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Münchner Gsindl. Martin Arz
Читать онлайн.Название Münchner Gsindl
Год выпуска 0
isbn 9783940839725
Автор произведения Martin Arz
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
»Das wissen wir noch nicht mit Sicherheit.«
»Und jetzt?« Er sah Pfeffer fast flehentlich an.
»Jetzt sagen Sie uns, was für ein Mensch Polina war. Ob sie Angehörige hatte …«
»Und grad vorhin war der Förster da«, sagte Lucky schwach. »Weil Polly nicht bei ihm aufgetaucht ist.«
»Der Förster?«, hakte Pfeffer nach. »Hat Polina etwas mit Forstwirtschaft zu tun gehabt?«
»Nein.« Lucky lachte trocken. »Der Förster. Der Mann von der Susa Förster. Die heißen so.«
»Susa Förster? DIE Susa Förster? Die Krimiautorin?«, fragte Bella.
»Genau die. Bei denen ist … war die Polly Kindermädchen. Wohnen in Harlaching, Gabriel-Max-Straße, glaube ich. Der Förster war vor … na ja, … einer Viertelstunde, zwanzig Minuten hier und hat einen Aufstand gemacht, weil die Polly nicht aufgetaucht ist und alles bei denen zusammenbricht, wenn nicht sofort jemand die Kinder beaufsichtigt. Voll der Spacko mit seiner gegelten Arschlochfrisur. Dann hat er der Becky Geld in die Hand gedrückt, damit sie es macht. Sie ist eben erst los.«
»Da geben Sie uns bitte gleich die Adresse.« Pfeffer sah sich in der Küche um. Eine kunterbunte Mixtur aus gebrauchten Möbeln, bunt, jung, tendenziell saugemütlich, aber irgendwie auch ein bisschen siffig. Über dem Küchentisch hing an der Wand ein ausgestopfter Rehbockkopf, das Geweih mit bunten Plastikblumen verziert.
Lucky bemerkte den Blick. »Alles vom Sperrmüll«, sagte er. »Beziehungsweise vom Straßenrand. Viele Leute stellen Sachen, die sie nicht mehr brauchen, an den Straßenrand. Sind manchmal Schätzchen dabei. Des einen Müll ist des anderen Schatz.«
»Nachhaltig«, konstatierte Bella Hemberger.
»Nicht wahr?« Lucky lächelte scheu. »Wir containern auch, Polly und ich. Becky findet das voll eklig, die denkt, dass da überall Ratten sind und so. Stimmt gar nicht. Na ja. Nicht regelmäßig, aber immer öfter. Es wird so viel gutes Zeugs weggeschmissen und Geld ist ein scheues Eichhörnchen.«
»Das ist wahr«, nickte Pfeffer. »Und nun zeigen Sie uns Polinas Zimmer.«
Bevor sie sich im Zimmer der Ermordeten umsahen, fotografierte Pfeffer mit dem Smartphone den Raum aus verschiedenen Perspektiven. Lucky lehnte im Türrahmen, schnupperte verträumt in Richtung Max Pfeffer, dann rauchte er Kette und schlürfte hektisch Erdbeermilch. Pfeffer und seine Kollegin streiften sich dünne Einmalhandschuhe über und sahen sich im Zimmer um. Es roch nach Räucherstäbchen. Mindestens fünf Räucherstäbchenhalter unterschiedlichster Gestalt, Pfeffer zählte nur grob auf die Schnelle, waren im Zimmer verstreut.
»Die Polly ist eine Liebe«, plapperte Lucky ungefragt. »Die mag immer jeden, und jeder mag sie. Oh, Shit. Sie mochte jeden! Sie war so ein Sonnenscheintyp. Immer gut gelaunt und so. Auch wenn alles Scheiße war …«
»Was denn zum Beispiel?«, fragte Pfeffer, während er an dem kleinen Schreibtisch die Schubfächer öffnete in der Hoffnung, dass Polly ganz oldschool war – in der Hoffnung, ein Tagebuch oder Briefe zu finden. Er hatte gehört, dass Mädchen das mittlerweile wieder machen würden. Offline Tagebuch schreiben und so etwas. Nichts. Stattdessen überall indischer Kitsch, bunte Tücher und Fähnchen, Ketten und Klimbim, kleine Buddha- und Ganeshafiguren, dvds mit Bollywoodstreifen und Liebesromane extrem kitschiger Natur, wenn man den Covers Glauben schenkte.
