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aber nicht gesagt, wie sich die Tiere bewegen. Dies sollte er an frischeren Tieren selbst herausfinden und aufschreiben.

      Es wird ihm das erste Mal die beste Note im Fach Biologie einbringen. Eine Vision steigt in dem Jungen auf: Du willst Meeresforscher werden. Und er ahnt dabei in keiner Weise, dass er zehn Jahre später genau über diese Tiere seine Diplomarbeit schreiben wird.

       Teil 1 - Das Meer

      Umseitig: „Die große Welle von Kanagawa“ (Ausschnitt), Katsushika Hokusai, 1830 – 1832, wikimedia commons, Gemeinfrei

      Die Darstellung könnte ein Reflex auf die Tsunamis in japanischen Gewässern sein. Beeindruckend insbesondere die Darstellung der Gischt, die aus vielen Händen und greifenden Fingern zu bestehen scheint. Symbol für den besitzergreifenden Charakter des Meeres und der damit einhergehenden Bedrohung, aber auch für das Ergriffensein durch eine lebenslang anhaltende Faszination.

       Aufbruch

      Ein neuer Tag. Ich komme an Deck und sehe zunächst nichts. Die starke Beleuchtung an Deck blendet mich und jenseits der Reling herrscht noch schwarze Nacht. Nicht einmal die Reflektionen schaumweißer Wellen sind zu erkennen, denn wir haben keinen Wind. Aber das Schiff bewegt sich trotzdem. Eine flache, sehr alte und langwellige Dünung hebt und senkt unser Gefährt in einem unaufgeregten Rhythmus. Als wir gestern Abend die Hebrideninsel Skye umrundeten und am Neist Point Lighthouse vorbeikamen, war die Seestrecke frei für die aus Norden hereinlaufende Dünung. Nun sind wir zwischen Harris, der großen nördlichen Hebrideninsel an Backbord und dem schottischen Festland an Steuerbord. Die Seekarte weist das Gebiet als „North Minch“ aus.

      Ich gehe unter Deck, esse etwas und nehme mir noch einen Kaffee mit nach oben. Wir wollen auf den Ozean, in die Gewässer westlich der Hebriden. Die Last des Landes und der vorbereitenden Tätigkeiten liegen hinter uns. Jetzt geht es los.

      Es wird heller, im Osten sind die ersten Rot- und Gelbtöne der sich für ihren Aufgang vorbereitenden Sonne zu erkennen. Davor eine dunkle Masse, die schottische Küste. Mit zunehmender Helligkeit werden die Berge deutlicher und treten als schwarze Zackenlinie vor dem Horizont in Erscheinung. Der Himmel trägt dunkle Wolkenstreifen und die Sonne bleibt vorerst verborgen.

      Dann aber bricht die Sonne durch. Ein intensiver goldener Schein überzieht das Meer und leuchtet Teile der Küste an. Die Berge leuchten ebenfalls golden, See und Land sind nur noch Variationen einer alles gleich machenden goldenen Lichtflut. Der Himmel über den Bergen schimmert dabei in einem merkwürdigen Grün, das langsam in ein zartes Orange übergeht, wobei die dunklen Wolkenstreifen wie schwarz gemalte breite Pinselstriche wirken. Was für eine Pracht! Meine Stimmung ist euphorisch: Wir gehen in See, das Wetter ist herrlich, Himmel und Land verabschieden uns mit einem Rausch an Farben und Eindrücken. Was kann es Schöneres geben?

      Auf der See liegt ein wenig Dunst. Jetzt, gerade wo die Sonne mir direkt ins Gesicht leuchtet, schiebt sich eine Wolke vor und löscht die goldene Lichtwoge aus, es wird dunkler, die Berge schattenhafter. Aber an der Grenze zwischen See und Land reflektiert dieser Dunststreifen das Licht wie in einem Lichtleiter und leuchtet als dünnes Band zwischen der nun dunklen See und den schattenhaften Bergen. Heller Himmel, dunkle Berge, ein scharf geschnittener intensiv leuchtender Streifen, dunkles Meer, so ist die Reihenfolge des Bildes. Da wo es so hell leuchtet, dort beginnt scheinbar die Küste, aber vielleicht ist es auch eine optische Täuschung.

      Ich nehme das Fernglas zur Hand und gehe in den Bergen spazieren. Sonderbare Formen treten da auf. Ein Berg erinnert mit seinen leicht gebogenen Konturen und der abgerundeten Spitze an den Zuckerhut in Rio. Sieht aus wie eine Kopie und wahrscheinlich sind ähnliche Kräfte an ähnlichen Gesteinen als Baumeister tätig gewesen. Nirgends ein Anzeichen menschlicher Besiedlung. Keine Städte, keine Dörfer, keine erkennbaren Höfe oder Häuser. Reine Natur – jedenfalls soweit man dies mit dem Fernglas beurteilen kann.

