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      Juli Summer

      Diamond Legacy Roman

      Digitale Originalausgabe

      Ein Imprint der Arena Verlag GmbH, Rottendorfer Str. 16, 97074 Würzburg

      Digitale Originalausgabe

      © Arena Verlag GmbH, Würzburg 2020

      Covergestaltung: Arena Verlag GmbH 2020, unter Verwendung von Fotos von © stock.adobe.com, Dublin: PollyW, chekman, tugolukof, Dmytro Sukharevskyi

      Alle Rechte vorbehalten

      E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund

      E-Book ISBN: 978-3-401-84073-4

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       Geliebt zu werden

       macht uns stark.

       Zu lieben

       macht uns mutig.

       -Laozi-

       1

      Ich komme gerade von der Beerdigung eines Mannes, von dem meine Mum sagt, er sei mein Großvater gewesen.

      Noch immer bin ich mir nicht sicher, wie ich mich dabei fühlen soll. Er war ein Fremder für mich und doch fließt sein Blut auch durch meine Adern.

      Ich weiß nicht viel über diesen Teil unserer Familie. Nein, halt, das stimmt so nicht ganz. Eigentlich weiß ich gar nichts darüber. Vielleicht der einzige Grund, weshalb ich diese Reise angetreten habe. Neugier - das beste Mittel gegen eine Mauer des Schweigens.

      Mum hat meinem Drängen nur sehr widerwillig nachgegeben und dem Flug nach New York zugestimmt. Ich frage mich, ob mehr dahintersteckt.

      Wer war dieser Mann? Warum kenne ich ihn nicht? Warum wurde er nie erwähnt? Ob damals etwas vorgefallen ist, worüber Mum nicht reden möchte? Warum sonst hat sie bis jetzt alles darangesetzt, meine Großeltern von mir fernzuhalten? Denn es gibt nicht nur einen mir unbekannten Großvater, es gibt eine dazugehörige Frau. Eine lebendige noch dazu. Der Brief war von ihr gekommen und direkt an mich adressiert. Zufall oder Absicht? Die Antwort interessiert mich, und ich kann es kaum erwarten, Zeit mit meiner Großmutter zu verbringen.

      Eine ganze Schar schwarz gekleideter Menschen bevölkert in diesem Moment ihr Wohnzimmer. Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich mit ihr zu unterhalten. Während der Trauerfeier glitt mein Blick immer wieder zu ihr hinüber. Ich suchte nach Ähnlichkeiten mit meinem Vater, aber auch nach Erinnerungen. Denn es gab eine Zeit in meinem Leben, in der meine Großeltern ein Teil meiner Welt waren. Meine ersten beiden Lebensjahre haben wir im selben Haus gewohnt, zwei weitere Jahre in derselben Stadt. Spätestens seit unserem Umzug nach Berlin sind sie aus meinem Leben verschwunden und bis zu dem Tag, an dem die Einladung (sagt man das in diesem Fall so?) zur Beerdigung ins Haus geflattert kam, wurde die Vergangenheit auch wie eine behandelt.

      Ich bin meiner Mum deshalb nicht böse. Denn die Erinnerungen an damals sind bei ihr mit einer Menge Schmerz verbunden. Das Einzige, was mir geblieben ist, sind Fotos, die mich immer wieder daran erinnern, wie groß das Loch ist, das der Tod meines Vaters und meines Bruders in unser Leben gerissen hat.

      In Gedanken versunken wandere ich durch das Haus. Es ist eines dieser typischen Stadthäuser, die man aus amerikanischen Serien kennt. Eine Steintreppe führt zur Eingangstür. Dahinter befinden sich drei Etagen, die durch eine imposante mahagonifarbene Holztreppe miteinander verbunden sind. Ich gehe die Stufen hinauf in die zweite Etage. Weg von dem Gemurmel der Trauergäste.

      Obwohl ich meine ersten vier Lebensjahre in diesem Land verbracht habe, ist es merkwürdig hier zu sein.

