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die mit ihren Parkanlagen Schlössern glichen. Weite Pferdekoppeln vor den Anwesen machten die Szene komplett.

      Wenn wir im Sommer mit der Eisenbahn durch die Landschaft fuhren oder mit unseren Fahrrädern durch die Gegend strampelten, fiel unser Blick auf endlose, wogende Roggenfelder, die sich silbergrün im Winde bewegten. Große Felder, so weit das Auge sehen konnte. Satte Wiesen, auf denen schwarz-weiß gefleckte Kühe weideten, mit kleinen Bächen und Flüssen, umrandet von Baumgruppen, die sich durch die Wiesen schlängelten. Dunkle Tannen- und Kiefernwälder am Horizont vervollständigten das Panorama. Gern denke ich zurück an diese Bilder, besonders aber an den Duft von frisch gemähtem Gras, an das wunderbare Aroma der Kiefernwälder oder den frischen Geruch der Erde nach einem Regenschauer.

      Bis zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war Pommern ein stilles Land, abgeschieden von den historischen Ereignissen seiner Zeit. Überwiegend landwirtschaftliche Tätigkeiten bestimmten das Leben in der Provinz. Industrielle Veränderungen hatten die Region kaum berührt, und man nahm wenig Anteil an den politischen Ereignissen, die sich in den Großstädten abspielten. Doch Pommern war nicht immer „vergessenes“, schon im zwölften Jahrhundert war es sehr begehrt. Polen, Schweden und brandenburgische Fürsten kämpften um dieses Land mit einer Fläche von über dreißigtausend Quadratkilometern. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Pommern zum größten Teil zerstört, und es bedurfte fast zweier Jahrhunderte, sich von diesen Verwüstungen zu erholen. Im neunzehnten Jahrhundert brach ein neues Zeitalter an, es war die Renaissance für Hinterpommern: Das Land wurde eine Provinz des Preußischen Reichs.

      Pommern zählte etwa 2,5 Millionen Einwohner, die landwirtschaftliche Produkte erzeugten für mehr als doppelt so viele Menschen. Wegen seines Reichtums an Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Milch und Fleischprodukten wurde Pommern offiziell zur Kornkammer Deutschlands ernannt. Die Hauptstadt Pommerns war Stettin, eine betriebsame, stolze Hafenstadt an der Odermündung. Neben der freien Hansestadt Danzig verfügte Stettin über den größten Hafen an der Ostsee. Begibt man sich weiter in östliche Richtung, findet man eine einsame, doch romantische Seenlandschaft, seinerzeit bekannt als die Pommersche Schweiz. Hier um Neustettin hat die Persante ihren Ursprung, von wo sie sich nach Belgard, dann weiter Richtung Köslin schlängelt, um in Kolberg in die Ostsee zu münden. Dort wurde sie zu einem Hafen ausgebaut für den Umschlag von Holz und Getreide und war schließlich Standort einer modernen Fischkutterflotte.

      In der Pommerschen Schweiz findet man die Stadt Polzin, das Karlsbad des pommerschen Adels, den auch polnische Edelleute seit vielen Jahren vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ausgiebig besuchten. Zu jener Zeit die größte pommersche Stadt und gleichzeitig das berühmteste Ostseebad war Kolberg mit einer Einwohnerzahl von ungefähr 35.000. Während der Sommermonate konnte man dort mehr Badegäste als Einwohner zählen. 1938 stand Kolberg mit 45.000 Badegästen und hohen Übernachtungszahlen an der Spitze aller deutschen Kurorte.

      Kolbergs Geschichte ist umfangreich. Als wichtiger Handelsplatz an der Ostsee gelangte die Stadt schnell zu wirtschaftlicher Blüte. Prächtige Patrizierhäuser um den Marktplatz und das Rathaus zeugten von diesem Wohlstand. Auch in kultureller Hinsicht war Kolberg als Bischofsitz mancher Stadt überlegen. In den Jahren 1280 bis 1320 wurde der Mariendom im gotischen Stil erbaut. Seine Mauern beherbergten Kunstschätze, die man sonst nirgendwo in Pommern fand.

      Doch die Chroniken berichten auch von Kämpfen und Kriegen, von Not und Belagerungen. So mussten sich schon im Jahre 1119 die Bürger der Stadt gegen die Russen verteidigen, die in einer Nacht- und Nebelaktion versuchten, über die Ostsee in die Stadt einzudringen, um sie zu erobern. Im Siebenjährigen Krieg, 1756-1763, wurde Kolberg dreimal belagert. Auch 1807, während der Freiheitskriege, verteidigten sich die Kolberger erfolgreich unter der Führung von August Graf Gneisenau und dem damaligen Bürgermeister Joachim Nettelbeck gegen Napoleons Armee. Jedes Jahr, am 2. Juli, feierten die Kolberger dieses Ereignis, um ihre Ehrenbürger zu würdigen. Zum Dank wurde ihnen an der Nordseite des Domes ein Denkmal errichtet, das allerdings nach dem Krieg von den Polen entfernt wurde.

      Das Beispiel von 1807 muss den Kolbergern 1945 die Kraft gegeben haben, die Stadt bis zum letzten Atemzug zu verteidigen. Mit der Unterstützung von Armee und Kriegsmarine hielten sie den Weg offen für etwa 80.000 Flüchtlinge, die über die Ostsee dem Ansturm der Roten Armee zu entrinnen hofften.

