Скачать книгу

rief die Alte, »des kann ja keiner ahnen, dass da ein totes Madl liegt! Gell? Woher soll ich des denn wissen?«

      »Schon gut«, sagte Bella Hemberger halblaut und stellte sich neben ihren Chef, Kriminalrat Max Pfeffer. Für sie, wie für die meisten anderen Anwesenden von der Kripo, bot er einen eher ungewöhnlichen Anblick. Normalerweise war Pfeffer gut bis sehr gut, zumindest aber tadellos gekleidet. Er liebte italienische Anzüge. Nun stand er durchgeschwitzt in hautenger Funktionssportwäsche da, die jeden Muskel seines durchtrainierten Körpers betonte. Kurze schwarze Shorts, nachtblaues langärmliges Shirt und darüber ein leichtes schwarzes Hoodie, denn Pfeffer zog meist die Kapuze auf, wenn er lief, um nicht zu viel Körperwärme über den Kopf zu verlieren – außer im Hochsommer. »Hey, Sexy«, hatte ihn vorhin die Rechtsmedizinerin begrüßt, gemeint nicht als Adjektiv, sondern als Spitznamen und ihm unverhohlen auf seinen wirklich repräsentabel-knackigen Hintern geklopft, so dezent, dass es kein Klatschgeräusch gab und nur die Kollegen es mitbekamen, die zufällig hingeschaut hatten. Die Pettenkoferin durfte das. Das war bekannt. Sie durfte auch Pfeffer zuflüstern: »Du wirst mir bald zu mager, Maxl. Iss mal ein bisserl mehr, sonst ists Schluss mit dem Knackhintern.« Danach kicherte sie kleinmädchenhaft, wobei ihre enorme Leibesfülle wackelte und wogte. Vom Tierpark nebenan klangen Geräusche, die anzeigten, dass die meisten Tiere inzwischen wach waren. Vor allem die Ziegen im Streichelzoo machten sich bemerkbar.

      »Das hatten wir auch noch nie«, sagte Bella Hemberger und nahm ihre Brille ab, um sie zu putzen. Sie trug eine dieser großen auffälligen Gestelle mit dickem schwarzem Rahmen, die zwar modern waren, aber die meisten Träger minderbemittelt aussehen ließen. Bella jedoch stand das Modell ausgesprochen gut.

      »Was? Ein totes Mädchen?«, fragte Gerda Pettenkofer.

      »Nein, dass einer von uns zufällig eine Leiche findet.«

      »Stimmt. Klingt nach Fernsehkrimi.«

      »Ist aber leider Realität«, sagte Pfeffer. Er hatte den Kollegen bereits zu Protokoll gegeben, was er angefasst hatte, wo er langgegangen war und was der Hund an Spuren möglicherweise zerstört hatte.

      »Mein Putzi hat sie gefunden«, rief die ältere Frau herüber.

      »Hat er nicht«, rief Pfeffer zurück. »Und ich habe Ihnen schon mehrfach gesagt, dass Sie nun bitte nach Hause gehen können. Wir haben Ihre Daten. Danke. Wiedersehen.« Er beugte sich hinunter und sah noch einmal dem toten Mädchen ins Gesicht. Durchschnittlich hübsch, zart. Die Augen halb geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Fast wie wenn sie etwas genießen würde. Der Schmerz der brutalen Misshandlung, die es gegeben haben musste, denn davon sprach das violettrot getrocknete Blut an ihrem Unterleib, der Schrecken zu sterben – nichts davon spiegelte sich in ihrer Miene wider. Man hatte keine Hinweise auf die Identität der Toten gefunden. Bisher. Pfeffer richtete sich auf. Wenn er keine Liegestütze auf dem Weg gemacht hätte, ein paar Minuten früher hier vorbeigekommen wäre – wer weiß, dann könnte das Mädchen vielleicht noch leben!

      »Bin ich auf Droge, oder sitzt da ernsthaft ein Pfau auf dem Dach von der Hütte?« Hauptkommissarin Hemberger kratzte sich am Kopf und deutete zu dem Tier hinauf, das schon eine Weile sein prächtiges Federrad zur Schau stellte.

      »Pfau? Wo?« Die Pettenkoferin sah sich suchend um. »Also, ich seh nichts. Du, Maxl?«

      »Ich auch nicht«, spielte Pfeffer mit.

      »Ihr … also sagt mal …« Bella Hemberger stotterte verunsichert. »Da ist doch ein Pfau, Kollege?« Sie schnappte sich einen von der Spurensicherung, der ihr umgehend bestätigte, dass ein exotischer Vogel auf dem Dach der Marienklause saß.

      »Sehr witzig«, zischte sie zur Rechtsmedizinerin und ihrem Chef, die beide wie Lausbuben kicherten. Bella Hemberger verdrehte die Augen. »Ich habe schon zwei Kinder und einen Künstler als Gatten, da brauch ich euch nicht auch noch …«

      »Ich habe schon beim Zoo angerufen, während ich auf euch gewartet habe«, sagte Pfeffer. »Es war aber noch niemand da.«

      Die drei bummelten langsam zum Absperrband und kletterten aus dem gesicherten Bereich. Doktor Pettenkofer holte Zigaretten hervor. »Maxl?«

      »Ja, danke.« Seit Weihnachten rauchte er wieder. Er fand es selbst nicht gut.

