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Münchner Gsindl. Martin Arz
Читать онлайн.Название Münchner Gsindl
Год выпуска 0
isbn 9783940839725
Автор произведения Martin Arz
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
»Der Köter hat leider einiges durcheinandergebracht«, sagte Pfeffer.
»Polina Komarowa«, platzte Froggy dazwischen, der sich beinahe lautlos der kleinen Gruppe genähert hatte. Gerda Pettenkofer zuckte leicht zusammen. Froggy hieß eigentlich Erdal Zafer, aber weil ein älterer Kollege Erdal Yusufoglu hieß und sich fast alle duzten, nannte man den neuen Erdal nur Froggy. Froggy war schon in der Schule so genannt worden. Froggy, manchmal auch Fröschlein. Wegen Erdal, dem bekannten Schuhpflegemittel, dessen Logo ein Frosch ist. Anfangs hatte sich Erdal Zafer über den Spitznamen geärgert, dann hatte er aber herausgefunden, dass der Frosch im Erdal-Logo eine Krone trug. Damit konnte Froggy dann leben.
»Wie bitte?«, fragte Bella Hemberger spitz. Sie mochte Froggy nicht besonders und machte keinen Hehl daraus.
»Polina Komarowa«, wiederholte Froggy und hob einen Ausweis des Münchner Verkehrsverbunds hoch, der in einer Klarsichthülle der Spurensicherung steckte. »Wir haben doch noch einen Hinweis auf ihre Identität gefunden. Sofern es ihre IsarCard ist. Lag da bei den Sträuchern. Ist wohl aus der Hosentasche gefallen, als der Hund die Jeans weggezogen hat.«
Pfeffer nahm die Hülle mit dem Ausweis, Kommissar Erdal Zafer senkte den Blick. Er hatte noch nie Pfeffers Blick standhalten können. Pfeffer hätte gerne gewusst, warum. Er bekam meist Komplimente für seine Augen, er wusste, dass das rehbraune samtige Kuscheln für ihn arbeitete. Meistens jedenfalls. Frauen schmolzen für gewöhnlich dahin, wenn er es richtig einsetzte. Manche Männer auch. Aber manchmal machte es offenbar auch Angst wie bei Froggy. Wobei – wenn Pfeffer ehrlich zu sich selbst war, wusste er, warum Froggy so distanziert blieb.
»Neunzehn«, sagte Max Pfeffer. »Neunzehn Jahre alt. Polina Komarowa.« Er reichte Froggy den Ausweis zurück. »Dann finde mal heraus, ob unsere Kundin tatsächlich Polina Komarowa ist und wo sie gewohnt hat, Kollege. Ob es Angehörige gibt. Arbeitsstelle. Ausbildungsplatz et cetera. Danke.« Froggy nickte und trabte mit gesenktem Kopf davon. Pfeffer inhalierte den letzten Zug von seiner Zigarette, warf sie auf den Boden und trat sie aus.
»Max Pfeffer«, sagte die Rechtsmedizinerin streng. »Ich habe hier meinen kleinen mobilen Aschenbecher. Wie immer. Du alte Wutz musst nicht …«
»Jaja, schon gut.« Pfeffer bückte sich, hob den Stummel auf und legte ihn in den kleinen Aschenbecher, den ihm die Medizinerin hinhielt. »Ich gehe jetzt heim, duschen, und dann sehen wir uns im Büro.«
»Ach, Chef«, sagte Bella Hemberger, »du willst nach Giesing zurückjoggen? Ich fahr dich schnell heim. Und sag mal, was ist das denn hier überhaupt für eine verrückte Location?«
»Was? Die Marienklause? Kennst du die nicht? Warst du noch nie hier?«
»Nein, wir kommen selten weiter als bis zum Flaucher, wenn wir an der Isar sind, oder mal nach Großhesselohe. Halt immer auf der anderen Isarseite.«
»Die Marienklause hat mal ein Schleusenmeister selbst gebaut, soweit ich weiß«, erklärte Pfeffer. »Aus Dankbarkeit, dass ihn die Muttergottes zigmal vor dem Ertrinken gerettet hat, hat er die Kapelle und den Kreuzweg mit vierzehn Stationen errichtet. Das hier ist eine Stelle an der Isar, die saugefährlich ist wegen der Strömungen. Und früher sind hier wohl viele Flößer ertrunken. Die Legende sagt, besser gesagt, meine Oma hat uns das erzählt, dass hier die Isarnixe hockte und die Floßknechte betörte. Wer ihren Gesang hörte, musste bei der nächsten Floßfahrt sterben. Und bei Hochwasser hat sich die Isarnixe dann zusätzlich einen Spaß daraus gemacht, nächtliche Wanderer mit Irrlichtern zu foppen und in die reißenden Fluten zu locken. Da, siehst du, unter der kleinen Holzkapelle entspringt eine Quelle, die soll angeblich Heilkräfte haben.«
»Was du alles so weißt«, sagte Bella ganz unironisch.