»Wie, was denn?«, echote Lucky. »Ach so, was Scheiße war. Na, eigentlich nix bei ihr. Lief bei ihr. Als Kindermädchen hat sie bei den Försters ganz gut verdient. Ging halt alles für Klamotten und so Zeug drauf. Mädels halt. Und Party machen. Und ihr Bollywoodzeugs. Sie hat auch auf einen Indientrip gespart. Keine Ahnung. Wobei, also, wenn ich meine, dass sie eine Liebe war, dann war das eher so, na ja, unverbindlich. Ich glaube, dass sie ganz viel in sich hineingefressen und weggelächelt hat. Sie wollte nie, dass man sich Sorgen um sie machen musste. Ach, und ihre Familie kommt aus Kasachstan. Voll die Russen, ey. Also diese sogenannten Deutschen.« Er machte Anführungszeichen mit der freien Hand. »Sie wissen schon. Die Eltern leben in irgendeinem Kaff im Schwabenland oder so. Voll konservativ und so. Halten Schwule für pervers, verstehen Sie? Vergöttern Putin und glotzen den Lügensender rt-Deutsch, wollen aber nicht in Russland leben. Na, kennt man ja. Und ’nen Kerl hatte die Polly auch nicht, falls Sie das fragen wollten … Jedenfalls keinen, den ich hier mitgekriegt hätte. Und wenn sie einen heimlich gehabt hätte … Nee, weiß nicht. Jedenfalls fragen Sie solche Sachen besser die Becky, die kennt sich da besser aus, die beiden waren ganz gut befreundet …«
»Langsam«, hakte Max Pfeffer ein, während er eine kleine Schmuckschatulle öffnete, die auf einer kleinen bunt bemalten Kommode stand. »Wir setzen uns nachher in die Küche, und Sie machen dann eine Aussage. Alles, was Sie uns jetzt so erzählt haben, werden wir Sie dann strukturiert abfragen, okay?«
»Okay, starker Mann.« Lucky schmollte affektiert und nuckelte an der Erdbeermilch. »Ich will ja nur sagen, dass ich eigentlich nicht viel über die Polly weiß. Ich meine, wir sind WG-Freunde. Kennen uns erst, seit sie vor anderthalb Jahren hier eingezogen ist. Sie suchte halt ein billiges Zimmer in München – ha, wer sucht das nicht! Und Becky hat sie auf ’ner Party kennengelernt und dann … na, seit sie hier ist, ist irgendwie die Stimmung immer gut. Sie war ein Sonnenschein …«
»Das sagten Sie bereits«, unterbrach Bella Hemberger. Sie schloss den Kleiderschrank, den sie inspiziert hatte. »Hatte Polly Freunde, die Sie nicht kennen? Menschen, von denen sie vielleicht mal gesprochen hat?«
»Kann sein.« Lucky zuckte mit den Schultern und zündete sich eine neue Zigarette an. »Ach, nee, eher nicht. Polly hatte sonst keine Freunde hier in München. Also keine, von denen wir wüssten. Die war ziemlich viel allein, wenn sie nicht mit uns abgehangen ist. Wir haben ihr gereicht. Ach, manchmal hat sie sich mit einer Alten, die wir beim Containern kennengelernt haben, getroffen. Ne Obdachlose, denke ich, Polly hat der Alten ab und an ’nen Kaffee spendiert oder so.«
»Machen Sie uns bitte, am besten gemeinsam mit Ihrer Mitbewohnerin, eine Liste von allen Freundinnen oder Kontakten, die Polina in München hatte. Namen, Telefonnummern, Adressen, E-Mail-Adressen, Social-Media-Profile et cetera. Alles, was Ihnen einfällt.«
»Okay, können wir mal versuchen. Becky wird vielleicht ein paar Namen wissen.« Lucky blies Rauch aus seinen Lungen. »Mei, die Polly würde ausflippen, wenn sie wüsste, dass ich in ihrem Zimmer rauche! Das mochte sie gar nicht. Also, geraucht hat sie schon ab und zu. Sie verstehen? Wir haben draußen auf dem Balkon ’ne Wasserpfeife.«
»Und auf dem Küchenschrank auch eine Bong«, bemerkte Pfeffer gelassen.
»Hmm, ja.« Lucky kaute auf der Unterlippe. »Macht ja jeder, ist ja nichts dabei. Aber Tabakrauch mochte sie nicht.«
»Und dann noch das hier.« Max Pfeffer hielt ein buntes Tütchen hoch, das im Schmuckkasten lag.
»Was?« Lucky verschluckte sich fast an seiner Milch. »Wie? Keine Ahnung. Was ist das?«
»Schlecht gespielt, Luciano Russo«, sagte Pfeffer. »Sie wissen genau, was das ist. Eine Kräutermischung.«
»Klar«, sagte Lucky schwach, »zum Anzünden, zum Räuchern.«
»Ach, Herr Luciano«, antwortete Pfeffer. »Wir drei hier wissen, was man mit dieser Art von Kräutermischung aus synthetischen Cannabinoiden macht.«
»Keine Ahnung. Echt nicht. Ich wusste nicht, dass Polly so was im Haus hat.«
»Hat Polly außer Cannabis auch andere Drogen genommen?«, fragte Pfeffer und fixierte Lucky, der unsicher mit den Schultern zuckte.
»Keine Ahnung.«
»Und Sie?«
»Nein, echt nicht.«
»Was machen Sie eigentlich, wenn ich fragen darf«, fragte Hauptkommissarin Hemberger.
Lucky verdrehte