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um auf der erotischen Suche nach ewiger Liebe zu sein.

      Jetzt bin ich achtzig - Heide wird es demnächst - und wir konnten trotz räumlichem Abstand und nur sporadischem Beisammensein unsere Lebenswege wechselseitig mitverfolgen.

      Ich ihr Studium und ihren Weg zur Psychotherapeutin - ihre gruppendynamischen Aufenthalte in Griechenland - ich lernte ihren jetzigen Mann Frankie kennen und schloss ihn rasch ins Herz - den großen Frauenpersönlichkeiten Annelie Keil und Ortrud Grön begegnete ich - von Heides späterer Traum-Arbeit erfuhr ich.

      Sie hingegen konnte mich mehr und mehr als Schriftstellerin wahrnehmen, nach „Aus Tagebüchern“ veröffentlichte ich regelmäßig Bücher. Es wurde das zu meinem eigentlichen Weg. Heide organisierte im Raum Bremen Lesungen für mich und war bei diesen als Moderatorin und mit Ausschnitten aus ihren Filmen wunderbar an meiner Seite.

      Die Jahre flogen. Ja. Und jetzt las ich ihr Buch.

      Und erfuhr von Unsicherheiten und Verletzungen, von wahrlich bestürzenden ‚Irrungen und Wirrungen‘, die diese heitere, unerschütterliche Heide Nullmeyer, die ich 1981 kennen gelernt hatte, jedoch geformt hatten. Die von ihr in unermüdlichem Bemühen aufgearbeitet und überwunden wurden, die sie zu Kreativität und verantwortungsvollem Tun verwandeln konnte. Heide hatte ihr „griechisches Ehe-Desaster“ mir gegenüber zwar ab und an, jedoch eher anekdotisch, erwähnt. Ich fühlte stets ihr weiterhin leidenschaftliches Hingezogensein zu Griechenland. Auch lebte, als wir uns kennen lernten, ihre Mutter noch, diese so einschneidend Heides Leben bestimmende Frau.

      Aber dieses Buch.

      In der nicht chronologischen Abfolge von anrührend offenherzig, jedoch ohne einen Hauch von Voyeurismus erzähltem Persönlichem, dann den Schilderungen beruflicher Herausforderungen, die es zu meistern galt, ihrer spirituellen Suche, all den intensiv und farbig erlebten Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen - es hat mich meine Freundin Heide wohl erst jetzt in umfassender Weise wahrnehmen und erkennen lassen.

      Es lohnt sich, diese Frauengeschichte zu lesen.

      Erika Pluhar, im November 2019

       Einleitung

      Warum drängt es mich, meine freudvollen aber auch schmerzlichen Erfahrungen, Erlebnisse und Beobachtungen aufzuschreiben? Gibt es so etwas wie eine Art „Drehbuch“, dem ich gefolgt bin? Wodurch bin ich geprägt worden? Was hinderte mich, lange Zeit selbst bestimmt zu leben? Welchen Einfluss hatte es, dass ich das Resultat einer außerehelichen Verbindung bin? War ich ein gewolltes Kind? Durch wen oder was habe ich mich in eine Opferrolle drängen lassen? Welche Elternbotschaften haben mein Verhalten bestimmt? Wo bin ich mir treu geblieben? Welche Risiken bin ich eingegangen? Wie habe ich mich aus schwierigen Situationen herausgearbeitet? Was hätte ich anders machen können? Ich schwankte oft hin und her in meinen Gefühlen. Mal war ich mutig und risikobereit „Ich schaffe das schon“ - „Ich gehe da durch, egal wie“ - „Ich brauche niemanden“ - dann wiederum ängstlich oder trotzig „Das wird nie was“ - „Das kann nicht gelingen“ „Ich werde es allen zeigen!“

      Aus der Gedächtnisforschung weiß man, dass unser Gehirn nicht alles lückenlos speichert. Je öfter wir an ein Ereignis denken, desto häufiger ändern sich Nuancen, da die Erinnerungen mit unseren aktuellen Lebenserfahrungen bewertet werden. Das Ergebnis macht umso glücklicher, wenn man feststellt, dass man sich mit den Jahren immer positiver entwickelt hat. Wie steht es mit dem „Schatten“ in mir, wie C. G. Jung, der Schweizer Psychiater, die „dunkle Seite“ in uns genannt hat? Vielleicht habe ich die eine oder andere ungute Situation zu meinen Gunsten unter den Teppich gekehrt. In den Kapiteln „Psychologische Gedankensplitter“ versuche ich, mir dabei auf die Spur zu kommen. Ich schaue dankbar auf mein Leben zurück.

      Am Anfang sah es nicht so aus, dass ich das heute so würde sagen können. Geboren als uneheliches Kind, das Gymnasium abgebrochen, stattdessen die Lehre zum Großhandelskaufmann (wie man das damals noch nannte). Mit neunzehn einem Griechen nach Athen gefolgt, dort unter spektakulären Umständen geheiratet. Mit neunundzwanzig - nach mehreren Umwegen - bei Radio Bremen im Fernsehen gelandet. Ich blieb fast vierzig Jahre.

