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Und er war zu Bancroft geritten, an jenem unseligen Vormittag nach der verhängnisvollen Nacht, die Harrison und Bancroft zu Todfeinden gemacht hatte.

      Die Jury befand auf schuldig.

      Der Richterspruch lautete Tod durch den Strang.

      Das Urteil sollte am Morgen des übernächsten Tages vollstreckt werden.

      Harrison befand sich wieder in seiner Zelle. In der Nebenzelle saß Slim Winslow. Er schwieg, nachdem er von dem Todesurteil erfuhr. Ihn erwarteten mindestens fünf Jahre Zuchthaus. Darüber hatte der Sheriff keinen Zweifel aufkommen lassen. Der Gedanke daran würgte ihn, und der Schock nach dem Todesurteil gegen Harrison tat ein übriges, um ihn in düstere Gedanken versinken zu lassen. Worte des Trostes wären deplatziert gewesen. Was sollte er einem Mann sagen, auf den der Schatten des Galgens fiel und der so gut wie tot war?

      Ben Walker und Kathy hatten soeben den Zellentrakt verlassen. „Wir sind nach wie vor von deiner Unschuld überzeugt, Harrison“, erklärte Ben. „Und weil das so ist, fühle ich mich wie Judas Ischariot, der Jesus Christus für eine Handvoll Silberlinge verkaufte. Ich dachte, ich erweise dir einen Gefallen, wenn ich helfe, dich dem Gesetz auszuliefern. Doch nun ...“

      Seine Stimme brach. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er barg das Gesicht in seinen Händen.

      „Es tut mir leid, Harrison“, flüsterte Kathy. In ihren Mundwinkeln zuckte es. „Wenn wir das geahnt hätten, würden wir uns niemals hergegeben haben, dir auf unserer Ranch diese Falle zu stellen. Zwei Tage noch – vielleicht geschieht ein Wunder und ...“

      „Den Glauben an Gott, an Recht und Ordnung, an die Menschlichkeit und vor allem an Wunder habe ich heute verloren, Kathy“, stieß Harrison rau hervor und unterbrach sie damit. Er kam bis an die Gitterwand heran und umklammerte zwei der zolldicken Stäbe. „Man wird mich übermorgen vor Sonnenaufgang am Ende eines Strickes durch die Klappe fallen lassen, und nach Meinung aller wird dem Gesetz Genüge getan sein. Na schön. Unsere Bestimmung ist es nun einmal, irgendwann zu sterben. Bei mir ist es übermorgen. Geht jetzt, Kathy. Ich will alleine sein.“

      Zuletzt hatte er schroff, fast feindselig gesprochen.

      Ben und Kathy waren gegangen. Irgendwann kam der Sheriff. Harrison lag auf der Pritsche, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte hinauf zur Decke.

      „Brauchst du irgend etwas, McQuinn?“, fragte Hickock besorgt. „Soll ich dir irgend etwas besorgen?“

      „Ja.“ Harrisons Oberkörper ruckte hoch. „Gib mir einen Colt mit sechs Schuss Munition und den Schlüssel zu dieser Zelle. Dann bin ich wunschlos glücklich, Hickock!“

      Hickock presste die Lippen zusammen. Dann brachte er hervor: „Ich hatte keine andere Wahl, McQuinn. Vor dem Gesetz bist du ein Mörder, und auf Mord gibt es eben nur eine Antwort – nämlich den Strick. Persönlich allerdings bezweifle ich deine Schuld. Du bist nicht der erste Mann, den ich unter den Galgen führe und dem ich den Strick um den Hals lege. Aber du wirst der erste sein, bei dem mich tausend Zweifel quälen werden, ob ich nicht einen Justizmord begehe.“

      „Vielen Dank für deine Anteilnahme, Hickock!“, fauchte Harrison mit bitterem Sarkasmus im Tonfall. „Es wird mich trösten, wenn ich mir am Ende des Stricks den Hals breche.“

      „Ich kann dich verstehen“, murmelte Hickock und es klang nahezu brüchig. „Am liebsten würde ich mir das verdammte Stück Blech von der Weste reißen und Stamford verlassen. Aber davon hättest du nichts, Harrison. - Nun sag schon: Kann ich etwas für dich tun? Hast du einen besonderen Wunsch? Willst du dich betrinken, um zu vergessen. Ich besorge dir eine Flasche Whisky.“

      „Such den wahren Mörder, Hickock. Du hast Zeit bis übermorgen früh.“

      Hickock bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, zuckte mit den Achseln und verließ den Zellentrakt.

      In der Nachbarzelle erhob sich Slim. Harrison wandte sich ihm zu. Von draußen wehte ein Geräusch durch kleinen, vergitterten Fenster herein, das sich anhörte, als würde ein Gespann in den Gefängnishof gefahren. Ein zischender Ton kam von Winslow. Er nahm den Hocker, stellte ihn unter das Fenster und stieg hinauf. Seine Wangenmuskulatur vibrierte, als seine Backenzähne übereinander mahlten. „Sie bringen Balken und Bretter“, entfuhr es ihm.

