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schlüpfte in ein Paar Schaffellpantoffeln und führte sie in ein Wohnzimmer mit massiven Möbeln.

      »Mary ist bei ihrer Mutter, also wenn Sie mit ihr sprechen wollen, wird das heute nichts.« Er setzte sich in einen Ledersessel und wies ungeduldig auf das Sofa. Es war so mit Kissen überladen, dass man selbst auf der Kante hockend nur mit Mühe genug Platz hatte.

      »Das ist schon in Ordnung, Mr Benham«, sagte Jonah lächelnd. »Im Augenblick müssen wir nicht mit ihr sprechen, und wir werden auch nicht viel von Ihrer Zeit beanspruchen.«

      »Sehr freundlich von Ihnen.« Der Blick, mit dem Benham sie bedachte, troff vor Sarkasmus, und es munterte Jonah ein wenig auf, dass die angeborene Antipathie gegen jede Autorität immer noch in Benham steckte. Aber der Junge, an den er sich vage von der Schule erinnerte, war nicht wichtig, es sei denn, dieser Junge hatte ein vierzehnjähriges Mädchen getötet und ihre Leiche zwischen Schlamm und Silberfolie versteckt. »Also, worum geht’s?«

      »Aurora Jackson«, sagte Jonah. »Ihre Überreste wurden gefunden, nicht weit entfernt von dem Zeltplatz.«

      Jonah hatte sich gefragt, ob er auf Zweifel stoßen würde, und mit einem langen Schweigen gerechnet. Nicht erwartet hatte er, dass die Stille von einem bebenden Schluchzen zerrissen wurde und plötzlich Tränen über die Wangen des Parlamentsabgeordneten von Meon Valley strömten.

      »Oh Gott. Das arme Mädchen. Gott, das arme Kind.« Er rieb sich mit dem Handrücken übers Gesicht, doch die Tränen fanden einen Weg durch die Falten seiner Haut.

      Hanson zog ein sauberes zusammengelegtes Taschentuch aus irgendeiner Tasche ihrer nadelgestreiften Anzugjacke. Benham nahm es wortlos entgegen und tupfte sich damit das Gesicht ab.

      Man hörte Schritte hinter der Tür auf der anderen Seite des Raumes, und eine brünette Frau Mitte zwanzig mit geflochtenem Haar und einem hellblauen Polohemd trat ins Zimmer. Polly, vermutete Jonah.

      »Ist es okay, wenn ich den Wagen nehme, Daddy?«

      »Ja.« Benham war sichtbar verlegen. Er wandte sich von seiner Tochter ab und versuchte, sie mit einem Winken hinauszukomplimentieren. »Ja, kein Problem. Willst du Pippa besuchen?«

      »Ins Kino mit Greg.«

      »Gut. Gut.«

      Auf dem Weg hinaus blieb Polly noch einmal stehen. »Alles in Ordnung, Daddy?«

      »Mir geht es bestens, Polly. Ich wünsch dir einen schönen Abend.«

      Polly rührte sich nicht und blickte besorgt zu Jonah und DC Hanson.

      Jonah versuchte zu lächeln, was für den Augenblick offenbar ausreichte.

      »Okay«, sagte Polly. »Bis später.«

      Sie verließ das Zimmer, und Jonah hörte, wie sie kurz im Flur herumstampfte, bevor sie die Haustür zuknallte.

      »Es tut mir leid, Ihnen Kummer zu bereiten, Mr Benham«, sagte Jonah, beugte sich vor und ließ die Handgelenke baumeln. Es war schwer, eine professionelle Haltung zu wahren, wenn man das Gefühl hatte, jeden Moment vom Sitz zu rutschen. »Aber wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen.«

      »Ich bin nicht … Ja. Schießen Sie los. Ich nehme an, damit ist die Ermittlung wieder eröffnet, oder?« Er nickte, verschränkte die Arme vor dem Körper und starrte weiter auf seine Füße. »Zumindest wird Tom froh sein.«

      »Mr Jackson?«, fragte Jonah. »Sie haben Kontakt zu ihm gehalten?«

      »Ein wenig. In letzter Zeit kaum noch, ehrlich gesagt. Ich habe vor zwei Jahren meinen Vater verloren, und jetzt müssen wir uns um Marys Mutter kümmern. Aber davor, als ich noch mehr Zeit und Kraft hatte, habe ich den Kontakt mit ihnen gehalten. Tom war immer wütend darüber, wie alles gelaufen ist.« Er seufzte. »Vermutlich ist es schwierig, nicht wütend zu sein, wenn man seine Tochter verloren hat. Aber er hatte das Gefühl, die Polizei habe ihn im Stich gelassen.«

      Jonah erinnerte sich nur zu gut. Auf der Wache in Totton hatte er mehr als einmal selbst erlebt, dass Tom hereinstürmte, mit vor Wut und Trauer rot angelaufenem Gesicht unter dem wilden Haar und dem ebenso wilden Bart.

