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fünf der Dosen und lief los. Der Baron wuchtete sich die halbleere Kiste auf die Schulter und trug sie bis zum Rand der Hochfläche. Von da aus sah er dann hinunter zum Meer. James und Le Beau waren schon auf der zweiten Tour zur Yacht und legten draußen gerade an Backbord an, um Mackenzie und Jenny abzusetzen. An Bord half Robert den beiden an Deck. Überraschenderweise stieg aber auch Le Beau aus dem Beiboot, und James pullte allein zum Land.

      „Was soll das denn?“, murmelte der Baron und warf einen kurzen Blick auf Dolly, die unten stand, zu ihm heraufblickte und die Schultern zuckte.

      James arbeitete nach Kräften. Aber da begriff der Baron den Grund für Le Beaus’ Verhalten. Der Franzose stand breitbeinig auf dem Vorschiff der Yacht, eine der erbeuteten Maschinenpistolen im Anschlag. Und damit schoss er auf eine Dreiecksflosse, die gar nicht weit von James aufgetaucht war. Plötzlich kam eine zweite hinzu, ein Schwanz klatschte ins Wasser, dessen sprudelnder Schaum sich mit einem Mal rot färbte. Drei, vier weitere Dreiecksflossen kamen näher, ein Hai tauchte in voller Größe auf, schoss aus dem Wasser und tauchte dann wieder unter. Ein Stakkato von Schüssen aus Le Beaus MP wühlte das Wasser auf.

      Indessen kam James in dem immer tiefer liegenden Beiboot bis ans rettende Land. Er sprang von Bord und überließ das Boot sich selbst, lief zu dem orangeroten Schlauchboot und schnallte die kleinen Notriemen ab, die Spatengriffe wie die Riemen eines Kanus besaßen.

      Dolly ging zu James, sprach mit ihm, und James drehte sich um und deutete aufs Meer, wo es von Dreiecksflossen im Augenblick nur so wimmelte. Le Beau schoss, sobald er eine sah, aber oft genug tauchte der Hai weg, bevor der Schuss ihn treffen konnte. Getroffene Haie wurden von ihren Artgenossen im Handumdrehen zerfleischt. Das Meer färbte sich stellenweise rot, wie der Baron von seinem erhöhten Platz sehen konnte.

      Jetzt kamen James und Dolly zum Aufstieg hin, der hinauf auf die Hochfläche führte. Der Baron packte sich die Kiste wieder auf die Schulter und ging den beiden entgegen. Dort, wo sie sich trafen, nahm ihm James die Kiste ab und sagte: „Haie, Chef, mehr Haie, als ich je gesehen habe. Sie versuchten, sogar das Boot zu rammen.“

      „Dann werden sie das Schlauchboot aufschlitzen.“

      „Le Beau hat mindestens zehn von ihnen abgeknallt, aber es kommen mehr neue, als er Schüsse hat.“

      „Tragen Sie die Kiste zum Schlauchboot, James!“

      James ging. Dolly folgte dem Baron. „Und wenn sie das Schlauchboot aufreißen?“, fragte sie, während sie hinter dem Baron herhastete.

      „Dann werden wir zum Frühstück für die Haie, Dorothee.“

      Er ging bis zu der Grube, wo die zweite Kiste stand, riss sie hoch und hob sie sich auf die Schulter. Ihm war, als hätte er eine halbe Lokomotive hochgehoben.

      „Kann ich helfen?“, erkundigte sich Dolly.

      „Bring zwei Gewehre mit. Das MG holt James.“

      *

      Zwischen den weinroten Tapeten aus weichem Samt hatten Frankreichs Statthalter gegessen, geliebt und getrunken, hatten Fürsten gewohnt, waren zwischen der Republik und ausländischen Handelspartnern die ersten Verträge abgeschlossen worden. In den Louis XVI-Stühlen hatten Männer und Frauen der großen Gesellschaft dieser Welt gesessen. Es war das „Chambre rouge“ des Ambassadeur Hotels in Port au Prince. Jetzt saß kein Fürst in dem ehrwürdigen Stuhl, auch kein Botschafter oder Wirtschaftspapst, jetzt thronte im goldbestickten Morgenrock Enrico Brassi darin. Seine mit schweren Brillantringen geschmückte Rechte tauchte ein Stück Weißbrot in Milch. Brassi hatte es mit dem Magen. Der schmächtige Mann, der aussah wie ein mickriger Buchhalter, wie ein schwindsüchtiger Zeitungsverkäufer oder wie ein unterbezahlter Beamter, hatte pechschwarzes Haar, das nur an den Schläfen wenige graue Fäden zeigte. Seine dunklen Augen lagen in tiefen Höhlen; die Haut war ledern, der Mund fast blutleer. Und es war ein schmaler Mund über einem kantigen Kinn.

