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Studium sei und ob bei ihm und Bettina endlich ein Kind erwartet werde.

      Beide hörten nicht auf die Antworten zu ihren wechselseitigen Fragen, sondern schauten einander ungeduldig an, sodass Paula nicht erfuhr, dass Peter seit Jahren nicht mehr mit Bettina zusammen war, und Peter nicht, dass Paula ihr Studium schon vor zwei Jahren abgebrochen hatte.

      »Warum ich dich um Rat fragen möchte«, sagte Paula, »es ist so: Elke, du weißt, ich bin mit ihr in dieselbe Klasse gegangen und wir sehen uns immer noch einmal im Monat, also Elke hat mir gestern mitgeteilt, dass sie Frank in einem Club getroffen hat.« – »Ja, und? Warum soll dein Mann nicht in einen Club gehen?« – »Na, hör mal, ich rede nicht von einem Raucherclub oder so was, sondern …«, Paula zögerte einen Moment, »von einem Partnerclub.« – »Hm.« Peter fischte in seiner etwas zerdrückten Schachtel nach einer neuen Zigarette. »Das heißt, dein Mann war nicht allein? Aber sonst ließe man ihn ja auch gar nicht hinein, es sei denn, es wäre so eine Art Bordell.«

      »Elke geht doch nicht in ein Bordell. Sie war auch mit jemandem da. Du weißt ja, sie lässt nichts aus, um jeden Verdacht der Prüderie zu bekämpfen. Aber das ist ihre Sache. Mir geht es um Frank. Also, er war mit einer wohl gleichaltrigen Blondine dort. Sie soll gut gebaut gewesen sein. Na, du weißt schon.«

      Peter zog an seiner Zigarette, entschuldigte sich, dass er es unterlassen hatte, Paula auch eine anzubieten, und zündete ihr eine an, die sie sich aus der Schachtel genommen hatte. Das machte er betont langsam und sichtbar reflektiert, um zu zeigen, dass er Paulas Anliegen ernst nahm. Er wollte ihre Frage um Rat nicht vorwegnehmen, sondern auf sie warten. Währenddessen genoss er die entstehende Pause in ihrem Austausch und schaute ihr gezielt auf die Lippen, fixierte dann ihr linkes Auge, sodass sein Blick zwischen Diagnose und Penetration changierte.

      »Hör auf, mich so anzuschauen. Du weißt, dass mich das verunsichert. Das kann ich jetzt am wenigsten gebrauchen, noch mehr Unsicherheit.«

      Peter blickte kurz auf seine leere Schokoladentasse und überlegte, ob er noch eine bestellen sollte.

      Er entschied sich dafür und winkte die Bedienung herbei, ein schwarz-weiß gekleidetes Wesen mit einer leichten Neugier für Geschichten an den Cafétischen.

      »Du hast ja deine Frage noch nicht gestellt«, verteidigte sich Peter, als sie ihm vorwarf, sie mit der Bestellung zu unterbrechen, und fixierte nun ihr rechtes Auge.

      Sie senkte ihren Blick und sagte dann zögernd, sie wolle von ihm wissen, ob das normal sei, vielleicht sei die Blonde ja auch nur eine Prostituierte gewesen, die er für den Besuch mit ihm bezahlt habe, und ob es so etwas gebe. Ob Peter das auch schon mal gemacht habe und was sie seiner Meinung nach nun tun solle. Ignorieren? Zur Rede stellen? Das Gleiche machen mit irgendeinem Mann? – Peter überlegte, wessen Interessen er jetzt wahrnehmen sollte: ihre, die ihres Mannes Frank oder seine eigenen oder eine Mischung aus allem.

      »Meinst du, Frank macht das öfter?«, fragte Paula. »Oder denkst du, er wird das lassen, wenn ich ihn darauf anspreche? Oder würde er mit mir dorthin gehen, wenn ich es ihm anböte? Ich meine, ich würde das machen. Was meinst du denn? Frank ist dein Freund seit eurer Kindheit. Sag, was glaubst du?«

      Peter nahm einen Schluck aus der Schokoladentasse, die ihm die Schwarz-Weiße inzwischen gebracht hatte, mit umständlichen Hantierungen auf den Tisch, um vielleicht ein wenig mitzubekommen von dem, was in dem Gespräch zwischen den beiden vorging.

      Peter stand auf, entschuldigte sich für ein paar Minuten, um die große Halle mit den Tischen zu verlassen. Paula nahm sich noch eine Zigarette aus der Schachtel, die Peter auf dem Tisch hatte liegen lassen, zündete sie mit seinem Feuerzeug an und schaute im Raum umher. Das Café war fast voll. Viele Pärchen, offenbar Schülerinnen aus dem benachbarten Gymnasium mit ihren Freunden und ersten Liebhabern, ein paar ältere Frauen an den Tischen mit Blick auf die Straße, ein Mann mit einer Zeitung, der diese kurz niederlegte, um Paula auf die Beine zu schauen, die sie neben dem Tisch übereinandergeschlagen hatte. Er lächelte in ihr abwesendes Gesicht und verlor schnell das Interesse.