      »Wir untersuchen einige neue Aspekte«, sagte Jonah mit einem Seitenblick zu Hanson. »Der Fundort der Überreste hat Fragen aufgeworfen. Sie wurde am Flussufer zusammen mit einer nicht unbeträchtlichen Menge Dexedrin vergraben. Wir haben Grund zu der Annahme, dass Sie der Besitzer der Drogen waren.«

      Jonah hatte Benham genau beobachtet, und wo eine Reaktion hätte erfolgen sollen, hatte er nur eine Leere wahrgenommen. Benham saß ein paar Sekunden vollkommen regungslos da und bewegte nur seine Augen.

      Das Schweigen wurde von einem einzelnen »Ah« unterbrochen.

      Jonah betrachtete die Falten in Benhams Gesicht, schwieg jedoch weiter. »Können Sie bestätigen, dass die Drogen Ihnen gehörten?«, fragte er schließlich.

      Benhams Gesichtsausdruck wirkte jetzt gequält. »Ich weiß nicht, ob ich … Welche Relevanz haben die Drogen? Sie sind nicht Gegenstand der Ermittlung, oder? Nein, ich glaube nicht … es geht um Aurora. Das wollen Sie doch wissen. Aurora. Oder?«

      Hanson blickte unsicher zu Jonah.

      »Die Drogen sind unmittelbar relevant für unsere Ermittlungen im Zusammenhang mit ihrem Tod«, sagte Jonah ruhig. Was das genaue Gegenteil dessen war, was er vor einer Stunde Brett erklärt hatte. Er spürte, wie Hanson ihn beobachtete.

      »Verstehe.« Benham richtete sich ein wenig auf und schlang die Arme noch enger um den Körper. »Dann denke ich, ich sollte lieber warten, bis mein Anwalt zugegen ist. Meinen Sie nicht?«

      Es klang seltsamerweise fast bedauernd. Aber unwiderruflich.

      »Das ist Ihre Entscheidung«, erwiderte Jonah und erhob sich. »Ich bitte Sie, sich morgen um neun Uhr dreißig in der Polizeistation Southampton Central einzufinden. Sie sind nicht festgenommen, aber wenn Sie nicht kommen, wird ein Haftbefehl gegen Sie erlassen.«

      Jonah spürte, wie er schlagartig von Müdigkeit übermannt wurde, als er auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Er wusste, dass er langsam in einen Zustand kam, in dem er nachlässig wurde. Er versuchte abzuwägen, was wichtiger war, alle noch heute Abend zu sehen oder effektiv zu arbeiten.

      »Ich werde O’Malley sagen, er soll die Jacksons telefonisch über den neuesten Stand informieren«, meinte er schließlich. »Wir müssen da heute Abend nicht noch hinfahren. Connor und Topaz werden mittlerweile sowieso Bescheid wissen. O’Malley kann sie auf die Station bestellen, dann sehe ich sie morgen.«

      »Okay«, sagte Hanson, und er hörte die Erleichterung in ihrer Stimme. Wahrscheinlich dachte sie ebenso sehnsüchtig an zu Hause und die Couch wie er. »Ich habe Coralie nicht auf dem Handy erreicht; sie ist Hunderte von Kilometern weit weg. Also bleibt für heute Abend nur noch … Jojo Magos.«

      Jonah nickte. Bevor er das Telefon nahm, um O’Malley anzurufen, sagte er: »Ich möchte, dass Sie diese Befragung federführend übernehmen. Von Anfang bis Ende. Okay?«

      Hanson lächelte, ein kurzes Aufblitzen von Zähnen in der Dunkelheit. »Okay. Danke.«

      10. Aurora

      Freitag, 22. Juli 1983, 20:00 Uhr

      Sie bewegte sich lautlos durchs Wasser und stellte sich vor, sie wäre eine Schlange. Oder ein Aal. Sie hielt sich im Schatten und hoffte, dass sie so unsichtbar war, wie sie sich fühlte.

      Sie konnte seine Stimme immer noch hören und jetzt sogar beinahe verstehen, was er sagte.

      »… dich hier zu treffen.«

      Der Fluss floss träge um eine Biegung, an deren Ende sich ein Stück offenes Ufer neben einer Buche erstreckte. Bis auf zwei Gestalten war es leer.

      Aurora spürte ein Stechen im Bauch, als sie Topaz mit ihm sah. Er trug keinen Anzug, auch keine Sportsachen, sondern ein hellblau kariertes Hemd, das seine Bräune noch betonte. Jeans und Wanderschuhe, Sonnenbrille ins Haar geschoben, über den Schultern einen

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