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fragte Susa und machte Anstalten aufzustehen. »Dann noch einen schönen Tag.«

      »Sit jetzt down.« Marlies packte ihre Schwiegertochter am Arm. »Gut, reden wir Tacheles. Du hast …« Die Kellnerin unterbrach sie und stellte für Susa den Aperol Spritz hin. Als sie weg war, fuhr ­Marlies fort: »Du hast mir keinen Ton davon gesagt, dass eure Nanny, dass die Polly tot ist.« Sie senkte die Stimme: »Ermordet.« Sie sah sich um. Nur zwei weitere Tische waren besetzt. Die Leute beachteten sie nicht.

      »Ja und? Was geht das dich an?«, antwortete Susa Förster.

      »Ich war gestern bei dir zu Hause, und du hast not one word davon erwähnt!«, rief Marlies empört.

      »Warum sollte ich? Was hast du mit meinem Kindermädchen und deren Tod zu schaffen? Nichts.«

      Doch! Das änderte alles! Marlies biss sich auf die Innenseite der Wangen. Nichts sagen. Warte ab, Marlies. Zieh es nur dieses eine Mal noch durch …

      »Also, bitte! Geh mir nicht auf die Nerven.« Die Krimiautorin nahm einen großen Schluck von ihrem Spritz. »Und übrigens konnte ich gestern nicht mit Herbert richtig über dich sprechen, weil er im Büro geblieben ist.«

      »Die ganze Nacht?«

      »Ja, die ganze Nacht. Spar dir deinen süffisanten Unterton, Marlies. Du weißt genau, dass er in seinem Büro auch eine Schlafgelegenheit hat.«

      »Und ein Bad und eine kitchen und, und, und.« Marlies Förster lachte. »Das ist eine voll ausgestattete Wohnung, was dein Gatte sein ›Office‹ nennt. Mitten in Schwabing. Es gibt übrigens auch noch Telefon.«

      »Und? Er telefoniert nicht gerne. Gut, Marlies, du hast jetzt fünf Minuten. Warum sollte ich hierherkommen? Warum konntest du das nicht bereits gestern mit mir besprechen?«

      »Weil da deine Kinder in der Nähe waren. Und die müssen ja nicht alles wissen, was ihre Mutter so treibt.«

      »Ich treibe nichts«, schnaufte Susa Förster genervt und trank.

      »Entschuldige, falsche Formulierung. Ich meinte, mit wem du es treibst.«

      »Wie bitte?«, Susa Förster verschluckte sich und hustete. Die Gäste an den anderen Tischen sahen kurz hinüber, widmeten sich dann aber schnell wieder ihren Angelegenheiten. Marlies klopfte ihrer Schwiegertochter kräftig auf den Rücken.

      »Na, na«, sagte Marlies. »Gehts wieder? Also, ich stelle mir das so vor: Ich hätte wirklich wahnsinnig gerne einen neuen Fernseher, so ein Flachbilddings. Flatscreen halt. Mehr nicht. Sieh es als ein Geschenk an deine wiedergewonnene Schwiegermutter.«

      »Ich denke nicht daran«, keuchte Susa und hustete erneut.

      »Doch, das wirst du«, sagte Marlies sachlich. »Lieferung bitte frei Haus. Und ich möchte zu den üblichen Familienfeiern eingeladen werden. Aber das habe ich ja schon mit Herbert besprochen. Ach, und es wäre really schön, wenn ich ab und zu mal essen gehen könnte oder to the movies oder zwei Mal die Woche meinen Cappuccino … Nur ein Taschengeld. Don’t worry. Ich bin anspruchslos.«

      »Anspruchslos?«, schnaubte Susa Förster. »Da sitzt meine eigene Schwiegermutter und versucht, mich zu erpressen!«

      »Das ist nicht das richtige wording, my dear. Ich wollte es nicht so weit kommen lassen. Aber die Umstände zwingen mich leider …« Sie zuckte mit den Schultern.

      »Und Herbert?« Susa sah ihrer Schwiegermutter fest in die Augen. »Erpresst du ihn auch? Ist diese ganze Versöhnungsmasche nur eine deiner billigen Scharaden? Du bist das manipulativste Weibsstück, das ich kenne.«

      »Sachte.« Marlies löffelte Sahne aus ihrer Cappuccinotasse. »Ich wollte es nicht, aber die Situation hat sich geändert. Siehst du, Susa, ich habe erst aus der Presse über den Mord bei dir im Haus …«

      »Es war nicht bei mir im Haus!«

      »Na ja, im übertragenen Sinn. Jedenfalls wäre es nicht gut, wenn nun die Presse erfahren würde, dass deine Schwiegermutter am untersten Rand der Gesellschaft dahinvegetieren muss und …«

