höhe in ihrer Bilanz stehen. Sie hat somit keinerlei Gewinn damit gemacht. Erst wenn diese Vermögenswerte im Preis steigen, hat sie Gewinn. Sinken sie, muss sie Verluste schreiben.

      Diese – schon allein anhand der Bankbilanzen – leicht nachprüfbare Tatsache wird von neoklassischen und libertären Ökonomen, die in Geld einfach ein Tauschmittel, d.h. de facto eine Ware sehen, einerseits völlig ignoriert und von Verschwörungstheoretikern – die ironischerweise im Gegensatz zur etablierten Lehre den Elefanten im Raum beim Namen nennen – wiederum als gigantischer Betrug angeprangert. Letztere sprechen dann gern von »Fiatgeld1«, d.h. von Geld aus dem Nichts, das seinen Wert nur durch den Glauben an diesen Wert erhält, während Warengeld (wie Gold) einen »intrinsischen Wert« hätte, weil es erst durch Arbeitsaufwand aus dem Boden geholt wurde. Wie wir im Laufe dieses Kapitels sehen werden, könnte nichts ferner von der Wahrheit sein, da Geld anders als auf Basis eines Gläubiger-Schuldner-Kontrakts gar nicht vorstellbar ist. Ja, Banken schaffen Giralgeld tatsächlich aus dem Nichts, sie tun dies aber gänzlich innerhalb der Rechtssphäre zwischen zwei freien Rechtssubjekten, indem auf beiden Seiten Vermögen belastet wird, um Forderungen und Verbindlichkeiten zu erstellen. Wir haben es hier also mit einem gewöhnlichen Rechtsgeschäft zu tun, das auch zwei Privatpersonen abschließen könnten, wie wir am Beispiel der Kreditschöpfung gesehen haben. Ebenso kann eine Privatperson A ihr Vermögen belasten, einen Schuldtitel ausstellen und damit beispielsweise ein Haus kaufen, wenn dieser Schuldtitel aufgrund des Vertrauens zu A als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Auch wenn A nun Eigentümer eines Hauses ist, ist dabei sein Vermögen zu keinem Zeitpunkt angewachsen, weil er ja auf der Passiv-Seite der Bilanz eine Verbindlichkeit lautend auf gesetzliches Zahlungsmittel offen hat (Bilanzverlängerung). Der Halter des Schuldtitels (der Verkäufer des Hauses) kann nämlich jederzeit (oder nach Fälligkeit) die Herausgabe von Bargeld verlangen und wenn A dieses nicht vorweisen kann, muss er Vermögenswerte veräußern, beispielsweise sein gerade eben gekauftes Haus (Bilanzverkürzung). Anders als also die Mainstream-Ökonomie suggeriert, benötigen Geschäftsbanken für die Schaffung von Giralgeld keine Spareinlagen, sondern Vermögenswerte. Sie verleihen keine Spareinlagen weiter, sondern schaffen durch die Belastung von Vermögen Forderungen auf Geld, die erst danach (!) ihren Weg auf ein Bankkonto finden können, wenn etwa der Kreditnehmer mit dem so geschöpften Geld beim Händler Waren kauft und ihm dieses Geld auf sein Konto überweist. Mit der von Libertären und Verschwörungstheoretikern heftig kritisierten »multiplen Geldschöpfung« – das angeblich mehrfache Verleihen der Spareinlagen – hat das allerdings nichts zu tun. Wie soll ein Passivum wie eine Sichteinlage überhaupt verliehen werden können?2 Bargeld wäre ein Aktivum, das verliehen werden könnte, aber auch hier haben wir es mit simplen Buchungssätzen zu tun. Bargeld wird eingezahlt und dem Einzahler die entsprechende Summe als verzinstes Giralgeld auf der Passivseite (!) der Bankbilanz eingeräumt, da die Bank ja nun dem Einzahler das Bargeld, ergo gesetzliches Zahlungsmittel schuldet. Auf der Aktivseite der Bankbilanz steht nun das Bargeld. Die Bilanz ist also wieder ausgeglichen. Kommt nun ein Kreditnehmer, würde wieder ein neuer Posten an Forderungen und Verbindlichkeiten eröffnet. Mit der vorangegangenen Bargeldeinzahlung hat dieser nichts mehr zu tun und realiter, ohne historische Vergleiche mit dem Wechselgeschäft, funktioniert eine Kreditaufnahme heute tatsächlich so: A will einen Kredit über 1 Million Euro. Die Bank prüft seine Bonität, A stellt noch die geforderten Sicherheiten und schon wird ihm der Kredit eingeräumt. Aktiv schreibt die Bank die Forderung an den Kreditnehmer zur Tilgung seines Kredits und passiv die Verbindlichkeit, das Giralgeld in gesetzlichem Zahlungsmittel auszubezahlen. Das ist schon alles. Einbezahltes Bargeld wird die Bank, sofern die Mindestreservepflicht eingehalten und der Kassabestand für das alltägliche Bankgeschäft ausreicht, nicht in irgendwelchen Tresoren verwahren und in der Bilanz behalten, sondern der jeweiligen Zentralbank zur Auslösung von Pfändern zurückzahlen, die sie einst dort deponierte, um Bargeld im Wert des Pfandes beziehen zu können. Das erspart ihr die Refinanzierungskosten, d.h. den Leitzins – den Zins zur Erhaltung des gesetzlichen Zahlungsmittels, ergo Zins 2 bzw. eine Steuer 2, die, entgegen der Desinformationskampgane verschwörungstheoretischer Kreise, nicht von Privatpersonen einbehalten, sondern wieder an den Staat ausgeschüttet wird. Was Geschäftsbanken machen, ist also keine moderne Alchemie, wie das so oft kolportiert wird. Es ist das Wesen von Geld, Schuldbeziehungen nicht bloß in unseren Köpfen zu verbuchen, sondern zu dokumentieren und schließlich durch Zession kurant (umlauffähig) zu machen. Nichts anderes tun Geschäftsbanken. Halten wir also fest: Eine Geschäftsbank benötigt keinerlei Spareinlagen, um Kredite zu vergeben oder anders formuliert: Niemand, der einen Wechsel auf einen Schuldner zieht, benötigt dafür Spareinlagen.