      Die Pommern sind geprägt von ihrer Sprache, vom Meer und von der Weite des Landes. Man sagt ihnen nach, dass sie sehr konservativ seien. Sie standen im Ruf der Abgeschiedenheit und Rückständigkeit, aber zugleich schätzte man diese Menschen und ihre Arbeit hoch ein. Vor allem aber waren die Pommern bekannt für ihre entwaffnende Offenheit. Friedrich der Große sagte einmal: „Die Pommern sind von natürlicher Offenheit. Verschmitztheit und Gerissenheit liegt ihnen nicht. Pommern sind ausgezeichnete Soldaten, manchmal auch gute Finanzbeamte, aber Diplomaten lassen sich nie aus ihnen machen.” Zweifelsohne trifft das auf viele meiner Landsleute zu, im gewissen Maße auch auf mich.

      In diesem Lande, das ich beschrieben, unter diesen Menschen, die ich geschildert habe, bin ich geboren. Mein Geburtsort war Großjestin, heute Goszino, etwa 16 Kilometer südlich von Kolberg. Mein Vater besaß früher einen kleinen Bauernhof in Arnsberg bei Treptow, ebenfalls in Pommern. Dort heiratete er meine Mutter, die gerade ihre Ausbildung als Hebamme absolviert hatte. Ein Rheumaleiden machte meinem Vater schwer zu schaffen, und somit hatte er große Schwierigkeiten, den alltäglichen Ansprüchen auf dem Hof nachzukommen. Er war etliche Jahre älter als meine Mutter. Als ich 1929 auf die Welt kam, hatte mein Vater schon sein 65. Lebensjahr erreicht. Meine Eltern beschlossen, den Bauernhof zu verpachten (und später zu verkaufen) und sich in Großjestin eine neue Existenz aufzubauen. Ich war der Jüngste von vier Geschwistern, einem älteren Bruder und zwei Schwestern. Heinz war der Älteste, danach kamen Gerda und Brunhilde (wir nannten sie immer Hildchen). Gerda erkrankte als Kleinkind an einer Hirnhautentzündung, die sie für den Rest ihres Lebens, sie wurde 72 Jahre alt, geistig in einem Kindesstadium zurückließ. Meine ältere Schwester Hildchen und ich waren in den Interessen zu unterschiedlich, und so haben wir beide eigentlich sehr wenig zusammen unternommen. Nach ihrem Schulabschluss begann sie eine kaufmännische Lehre in einem landwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsverein. 1942 meldete sie sich freiwillig zum Reichsarbeitsdienst. Das hatte für sie zwei entscheidende Vorteile: Zum einen konnte sie sich ihren Standort auswählen, sie entschied sich für Thüringen, und zum anderen war sie damit freigestellt, um nicht später in der Rüstungsindustrie arbeiten zu müssen.

      Gerda besuchte in den ersten Jahren noch die Volksschule, wegen ihrer Behinderung machte sie jedoch keine Fortschritte, und es wurde entschieden, dass sie zu Hause am besten aufgehoben sei.

      Zwischen mir und meinem neun Jahre älteren Bruder gab es nie eine enge Beziehung. Als ich 1935 eingeschult wurde, hatte er schon eine Bäckerlehre angetreten. Er lernte das Bäcker- und Konditoreihandwerk bei dem Vater meines Freundes Gerhard. Da ich oft mit Gerhard zusammen war, nutzte ich gern die Gelegenheit, Heinz in der Bäckerei zu besuchen. Dort durfte ich zuschauen, wie die Bäcker damit beschäftigt waren, Brot und Kuchen zu backen. Die schönste Zeit für einen Besuch war immer kurz vor Weihnachten, wenn die Bäcker dabei waren, Lebkuchen in allen Variationen und Pfeffernüsse zu backen. Ich wurde dann immer reichlich beschenkt mit den wohlschmeckenden Pfeffernüssen, die, so hatte es den Anschein, in Unmengen gebacken wurden. Jedoch auch im Sommer hatte es seinen Reiz, meinen Bruder aufzusuchen. Der Betrieb machte ein leckeres Eis, das Heinz jeden Sonntag im Dorf verkaufen musste. Zum Verkauf diente ein weißer Karren auf Gummireifen, in dem sich zwei Sorten Eis befanden. Niemals hat mein Bruder gezögert, uns eine Tüte Eis zu schenken, schon allein aus Protest gegen seinen Lehrherrn, der ihm jeden Sonntag im Sommer seine Freizeit raubte.

      Acht Jahre besuchte ich die Volks- oder Realschule, wie man es damals nannte. Die meisten Jahre meiner Schulzeit hatte ich Herrn Raguse als Lehrer. Herr Raguse war von stattlicher, kräftiger Figur mit einer hervorstechenden Glatze. Wir hatten ihn so gut kennengelernt, dass wir schon seinem Anzug und der Färbung seiner Glatze ansahen, in welcher Stimmung er an dem Tag sein würde. Herr Raguse*) war ein strenger Schulmeister, dessen Methoden man heute anprangern würde. Wir Schüler wurden nach unseren Leistungen in der Klasse platziert. Das heißt, der Klassenbeste fand sich immer auf dem ersten Platz direkt an der Tür, während der- oder diejenige mit den schlechtesten Noten ganz vorne saß. Wenn er eine Lektion abfragte, fing er mit dem Klassenersten

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