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meine Frau hat in einer halben Stunde ein Interview. Die Kinder sind unbeaufsichtigt. Da kann Polina nicht einfach unentschuldigt fehlen. Also, wo ist sie?« Er sah sich gereizt im kleinen Flur um. »Ist das die Tür zu ihrem Zimmer?«

      »Sie ist nicht da«, antwortete Becky. »Ist heute noch nicht aufgetaucht.«

      »Ach«, machte Herbert Förster. Er riss die Tür auf. Es handelte sich tatsächlich um Polinas Zimmer. Das bemerkte selbst Förster, denn wenn es eins gab, was er über sein Kindermädchen wusste, dann dass sie Bolly­woodfilme liebte. Ihr Zimmer war mit Original-Filmpostern und allerlei Tand aus Indien geschmückt. Über dem Bett hingen die Poster von ›Om Shanti Om‹ und ›Kuch Kuch Hota Hai‹. Dass die Bewohnerin des Zimmers ein besonderes Faible für die beiden Stars Salman Khan und Hrithik Roshan hatte – vor allem für den smarten, durchtrainierten Hrithik Roshan mit seinen magisch hellgrünen Augen –, ließ sich nicht übersehen. Försters Aggression verpuffte angesichts des bunten Kitschs.

      »Gut, sie scheint nicht da zu sein«, sagte er missmutig. »Können Sie sie erreichen? Ich habe ein paar Mal versucht, sie auf dem Handy anzurufen, aber da kommt gleich ›The person you’ve called is temporarily not available‹.«

      »Ich ruf sie mal an«, rief Lucky von der Küche aus und nach kurzer Zeit: »Nee, Mailbox.«

      »Großartig«, schnaubte Förster. Dann musterte er Becky. »Was machen Sie eigentlich?«

      »Wie? Was ich mache?«

      »Ja, es ist nach zehn Uhr morgens, und Sie sind zu Hause …«

      »Ich studiere und hab noch ein bisschen Zeit«, antwortete Becky gedehnt. »Lucky studiert auch.« Sie deutete auf ihren Mitbewohner, der bei den Worten leicht grinste. »Polly ist die Einzige, die einen festen Job hat, falls Sie …«

      »Weniger Text! Haben Sie Zeit? Ach was, natürlich haben Sie Zeit.« Förster packte Becky am Oberarm. »Sie bekommen hundert Euro cash auf die Hand, wenn Sie sofort aufbrechen und heute die Kinder hüten.«

      Überrumpelt gab Becky nur ein »Äh« von sich.

      »Auf. Los!«, rief Förster.

      »Darf ich mir vielleicht noch etwas Vernünftiges anziehen«, sagte Becky, die in bequemer Jogginghose und ausgeleiertem Schlafshirt dastand. »Und außerdem bitte Vorkasse! Weils pressiert: hundertfünfzig.«

      Förster zückte wortlos seinen Geldbeutel und drückte Becky drei Fünfziger in die Hand. Dann nannte er die Adresse in Harlaching. »Zack. Los! Ich benachrichtige meine Frau, dass Sie kommen. Wenn Sie in einer halben Stunde nicht dort sind, dann ist unser Deal geplatzt. Verstanden?« Er stürmte aus der Wohnung.

      »Schönen Tag noch«, rief Lucky hinterher.

      »Wie geil ist das denn?« Becky stand mit den Geldscheinen in der Hand noch im Flur. »Ein paar Stunden mit den Schrazen spielen und dafür fett Kohle absahnen!«

      »Werden schon rechte Horrorblagen sein«, sagte Lucky. »Wenn sie nach dem Vater kommen … Hat Polly nicht gesagt, dass der gelackte Gelkopf ein Busengrabscher ist?«

      »Stimmt. Tittenförster. Aber die Polly findet die Kleinen doch recht erträglich.«

      »Arschlochkinder, hat sie gesagt.« Lucky sog genüsslich Erdbeermilch durch den Strohhalm. »Und wo Arschlochkinder sind, sind meist auch Arschlocheltern. Quod erat demonstrandum.«

      »Brauchst ned so gschert daherzureden.«

      »Wieso, ich studiere doch!« Lucky machte Anführungszeichen in die Luft.

      Keine zehn Minuten später flitzte Becky frisch geduscht und mit etwas Vernünftigem bekleidet aus dem Haus und rannte vor zur U-Bahn-Station am Candidplatz.

      Lucky zündete sich eine neue Zigarette an und setzte eine neue Erdbeermilch an, als es klingelte.

      »Lass mich raten, du hast deinen Schlüssel vergessen«, sagte er beim Türöffnen.