      »Du vegetierst nicht am untersten Rand der Gesellschaft!« Susa kochte. »Du hast das Geld, das du Herberts Vater abgenommen hast, mit vollen Händen aus dem Fenster geschmissen! Selbst schuld. Und du hast dein Auskommen. Dir fehlt nichts.« Sie wühlte in ihrer Handtasche, förderte das Portemonnaie zutage, holte zwei Fünfzigeuroscheine heraus und knallte sie auf den Tisch. »Hier. Kauf dir Kaviar.«

      »Glaub mir, wenn ich das der Presse erzähle, wird es nicht so easy für dich sein, dich wieder reinzuwaschen. Herbert hat schon eingesehen, dass eine glückliche Mutter vorteilhaft für eine glückliche carreer ist. Und was soll ich dir sagen: Diese Monika von Dettmann von den Münchner Nachrichten hat mich schon angerufen, ob ich nicht auch was zu dem Fall zu sagen hätte. Ich habe sie vertröstet. Also, ein großer Flatscreen.«

      »Du erpresst mich ganz unverschämt. Hast du neulich nicht noch groß einen auf Karmapunktesammeln gemacht?«

      »Ja.« Marlies nickte ernst, dann lächelte sie den Ernst weg. »Karma is a bitch.« Sie nahm die beiden Fünfzigeuroscheine, faltete sie und steckte sie in die Hosentasche.

      »Jetzt kommt sie auch noch mit solchen Scheißhaussprüchen«, stöhnte Susa Förster.

      »Mach du dir keine Sorgen um mein Karma.«

      »Womit erpresst du Herbert?«, fragte Susa und trank ihren Spritz aus.

      »You know«, Marlies überging Susas Frage nonchalant, »du hast nicht ein einziges Mal gesagt, dass ich nichts gegen dich in der Hand hätte oder so. Kein Wort, dass du kein Verhältnis hast. Not even once!«

      Susa Försters Unterkiefer mahlte, sie schnaufte tief durch die Nase ein und aus. »Also, dann mal raus mit deiner Räuberpistole: Mit wem soll ich denn ein Verhältnis haben?«

      »Too late, my dear.« Marlies stand auf und packte den Henkel ihrer Handtasche mit beiden Händen. »Zu spät. Du übernimmst die Rechnung?«

      Marlies eilte die Straße hinunter in Richtung Hohenzollernstraße. Ihr Hirn brauste. Polly war ermordet worden. Karma is a bitch. Beides bereitete ihr ernsthaft Sorgen. Sie nahm vor allem die Karma-Sache ziemlich ernst. Für Marlies war das kein Blabla pseudoesoterischer Milleniumsveganer. Als sie ihrer Schwiegertochter das mit den Karma-Punkten erzählt hatte, hatte sie viel über sich verraten, nur hatte Susa das nicht ernst genommen. Marlies wusste, dass sie nicht so weitermachen konnte. Ihren Sohn erpressen, ihre Schwiegertochter erpressen. Nein, Erpressung war letztlich ein viel zu hartes Wort. Sie bat um freundliche Unterstützung. Sie hätte sich allerdings auch nie vorgestellt, dass es so verdammt einfach sein würde! Wie eben bei Susa hatte auch ihr Sohn nicht einmal nachgefragt, was sie denn tatsächlich im Detail wusste. Beide waren sofort eingeknickt. Beide hatten indirekt gestanden. Rechtfertigte das, das Karma herauszufordern? »Mensch, ich will doch nur ein klein bisschen besseres Leben«, murmelte sie halblaut vor sich hin. Materielle Dinge, Smartphone, Flatscreen, das wars schon. Okay, noch ein neues Bett … Polly war ermordet worden. Das änderte alles. Karma is a bitch.

      13

      Max Pfeffer zog sich aus. Komplett. Er rollte seine Kleidung zu einem kleinen Bündel zusammen, damit sie nicht durch den Kies beschmutzt wurde. Dann setzte er sich auf einen der größeren Steine in die Sonne. Er hätte sich gerne hingelegt, aber auf den unbequemen Kieseln? Auf den sandigeren Stellen der Isarinsel, die man über den Marienklausensteg erreichen konnte, lagen bereits andere Leute. Die meisten nackt. Hier traute man es sich noch. Pfeffer hatte früher im Englischen Garten oder an der Isar immer nackt gebadet. Nackerte gehörten zu München wie die Frauenkirche. Und wie die Frauenkirche waren Nackerte längst eine Touristenattraktion, vor allem bei verklemmten Amerikanern. Was zur Folge hatte, dass es in den letzten Jahren immer weniger Nackerte gab, denn wer wollte sich beim Freikörpersonnenbaden schon von Touris fotografieren lassen.

      Pfeffer beobachtete die Flussbadenden, zwei alte Damen um die siebzig planschten kreischend. Ihm war das Wasser definitiv noch zu kalt. Ein leichter Wind kam auf. Das Wassergurgeln, das Rauschen der Baumwipfel, die Tiergeräusche vom nahen

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