      »Ich habe absolut null auf den Jogger geachtet«, sagte Pfeffer zum wiederholten Male. »Er hatte ein Hoodie an …«

      »Ein was?«, unterbrach die Rechtsmedizinerin.

      »Ein Hoodie. Einen Kapuzenpulli oder eine Kapuzenjacke für euch jenseits der Fünfzig!«, sagte Pfeffer zur Pettenkoferin. »Ich glaube, der war grau. So ganz normaler hellgrauer Sweatstoff. Und eine schwarze lange Laufhose und die Schuhe mit weißen Sohlen. Keine Ahnung, welche Marke. Ich hab ihn mir nicht richtig angeschaut!«

      »Mach dir keine Vorwürfe«, sagte Bella Hemberger. »Konntest es ja nicht ahnen. Die Alte mit dem Hund hat gar nichts gesehen, nicht mal, dass da ein Jogger war.«

      Die schwergewichtige Medizinerin gab ihm Feuer, zog dann tief an ihrer Zigarette und sagte: »Also, wirklich noch nicht lange tot, unser armes Mädchen. Sie ist um die achtzehn, zwanzig, würde ich sagen. Woran sie genau gestorben ist, kann ich noch nicht schätzen. Es sieht so aus, als wäre sie wohl erdrosselt worden. Ich glaube, ich kann mich jetzt schon festlegen, dass sie nicht hier getötet wurde. Sie wurde nur abgelegt, beziehungsweise so hingesetzt. Quasi in Szene gesetzt.«

      »Wie kommst du darauf?«, fragte Pfeffer.

      »Du hast gesehen, was der oder die Täter mit ihrem Unterleib angestellt haben? Übel. Sie wurde regelrecht verstümmelt. Ich vermute, man hat sie mit einem Eisenstab, vielleicht auch Holz, da müssen wir die Ergebnisse abwarten, vaginal penetriert. Wahrscheinlich auch anal. Sieht zumindest so aus. Wenn das hier der Tatort wäre, müsste es hier deutlich mehr Blut geben.«

      »Der Köter hat leider einiges durcheinandergebracht«, sagte Pfeffer.

      »Polina Komarowa«, platzte Froggy dazwischen, der sich beinahe lautlos der kleinen Gruppe genähert hatte. Gerda Pettenkofer zuckte leicht zusammen. Froggy hieß eigentlich Erdal Zafer, aber weil ein älterer Kollege Erdal Yusufoglu hieß und sich fast alle duzten, nannte man den neuen Erdal nur Froggy. Froggy war schon in der Schule so genannt worden. Froggy, manchmal auch Fröschlein. Wegen Erdal, dem bekannten Schuhpflegemittel, dessen Logo ein Frosch ist. Anfangs hatte sich Erdal Zafer über den Spitznamen geärgert, dann hatte er aber herausgefunden, dass der Frosch im Erdal-Logo eine Krone trug. Damit konnte Froggy dann leben.

      »Wie bitte?«, fragte Bella Hemberger spitz. Sie mochte Froggy nicht besonders und machte keinen Hehl daraus.

      »Polina Komarowa«, wiederholte Froggy und hob einen Ausweis des Münchner Verkehrsverbunds hoch, der in einer Klarsichthülle der Spurensicherung steckte. »Wir haben doch noch einen Hinweis auf ihre Identität gefunden. Sofern es ihre IsarCard ist. Lag da bei den Sträuchern. Ist wohl aus der Hosentasche gefallen, als der Hund die Jeans weggezogen hat.«

      Pfeffer nahm die Hülle mit dem Ausweis, Kommissar Erdal Zafer senkte den Blick. Er hatte noch nie Pfeffers Blick standhalten können. Pfeffer hätte gerne gewusst, warum. Er bekam meist Komplimente für seine Augen, er wusste, dass das rehbraune samtige Kuscheln für ihn arbeitete. Meistens jedenfalls. Frauen schmolzen für gewöhnlich dahin, wenn er es richtig einsetzte. Manche Männer auch. Aber manchmal machte es offenbar auch Angst wie bei Froggy. Wobei – wenn Pfeffer ehrlich zu sich selbst war, wusste er, warum Froggy so distanziert blieb.

      »Neunzehn«, sagte Max Pfeffer. »Neunzehn Jahre alt. Polina ­Komarowa.« Er reichte Froggy den Ausweis zurück. »Dann finde mal heraus, ob unsere Kundin tatsächlich Polina Komarowa ist und wo sie gewohnt hat, Kollege. Ob es Angehörige gibt. Arbeitsstelle. Ausbildungsplatz et cetera. Danke.« Froggy nickte und trabte mit gesenktem Kopf davon. Pfeffer inhalierte den letzten Zug von seiner Zigarette, warf sie auf den Boden und trat sie aus.

      »Max Pfeffer«, sagte die Rechtsmedizinerin streng. »Ich habe hier meinen kleinen mobilen Aschenbecher. Wie immer. Du alte Wutz musst nicht …«

      »Jaja, schon gut.« Pfeffer

Скачать книгу