      »Wohl kaum«, antwortete Max Pfeffer und hielt seine Kripomarke hoch. Er stellte sich und seine Kollegin Annabella Hemberger vor. »Dürfen wir kurz reinkommen, Herr …«

      »Russo, Luciano Russo.« Lucky starrte wie paralysiert in Pfeffers braune Teddyaugen. »Ja, klar, kommen Sie rein.« Er riss sich zusammen und bat die Polizisten in die Küche.

      »Worum gehts?«, fragte er und kaute auf der Unterlippe. Das waren keine Drogenbullen, das war ihm klar. ›Entspann dich‹, sagte er sich und nahm hektisch einen großen Zug Erdbeermilch durch den Strohhalm.

      »Wohnt hier eine Polina Komarowa?«, fragte Bella Hemberger.

      »Ja.« Lucky atmete hörbar aus. Es ging um Polina, nicht um ihn. »Die wohnt hier. Polina Komarowa. Wir haben ’ne WG. Polly und Becky und Lucky. Also Lucky, das bin ich.«

      Pfeffer nickte. Frisch geduscht, mit Blenheim Bouquet eingeduftet und zwei schnelle Espressi mit Zigaretten später, fühlte er sich wieder wohl und fit für den Tag. »Steht auch draußen am Klingelschild. Können Sie uns bitte ein Bild von Polina zeigen?«

      »Warum? Ja, klar, warum auch nicht.« Lucky ging in die Küche, nahm sein Smartphone vom Tisch und suchte ein Foto, auf dem ­Polina abgebildet war. »Hier. Das war neulich am Flaucher, da haben wir schon mal angegrillt …«

      »Das ist sie«, sagte Hauptkommissarin Hemberger nüchtern. »Da hat sie ja ganz lange Haare.«

      »Klar. Polly hat Haare bis zum Arsch. Ihr ganzer Stolz.«

      Die beiden Kriminaler tauschten einen Blick. Die Leiche hatte kurze Haare.

      »Ist etwas mit ihr?« Lucky wurde unruhig.

      Er ließ sich langsam auf die Eckbank sinken, als er die Nachricht hörte. »Oh, Scheiße«, flüsterte er schließlich. »Die arme Polly.« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Wie ist es denn, ich meine, wie hat man sie …«

      »Das wissen wir noch nicht mit Sicherheit.«

      »Und jetzt?« Er sah Pfeffer fast flehentlich an.

      »Jetzt sagen Sie uns, was für ein Mensch Polina war. Ob sie Angehörige hatte …«

      »Und grad vorhin war der Förster da«, sagte Lucky schwach. »Weil Polly nicht bei ihm aufgetaucht ist.«

      »Der Förster?«, hakte Pfeffer nach. »Hat Polina etwas mit Forstwirtschaft zu tun gehabt?«

      »Nein.« Lucky lachte trocken. »Der Förster. Der Mann von der Susa Förster. Die heißen so.«

      »Susa Förster? DIE Susa Förster? Die Krimiautorin?«, fragte Bella.

      »Genau die. Bei denen ist … war die Polly Kindermädchen. Wohnen in Harlaching, Gabriel-Max-Straße, glaube ich. Der Förster war vor … na ja, … einer Viertelstunde, zwanzig Minuten hier und hat einen Aufstand gemacht, weil die Polly nicht aufgetaucht ist und alles bei denen zusammenbricht, wenn nicht sofort jemand die Kinder beaufsichtigt. Voll der Spacko mit seiner gegelten Arschlochfrisur. Dann hat er der Becky Geld in die Hand gedrückt, damit sie es macht. Sie ist eben erst los.«

      »Da geben Sie uns bitte gleich die Adresse.« Pfeffer sah sich in der Küche um. Eine kunterbunte Mixtur aus gebrauchten Möbeln, bunt, jung, tendenziell saugemütlich, aber irgendwie auch ein bisschen siffig. Über dem Küchentisch hing an der Wand ein ausgestopfter Rehbockkopf, das Geweih mit bunten Plastikblumen verziert.

      Lucky bemerkte den Blick. »Alles vom Sperrmüll«, sagte er. »Beziehungsweise vom Straßenrand. Viele Leute stellen Sachen, die sie nicht mehr brauchen, an den Straßenrand. Sind manchmal Schätzchen dabei. Des einen Müll ist des anderen Schatz.«

      »Nachhaltig«, konstatierte Bella Hemberger.

      »Nicht wahr?« Lucky lächelte scheu. »Wir containern auch, Polly und ich. Becky findet das voll eklig, die denkt, dass da überall Ratten sind und so. Stimmt gar nicht. Na ja. Nicht regelmäßig, aber immer öfter. Es wird so viel gutes Zeugs weggeschmissen und Geld ist ein scheues Eichhörnchen.«

      »Das

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