      Harrison zuckte zusammen.

      Winslow sprang vom Hocker und kam an die Gitterwand, die die beiden Zellen trennte. „Es darf nicht soweit kommen, Harrison!“, drang es heiser über seine Lippen. „Ich zerbreche mir schon die ganze Zeit über den Kopf, wie wir aus diesem Käfig hinauskommen. Aber mir will nichts Vernünftiges einfallen.“

      „Ohne Hilfe von außen kommen wir nicht hinaus. Akzeptiere es, Slim.“

      Harrison setzte sich auf die Pritsche, stellte seine Ellenbogen auf die Oberschenkel und stützte das Kinn auf die ineinander verschränkten Finger. Schon bald klang von draußen Hämmern und Sägen herein, und die Angst vor der Stunde, in der der Sheriff und einige Helfer kamen, um ihn abzuholen, begann sich in Harrison einzunisten.

      Etwas in ihm begann sich zu verkrampfen.

      *

      Der Tag endete, die Nacht kam. Der Galgen war aufgestellt. Auf der Plattform stand noch der Sandsack, mit dem getestet worden war, ob alles ordnungsgemäß funktionierte. Das dumpfe Geräusch, mit dem sich die Falltür öffnete, der trockene Ton, mit dem sich der dicke Hanfstrick spannte – das alles klang in Harrison nach und ließ ihn innerlich erbeben.

      Im Silver Moon Saloon ging es hoch her. Betrunkene brüllten und johlten. Das Orchestrion hämmerte. In Harrison war ein grenzenloses Gefühl des Alleinseins, der absoluten Einsamkeit. Die Dunkelheit in der Zelle verstärkte dieses Gefühl noch. Bis lange nach Mitternacht trieb der Lärm aus dem Saloon durch die Stadt. Dann kehrte Ruhe ein.

      Ruhig war es auch auf der Walker-Ranch am California Creek. Ben Walker und Kathy schliefen. Eine schattenhafte Gestalt schlich an der Rückseite des Haupthauses entlang. Der Hund im Hof bemerkte nichts. Auch er schlief. Seine Instinkte waren ausgeschaltet.

      Ein Streichholz flammte auf, dann loderte eine Pechfackel. Der Lichtschein zerrte das Gesicht des Mannes aus der Finsternis. Nur die Augen waren zu sehen. Der Bursche hatte sich über Mund und Nase das Halstuch gezogen. Den Hut trug er tief in der Stirn. Er wartete, bis die Fackel richtig brannte. Dann zerschlug er mit dem Coltlauf ein Fenster und hielt den Brandsatz an den Vorhang, der sofort Feuer fing. Er warf die Fackel in den Raum und zog sich zurück.

      In der kleinen Schlafkammer rüttelte Kathy ihren Mann wach. „Ben“, flüsterte sie drängend und ängstlich zugleich. „Ben, wach auf. Ich glaube, draußen treibt sich jemand herum. Es hörte sich an, als wäre ein Fenster zertrümmert worden. Ben, ich habe Angst.“

      „Unsinn“, murmelte Ben schlaftrunken und wollte sich auf die andere Seite drehen. „Du hast geträumt, Kath. Schlaf weiter.“

      „Ben, bitte ...“

      In diesem Moment begann draußen der Hund wie irrsinnig zu bellen. Durch einige Ritzen in der Brettertür fiel Lichtschein. Unter der Tür zog beißender Qualm hindurch und stieg in die Höhe. Ben nahm das alles im selben Augenblick war, in dem Augenblick, als er vom Bellen des Hundes aus der Schlaftrunkenheit gerissen wurde, wie elektrisiert hochfuhr und die Augen öffnete.

      „Bei Gott, Kathy, es brennt!“, entfuhr es ihm. Er schleuderte die Bettdecke von sich herunter, sprang auf und war mit zwei langen Schritten bei der Tür. Er riss sie auf. Er wurde vom Feuerschein übergossen. Beißender Qualm schlug ihm entgegen und ließ ihn husten. Flammen zuckten beim Fenster an der Holzwand in die Höhe. Der Vorhang brannte lichterloh. Eine Fackel lag beim Geschirrschrank am Boden, die züngelnden Flammen hatten bereits das zundertrockene Holz der Schranktür entzündet.

      „Komm her, Kathy, komm!“, schrie Ben. „Wir müssen hinaus. Hier drin ersticken wir.“

      „Aber wir können doch nicht zusehen, wie unser Haus niederbrennt!“, schrie sie wie in Panik. „Wir müssen doch wenigstens versuchen, zu retten, was möglich ist.“

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