      Brassi war Mitte Fünfzig, und sein Arzt wusste, dass er nie sechzig werden würde. Denn Brassi hatte Magenkrebs, aber davon wusste er selbst nichts. Er glaubte, dia Operation vor einem Jahr habe ihm das Leben erhalten, obgleich er jetzt schon wieder diese ständigen Leibschmerzen hatte wie früher.

      Er war missgelaunt, aber das lag nicht nur an seinen Schmerzen, die er durch Zäpfchen vertreiben konnte.

      Brassi gegenüber saßen zwei Männer in dunklen Anzügen, die sich wie ehrbare Bankbeamte oder Börsenmakler ausnahmen. Beide waren so Ende Dreißig, wirkten seriös und absolut nicht wie das, was sie in Wirklichkeit waren. Brassi biss ein Stück vom milchgeschwängerten Weißbrot ab und fragte kauend: „Und wie lange wollt ihr noch warten?“

      „Hal hat bis jetzt noch nie Mist gebaut“, sagte der eine, der einen sorgsam: gepflegten Menjoubart trug.

      „Hal ist ein Mensch, der Pech haben kann. Wenn die von dem Floß nun auch mit auf dieser Insel sind? Habt ihr euch schon mal die Liste der Vermissten angesehen?“

      „Natürlich, Sir, aber..."

      Brassi ließ den Menjoubart nicht ausreden. „Ich habe von Anfang an vermutet, dass Floß und Boot nach dem Sinken der Monte Christo zusammengeblieben sind. Und dieser Baron von Strehlitz ist euch doch nun auch kein Fremder. Das ist so ein verrückter Hund, der vor nichts zurückschreckt. Die Sache mit der Sunderland, so etwas passt zu ihm. Wenn er nun mit Hal und den Jungs fertig geworden ist? Heh, habt ihr nachgedacht, was das heißt?“

      „Mr. Brassi, Hal hat doch mit uns Funkkontakt gehalten. Bevor sie gelandet sind, hat er durchgegeben, dass von der Sunderland nichts zu sehen war.“

      Brassi hatte wieder starke Magenschmerzen. Er nahm eine Tablette, spülte sie mit einem Schluck Milch hinunter und sagte gereizt: „Ich will es selbst sehen. Ich will wissen, was dort los ist. Als ich das letzte Mal dort gewesen bin, haben wir die Kammer angelegt. Hal war dabei. Ich habe den dumpfen Verdacht, dass Hal womöglich auf eine bestimmte Idee gekommen sein könnte.“

      „Sir, das tut Hal niemals! Sie bezahlen ihn gut, und überhaupt“, sagte der mit dem Menjoubart, „wo sollte er die Steine denn loswerden? Die kennt doch jeder. Wenn man sie so einfach losschlagen könnte, hätten wir sie doch nie in die Büchsen zu löten brauchen. Sie selbst haben gesagt, dass man zehn bis fünfzehn Jahre warten müsste. Acht Jahre sind seit der Sache vorbei.“

      Brassi lächelte versonnen. „Ja, das waren Hits! Und das FBI sucht die Täter noch heute. Bis jetzt vergeblich. Na ja“, fügte er selbstgerecht hinzu, „es war auch ein Plan von mir. Also, ich will hin. Ihr beiden kommt mit. Martin macht die zweistrahlige Maschine klar.“

      „Sir, die kann dort nicht mehr starten. Zu kurze Startbahn“, wandte der mit dem Bärtchen ein.

      „Also nehmen wir die Cessna. Können wir die Kisten mitnehmen?“

      „Wenn wir zu dritt fliegen, wird es gehen. Was wollen Sie machen, wenn unsere Leute dort out sind?“

      „Dann werden wir denen, die das Sagen haben, den Hahn abdrehen. Du, Gus, nimmst das MG mit. Denen sengen wir ein paar über den Pelz. Hoffentlich haben sie Rosco umgelegt. Den brauchen wir nicht mehr.“

      „Und Archie?“

      „Wenn Archie überhaupt mit von der Partie ist, wird er uns eine mächtige Hilfe sein. Also, in einer Stunde fliegen wir. Dann ...“

      Es klopfte.

      „Mach auf, Gus!“

      Der Bärtige ging zur Tür, öffnete, und jemand steckte ihm einen Zettel entgegen. Gus kam damit zu Brassi zurück. „Für Sie, Boss.“

      Brassi faltete den Zettel auseinander. Er las, knallte den Zettel auf den Tisch und sagte: „Ich habe es doch gewusst! Gut, dass ich Bronco beauftragt habe, ein Auge auf die Insel zu werfen. Bronco ist mit einer Seaboldt geflogen, hat in großer Höhe den Motor abgestellt und ist gesegelt. Er hat gesehen, dass auf der Insel nur wenige Menschen sind. Die Kammer ist geöffnet. Die Yacht liegt vor der Küste vor Anker, und jemand ist dabei, eine Kiste ins Schlauchboot zu verladen. Die Meldung ist zehn Minuten alt, Männer! Wisst ihr, was sich dort abspielt?“

      „Aber

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