      Vielleicht liegt genau hier das Problem. Wieder an dem Ort zu sein, der eng mit dem Beginn meines Lebens verbunden ist. Der Ort, der mir so fremd ist, dass ich fast verzweifelt nach einem Krümel Erinnerung suche. Ich schlendere über den Flur, fahre mit den Fingern über das lackierte Treppengeländer. Berühre zaghaft die einzelnen Türklinken, als würde ich darauf warten, dass sie mir ihre Geschichte erzählen. Doch das Haus bleibt stumm.

      Entschlossen öffne ich eine der Türen. Es sieht nach einem Arbeitszimmer aus. Ich gehe hinein und sehe mich um. An drei Seiten des Raumes befinden sich Bücherregale. Sie sind vollgestopft bis unter die Decke. Weil Bücher grundsätzlich eine magische Anziehungskraft auf mich ausüben, führen meine Füße ein Eigenleben. Gierig fliegt mein Blick über die verschiedenen Titel. Doch während bei mir Fantasyromane auf den vorderen Plätzen rangieren, scheint es sich hier hauptsächlich um geschichtliche Inhalte zu handeln. Meine Augen bleiben an Buchrücken hängen, die zusätzlich zum Titel mit mir unbekannten Zeichen versehen sind. Eines davon fesselt meine Aufmerksamkeit. Ich nehme es heraus und blättere gedankenverloren darin. Mein Englisch ist ziemlich gut, aber mit Fachbegriffen habe ich so meine Probleme. Ich muss mich konzentrieren. Griechische Mythologie, stelle ich nach einer Weile fest.

      „Wie ich sehe, hast du den Lieblingsort deines Großvaters entdeckt.“

      Ich erschrecke beim Klang der fremden Stimme so sehr, dass mir das Buch aus den Händen gleitet.

      „Entschuldige, ich wollte dir keinen Schreck einjagen. Ich habe nach dir gesucht.“ Evelyn sieht mich mit ernstem Blick an.

      Schon bevor ich hergekommen bin, hatte ich entschieden, meine Großmutter bei ihrem Vornamen zu nennen. Es erscheint mir passender. Großmutter, das klingt fremd in meinen Ohren. Mit diesem Wort verbinde ich Familie, Vertrautheit. So, wie bei den Eltern meiner Mum.

      „Es tut mir leid, ich wollte nicht herumschnüffeln.“

      Schnell bücke ich mich nach dem Buch. Mein Blick fällt auf eine Abbildung. Sie zeigt ein wunderschönes Amulett. Ich bin neugierig, fühle mich unter Evelyns ernstem Blick allerdings ein wenig unwohl. Außerdem will ich nicht unhöflich sein, deshalb klappe ich das Buch zu und lasse es zwischen den anderen Büchern im Regal verschwinden.

      „Du musst dich nicht entschuldigen. Fühl dich ganz wie zu Hause. Früher bist du immer wie ein Wirbelwind durch die Räume geflitzt. Am liebsten hast du mit Aaron verstecken …“ Sie unterbricht sich selbst, als der Name meines Bruders fällt. „Wie dem auch sei. Schau dich nur um. Ich bin sehr froh, dich hier zu haben. Wenn da unten Ruhe eingekehrt ist, haben wir hoffentlich einen Augenblick für uns allein.“ Sie lächelt mich zärtlich an, doch dann legt sich ein Schleier über ihr Gesicht. „Es gibt so vieles, das ich mit dir besprechen muss.“

      Für einen Moment sehen wir uns an. Sie wirkt unschlüssig. Ich folge ihrem Blick. In der Sekunde ballt sie die rechte Hand zur Faust. Darin scheint etwas verborgen. Kurz bevor sich ihre Finger schlossen, habe ich ein Aufblitzen wahrgenommen. Oder habe ich es mir nur eingebildet? Ehe ich sie fragen kann, was sie mir sagen möchte, nickt sie mir zu, und ich bin wieder allein. Merkwürdig.

      Ich schaue mich um. Versuche mir vorzustellen, wie ich mit Aaron durch das Zimmer jage. Stelle mir meinen Großvater vor, wie er währenddessen an seinem Schreibtisch sitzt. Sieht er uns dabei zu? Freut er sich darüber oder fühlt er sich von uns gestört? Ich schließe die Augen und atme tief durch. Es spielt keine Rolle mehr. Inzwischen sind über fünfzehn Jahre vergangen. Weder ihn noch Aaron kann ich danach fragen. Sie sind beide

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