      Den Beginn meiner beruflichen Laufbahn als Realisatorin und Autorin verdanke ich einem glücklichen Umstand und meinen Französisch-Kenntnissen. Nach dem ersten gelungenen Interview, geadelt durch eine Ermutigung des Intendanten Hans Abich, waren meine nächsten ersten Schritte kleine Beiträge im Regionalprogramm über Obdachlose, Migranten und Künstler.

      1971 wurde mein erster fünfundvierzig Minuten-Film gesendet. „Experiment Gesamtschule “, eine Langzeit-Produktion für das dritte Programm von Radio Bremen und dem Norddeutschen Rundfunk über die Bremer Gesamtschule-West. Unbewusst hatte ich mir ein Thema ausgesucht, in dem das Motto „Chancengleichheit für alle“ eine wichtige Rolle spielte. Die abwertende und kränkende Botschaft auf dem Gymnasium „Das kannst du nicht! “ hatte lange Zeit in mir nachgewirkt.

      Für das Erste Programm des Deutschen Fernsehens porträtierte ich über Jahre viele sehr unterschiedliche Frauen. Die meisten haben mich auf verschiedenen Ebenen angesprochen. Zum Beispiel die Arbeiterfrauen aus Erwitte im Film „Keiner schiebt uns weg“, Erika Pluhar, die österreichische Schauspielerin und Sängerin, Hannelore L., die einen Mörder im Knast geheiratet hatte, Erika, eine „trockene“ Alkoholikerin, Marika Rökk, der ungarische Star.

      Mit Ende dreißig begann die Suche nach mir selbst. Kurz vor einer Drehreise nach London brach ich im Kasino von Radio Bremen zusammen. Mein Herz raste, ich hatte Todesangst. Nach kurzem Krankenhausaufenthalt landete ich in einer psychosomatischen Klinik im Tecklenburger Land. Dort forderte mich ein Therapeut auf allen Ebenen heraus. In Gesprächen, in aufreibenden Übungen. Dabei tauchten Bilder aus meiner Vergangenheit auf, die ich jahrelang verdrängt hatte. Ich heulte, brüllte, schlug auf ein Kissen ein. „Weiter“, ermunterte mich der Therapeut. „Lassen Sie alles raus. Das wird Ihnen guttun.“ In einer dieser Stunden stellte er mir einen Eimer hin. Ich kotzte. Kotzte alles raus, was seit Jahren in mir unverarbeitet festsaß und mich hinderte, ich selbst zu sein. Ich blieb sechs Wochen in der Klinik. Danach durchforstete ein Psychologe zwei Jahre mit mir die Stadien meiner Entwicklung. Ich gierte nach mehr und setzte mich manchen fragwürdigen Selbsterfahrungs-Seminaren aus. Lange Zeit fühlte ich mich verunsichert und schutzlos. Es war der bewusste Beginn meiner Selbstfindung.

      Mit vierzig startete ich noch einmal neu durch. Ich holte mein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach, studierte Psychologie an der Universität in Bremen und durchlief parallel dazu eine Fortbildung zur Gestalttherapeutin.

      Mit fünfzig begann ein nächster Abschnitt meiner Entwicklung. Bei meinem Filmporträt „Wenn Körper und Seele streiken“ über die Bremer Professorin Annelie Keil, begegnete ich der Traumforscherin Ortrud Grön. Eine neue Herausforderung. Die folgenden zwanzig Jahre leitete ich Seminare im In- und Ausland als Psychologin und Traumtherapeutin. „Die Legende Rudi Carrell “ war mein letzter erfolgreicher Film für die ARD im Auftrag von Radio Bremen. Ich war siebzig Jahre alt.

      In Abständen von etwa zehn Jahren veränderte sich mein Leben. Deshalb möchte ich noch einmal genauer hinschauen, wie sich mein Weg entwickelt hat. Sieben Wochen habe ich mich auf der griechischen Insel Karpathos in „Klausur“ begeben. Ich bin eingetaucht in meine wechselvolle Vergangenheit - von der Kindheit über meine Jugend, in meine Begegnungen mit vielen interessanten Menschen und deren Schicksalen, darunter viele Prominente. Ich habe meine drei Ehen Revue passieren lassen und stellte beim Schreiben erstaunt fest, wie hautnah manche Erfahrung wieder vor meinem geistigen Auge auftauchte. Im Juni 2020 wurde ich achtzig Jahre alt.

      Heute kann ich sagen, dass alles, was ich durchlebt habe, mir unbewusst geholfen hat, mich stufenweise zu entwickeln. Die karge Schönheit dieser griechischen Insel und die Begegnung mit den Einheimischen, den Flüchtlingen und Zugereisten dort, haben in mir den Wunsch geweckt, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden. Meine Erlebnisse und Gedanken in dieser Zeit, habe ich in einem Reise-Tagebuch festgehalten. Sie sind die zweite Ebene im ersten Teil meines Buches. Die dritte Ebene ist der Versuch einer psychologischen Einordnung in meine Verhaltensweisen.

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