      Peter kam zum Tisch zurück, nahm Platz und antwortete auf ihre eigentlich überflüssige Frage, wo er gewesen sei: »Na, draußen halt.« Er setzte sich gerade hin, schob seine Schokoladentasse ein wenig zurück und begann für eine längere Zeit zu reden.

      »Ich glaube, ich kann deine Fragen nicht beantworten, aber ich möchte dir etwas erzählen, was Frank mir vor ein paar Wochen berichtet hat. Er war wohl irgendwo an der Küste gewesen, geschäftlich, und hatte sich am Abend in dem kleinen Hafen seines Aufenthaltsortes in die Nähe von zwei Anglern gesetzt und ihnen beim Fischen zugesehen. Sie hatten den einen oder anderen Fisch aus dem Wasser gezogen, ein alter Mann und ein jüngerer, sein Sohn vielleicht oder ein Neffe, als die Angel des Jüngeren sich gewaltig nach unten bog. Der junge Mann holte nach ein paar Minuten eines Drills einen vielleicht zwei oder drei Kilo schweren Dorsch aus dem Hafenbecken und landete ihn auf der Uferpromenade. Ein paar Spaziergänger beugten sich neugierig über den Fang, als ein kleines Mädchen, das zu ihnen gehörte, rief: ›Der hat ja einen anderen Fisch im Maul!‹

      Frank scheint dann wohl auch neugierig geworden zu sein, ist die vier, fünf Schritte zu der kleinen Szene gegangen und sieht, wie der jüngere Angler dem Dorsch den Haken aus dem Maul drehte. In diesem Augenblick spuckte der Fisch seine Speise, deren Kopf noch aus seinem Schlund geschaut hatte, auf die Steine. Man konnte sehen, dass der Hering, den er geschluckt hatte, bis auf den Kopf bereits verdaut war. Auf der fleischlosen Gräte steckte nur der unversehrte Fischkopf. Der junge Angler schien verblüfft, während die Umstehenden noch einige Äußerungen des Ekels von sich gaben, und er fragte seinen alten Gefährten, wie das möglich sein könne. Der alte Mann meinte, es komme öfter vor, dass man Fische fange, die irgendwo in ihrem Organismus einen anderen Fisch enthielten, und dass auch Fische keine Seltenheit seien, die sich hinsichtlich der Größe ihrer Opfer verschätzten und deshalb mit dem Opferfisch im Maul ein paar Stunden herumschwömmen, bis die Verdauungssäfte ihr Werk getan hätten, sodass auch der Rest hinuntergewürgt werden könne.

      Frank muss von diesem Anblick fasziniert gewesen sein und von dem, was der alte Mann erzählte.«

      »Wieso?«, unterbrach Paula die Erzählung ihres Gesprächspartners, weswegen dieser sie missbilligend musterte. »Nicht von dem ekelhaften Anblick und dem Gedanken, dass der Opferfisch einen langen Todeskampf hinter sich hatte«, sagte Peter, »sondern davon, dass dieser gierige Dorsch mit dem Hering im Maul schon nach dem nächsten Opfer geschnappt hatte, zu seinem Pech nach dem Köder an der Angel des jungen Mannes.«

      »Das verstehe ich nicht. Warum erzählst du mir diese Geschichte? Was hat das mit Frank zu tun und seinen Eskapaden?« Paula schien verärgert.

      »Nun warte doch«, sagte Peter, »wie die Geschichte, die schließlich Frank selbst mir erzählt hat, zu Ende geht. Also, Frank hat die Geschichte genau dort beendet, wo du mich unterbrochen hast. Ich habe ihn gefragt, wie dann alles weitergegangen sei und warum er mir dieses kleine Ereignis berichte.

      ›Weißt du‹, so hat Frank mir gesagt, ›die Angelgeschichte ereignete sich in der Nähe einer Brücke, die zweimal am Tag hochgezogen wird, um größeren Booten mit hohen Masten die Möglichkeit zu geben, aus dem Fluss durch den Hafen ins Meer zu fahren. Alle Verkehrsteilnehmer müssen dann warten, bis die Brücke wieder unten ist. Das war auch an diesem Abend so, und ich schaute auf die sich hebende Brücke und auf die Wartenden davor. Eine etwa dreißigjährige blonde Frau, vielleicht aus der Gegend, mit einer Einkaufstüte stand davor, und ich stellte mich zu den Wartenden, weil ich auf die andere Seite des Flusses musste zu meinem Hotel, das links hinter der Brücke lag. Dort wartete jemand auf mich.‹ Und er machte ein vielsagendes Gesicht dabei. ›Weißt du, Peter‹, sagte er, ›ich bin, als die Brücke wieder unten war, nach rechts gegangen.‹ Ich muss ihn etwas verständnislos angeschaut haben, sodass er dann sagte: ›Na, dorthin, wohin auch die Blonde ging.‹ Mein Blick veranlasste ihn, zu ergänzen: ›Ich habe noch über die Schulter zurück zu den Anglern geschaut und gesehen, wie der alte Mann mit einem Holzknüppel den Kopf des Dorsches zerschmetterte.‹«

      Peter hatte die letzten Sätze gesprochen und dabei auf den Tisch geschaut, den die Kellnerin umständlich abräumte. Als er seinen Blick wieder hob, sah er in das verstörte

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