      Die Fahrt geht weiter Richtung Norden. Die Sonne steht schon relativ hoch, wird aber von den Wolken verborgen. Allerdings sind genügend Löcher in der Wolkendecke, dass die See mit kleinen und großen Lichtflecken übersäht ist, die silbrig aufleuchten und nach einiger Zeit wieder vergehen. Das Meer ist ein Mosaik aus dunklen und hellen Partien, die durch die Dünung wie belebt wirken und relativ gemütlich auf und ab schwingen.

      Was ist das? Ich meine etwas an Land zu erkennen, das einem Vulkan gleicht. Das Fernglas her! Und in der Tat: Da drüben steht der perfekte Vulkan. Als gleichmäßig geneigter Kegel erhebt er sich aus der Ebene bzw. über die anderen, niedrigeren Formationen. Er gleicht sehr dem Fujiyama in seiner präzisen Kegelform. Nur ist er an der Basis nicht so breit und daher insgesamt etwas steiler gebaut. Oben aber ist er flach, wie es sich für einen anständigen Kraterrand gehört.

      So vereint diese überaus attraktive Küste die ganze Welt, den Zuckerhut aus Rio, die schottischen Highlands und den Fujiyama aus Japan und dann noch alles das, was ich wahrscheinlich übersehen habe.

      Allerdings gibt es im Schottland schon lange keine aktiven Vulkane mehr und die alten sind durch Erosion umgestaltet. Ich fürchte daher, dass „mein“ Vulkan einfach nur ein konischer Berg ist, oder durch eine bestimmte Ansicht eines „normalen“ Berges scheinbar entsteht, ein rein optischer Effekt also. Wenn ich jedoch einen Vulkan, oder besser dessen Ergebnis, sehen will, muss ich mich nur umdrehen, denn die Hebriden sind in weiten Teilen vulkanischen Ursprungs.

      Der Tag ist da. Die Sonne steht schon hoch am Himmel und vertreibt die Wolken. Die See wird blau und Licht ergießt sich über Meer, Schiff und Landschaft. Die Berge werden nun direkt angestrahlt und leuchten in verschiedenen Farbtönen zu uns herüber. Mit dem Fernglas erkenne ich dunkle Felspartien und grüne Wiesen, Schluchten, Abstürze und flache Regionen. Immer noch keine Häuser oder Siedlungsspuren. Zurückspringende Buchten und vorgeschobene Kaps wechseln sich ab. Der Dunststreifen über dem Meer hält sich und leuchtet als weißliche Grenze zwischen den Elementen.

      Das ist die Küste der Grafschaft „Sutherland“, des Südlandes (Sutherland = Southern Land). Eine merkwürdige Bezeichnung, die nur zu verstehen ist, wenn man in historischen Dimensionen denkt. Der Ausdruck entstand zur Zeit der Wikinger, die ja die nördlichen Inseln, die Orkneys, Shetlands, die Färöer und Island besiedelten. Von ihrem Siedlungsraum aus gesehen war die Nordküste Schottlands halt „Südland“.

      Die Küste wirkt jetzt weiter weg als am frühen Morgen, aber unser nomineller Abstand von rund drei Seemeilen bleibt. Um die Mittagszeit werden die Ansichten undeutlicher. Basstölpel sind unterwegs und zwei Eissturmvögel umrunden unser Schiff. Die schönen Boten des großen Ozeans. Weiter vorne scheint die Küste zu Ende zu sein, ja, das ist Kap Wrath, mit seinem steilen Absturz und dem markanten Leuchtturm. Wir lassen das Kap an Steuerbord zurück und dampfen bei wunderschönem Wetter zur Mittagszeit nach einem grandiosen Morgen in den offenen Atlantik hinaus.

       Ein Sturm

      Ungefährer Dialog mit einem Bekannten vor einiger Zeit:

       „Du musst auf jeden Fall etwas über Stürme schreiben“ meinte mein Bekannter, Seelotse und Kapitän.

       „ Warum das denn, das machen doch alle?“

       „Ja, schon, aber die Leute wollen so etwas lesen“ entgegneter er, „darüber definieren sie uns. Was meinst Du, was Menschen mich fragen, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich Kapitän bin? Wie viele Stürme haben Sie erlebt? Hatten Sie haushohe Wellen und all so Zeugs. Glaubst Du, auch nur irgendeiner interessiert sich dafür, wenn wir in engem Fahrwasser bei auch noch möglicherweise geringer Wassertiefe unterwegs sind? Keiner fragt nach Ansteuerung Hamburgs in der südlichen Nordsee mit den vielen Schiffen, überall rot, grün, gelb und weiß blinkenden Positionslichtern, Tonnen, Leuchttürmen und Windparks? Wo Du Deine Augen eigentlich gleichzeitig überall haben müsstest – oder bei Nebel, pfui Teufel. Nein, aber Stürme, ja, das sind Seemänner…“.

       Darauf ich: „Ja, mag schon sein, aber Sturmbeschreibungen gibt es aus genialeren Federn als aus meiner. Denk mal an Maesfields „Orkan“

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