      Der hier beschriebene Mechanismus ist sowohl in einem Goldstandard als auch in unserem heutigen System freier Wechselkurse ident. Anders als sich das neoklassische Ökonomen gerne vorstellen, wurde im Goldstandard nicht Gold gegen Waren und Dienstleistungen getauscht, sondern es war ebenso Schuldentilgungsmittel für offene Steuer- oder Kontraktschulden, wie das Giral- und Bargeld heute ist. Und da sich Geschäftsbanken, ebenso wie heute, bei der Zentralbank durch Hinterlegung eines Schuldtitels gegen einen Zinssatz (bzw. Diskontsatz) refinanzieren mussten, um an goldgedecktes Bargeld zu kommen, wirkte die limitierte Goldmenge (je weniger Gold zur Deckung in den Tresoren der Zentralbank lag, desto höher der Zinssatz für das verausgabte Bargeld) indirekt dämpfend auf das Kreditangebot bzw. die Kreditnachfrage der Geschäftsbanken, da diese den Zinssatz natürlich an ihre Kunden weiterreichten. Diesen fundamentalen Unterschied, den Edelmetall-Anhänger gern zwischen dem modernen Kapitalismus und einem Warengeldstandard sehen, gibt es so nicht. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Notenbanken nicht nach Belieben an der Zinsschraube drehen konnten – das wurde durch die vorhandene Goldmenge geregelt.

      Um das besser zu verstehen, müssen wir uns den Unterschied zwischen dem von den Geschäftsbanken geschöpften Giralgeld/Buchgeld und dem von den Zentralbanken geschöpften Bargeld genauer ansehen. Stellen wir uns hierfür einen idealen Goldstandard vor, mit einer Golddeckung von 100%. In einem solchen System wäre Gold (oder zu 100% mit Gold gedeckte Banknoten) das Steuertilgungsmittel, um die Schuld dem Staat gegenüber Monat für Monat zu tilgen. Das Bargeld wäre in diesem System die Goldmünze, die ihren Wert durch den Nachfragezwang (Steuertilgungsmittel) zum Termin erhält.

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