»Solche Geschichten weiß ich jede Menge von meiner Oma. Die war die einzig erträgliche Person in meiner Familie und die Einzige, der man zuhören konnte.«
3
Becky öffnete die Balkontür. Sofort fluteten Lärm und Feinstaub die Küche. Die einzige Möglichkeit, in München eine bezahlbare Wohnung zu bekommen, bestand darin, Mängel zu ignorieren. Dass zum Beispiel der Mittlere Ring direkt vor der Tür lag, zwar mit Schalldämmung versehen, aber das brachte kaum etwas, außer hässliche Lamellen als Aussicht. Hinter dem Ring lag dann auch noch die Großbaustelle des ehemaligen Osram-Geländes. Wo früher Glühbirnen gefertigt wurden, dann einige Jahre eine Asylunterkunft existierte, wurden nun neue Wohnungen hochgezogen. »Living Isar« nannte sich das Projekt. Klang toll, klang teuer. Luxuswohnungen statt Fabrikhallen. So wie man das eben in München machte.
Becky konnte den Lärm inzwischen gut ausblenden, ebenso die nicht besonders frische Luft. Sie reckte ihr Gesicht zu den Sonnenstrahlen, die den Balkon bereits erreichten. Ihren Kaffeebecher hielt sie mit beiden Händen fest umklammert, um die Finger zu wärmen. Nur um an der Zigarette zu ziehen, ließ sie ab und an mit der linken Hand los. Sie überlegte, ob sie zum Bäcker am Candidplatz vorgehen sollte. Croissants wären jetzt lecker.
Becky hörte trotz des Lärmpegels, wie Lucky in die Küche schlurfte und sich schniefend Kaffee einschenkte. Sie ging in die Küche zurück und schloss die Balkontür.
»Moinsen«, brummte Lucky und schniefte erneut.
»Ach, Bussimausi.« Becky umarmte ihren Mitbewohner. »Immer noch unglücklich? Ich dachte, das hätten wir hinter uns. Das ist jetzt auch schon über eine Woche her …«
»Ich weiß«, antwortete Lucky weinerlich. »Hatte einen Flashback. Scheiß Kerle. Scheiß-fuck alte Säcke.«
»So ists recht«, bekräftigte Becky. »Und ich wiederhole mich ja gerne: Such dir endlich mal einen Kerl in deinem Alter, und nicht immer einen scheintoten Sugardaddy. Die wollen nur Frischfleisch. Die wollen nur ficken.«
»Das will ich doch auch«, schniefte Lucky.
»Nein, du willst die große Liebe mit Engelschören und Glitter und dem ganzen Trallala. Und dann auch noch ein bisschen Ficken. Wie viele alte Säcke habe ich jetzt schon mit dir mitgemacht? Zehn? Zwanzig?«
»Nie im Leben!«, rief Lucky scheinempört. »Viel mehr!« Er kicherte unter Tränen. »Ich dachte halt, dass Rudi anders ist. Dass er, ausgerechnet er, dann mit einem dahergelaufenen Stricher … Bin ich nicht genug? Bin ich so mies im Bett, dass man mich durch einen Stricher ersetzen muss?«
»Ach, Lucky-Bussimausi.« Becky drückte ihren Mitbewohner an ihre Brust. Lucky hieß eigentlich Luciano. Er hieß nicht nur wie ein echter Italiener, er sah auch so rassig aus. Auf Fotos wirkte er wie ein Italo-Popstar. Doch Lucky war klein. Sehr klein. Sein Gesicht verschwand zwischen Beckys Brüsten, weil er nur eins siebenundfünfzig groß war. So groß wie Salma Hayek oder Eva Longoria und nur einen Zentimeter kleiner als Madonna oder Prince. Und wie Prince hatte Lucky die zarte Figur eines Knaben. Um maskuliner zu wirken, und vor allem, um nicht in jeder Kneipe nach seinem Ausweis gefragt zu werden, trug er einen gepflegten kurzen Bart und häufig Hemden, die er so weit aufknöpfte, dass man seine Brustbehaarung sehen konnte. »Du bist halt ein süßer Bub, der leider auf diese Pädos anziehend wirkt.«
Luckys Smartphone machte »pling«.
»Echt jetzt?« Becky schob ihren Mitbewohner von sich weg und schüttelte den roten Lockenkopf. Ihr zartes porzellanenes Gesicht, das für gewöhnlich etwas geradezu Madonnenhaftes hatte, verdüsterte sich. Sie wusste, was das Pling bedeutete. Es war das Push-Benachrichtigungs-Pling von Luckys favorisierter Dating-App. »Dein Ernst? Du heulst mir hier die Ohren voll wegen diesem ollen Rudi, und dabei hast du schon längst wieder neue alte Säcke am Start?«
»Ja, mei.« Lucky griff sein Handy und wischte darauf herum. »Ich bin ja wieder auf dem Markt. Ach, der sieht eigentlich ganz nett aus …«
»Wie alt?«
»Laut Profil fünfundvierzig. Wahrscheinlich also fünfundfünfzig.«
»Könnte dein Vater sein«, stöhnte Becky.
»Mein Vater ist zweiundvierzig!«
»Und? Hat er Schwanzpics dabei?«
»Wer