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Passanten zu fragen, in der Hoffnung, dass diese wissen, welches Gebäude ich meine. Auf den Moment, in italienischer Sprache nach dem Weg fragen zu müssen, habe ich schon gewartet. Offenbar meistere ich es erfolgreich: Ein älterer Herr zeigt mit dem Finger auf den Innenhof, vor dessen Tor wir stehen. Dies sei die Hinterseite des Palazzos, meint er, und ich bräuchte nur über den Schotterplatz dieses Innenhofs zu gehen, dann schon befände mich am großen Eingangstor. Ich bedanke mich und muss mich dazu zwingen, nicht laut über meine Stumpfsinnigkeit loszulachen – immerhin bin ich gefühlt fünfmal hier vorbeigelaufen, ohne auf die Idee zu kommen, dass ich mich an der Rückseite des Hauses befinden könnte. Tatsächlich stehe ich nach einer Minute am großen Torbogen, der auf eine Straße in die Fußgängerzone hinausführt. Hier kann ich das Teufelshaus von vorne betrachten. Es stellt sich das ein, was oftmals vorkommt, wenn man hohe Erwartungen hat: große Enttäuschung. Der Palazzo ist zwar nicht hässlich, aber schrecklich unspektakulär – ein großes Haus ohne viel Firlefanz. Einzig die geschnitzten Teufelsfratzen am großen Holztor des Portals sind faszinierend bedrohlich.

      Desillusioniert und Goethe leise verfluchend setze ich meinen Regenspaziergang fort. Was ich in der nächsten Stunde an schönen Gebäuden zu sehen bekomme, entschädigt mich aber ordentlich für die Enttäuschung zuvor. Ich staune nicht schlecht, als ich das Castello sehe, und der Palazzo Thun duelliert sich mit dem gegenüberliegenden Palazzo Alberti Colico wohl um die schönste Fassade der Stadt. Ich entdecke Häuser, die an Verona erinnern, kleine Galerien, wie man sie aus Mailand kennt, und Eingangsportale, die sich mit jenen prachtvollen Exemplaren in Rom allemal messen können.

      Dann wird mir der Regen doch zu viel, denn es nieselt nicht mehr, es schüttet. Da meine Unterkunft glücklicherweise über eine Küche verfügt, kaufe ich im Supermarkt ein paar Lebensmittel und beeile mich, schleunigst heimzukommen. Die Wohnung, in der ich untergebracht bin, besitzt neben der Küche, dem Bad und meinem Zimmer noch zwei weitere Räume. In einem davon schläft eine junge Frau, im anderen drei halberwachsene Burschen. Doch WGStimmung will nicht so recht aufkommen, denn bis auf „Buona sera“ werden keine Worte gewechselt. Also sitze ich alleine am Esstisch, verspeise meine Pasta mit Gemüse und bin insgeheim ein wenig enttäuscht darüber, dass sich keine Konversation ergeben hat – schließlich will ich ja endlich meine Italienischkenntnisse austesten. Aber gut, das muss offenbar noch etwas warten.

      Rovereto

       „Wenn mein Entzücken hierüber jemand vernähme, der im Süden wohnte, von Süden herkäme, er würde mich für sehr kindisch halten.“

      Endlich kommt wieder die Sonne zum Vorschein und so spaziere ich bei für Ende März recht angenehmen Temperaturen zum Bahnhof. Ich löse ein Ticket nach Rovereto und fahre wieder ein Stückchen weiter in den Süden. Allein der Gedanke daran, dass es nun stetig wärmer wird – zum einen wegen des hereinbrechenden Frühlings, zum anderen wegen meiner Route südwärts – zaubert mir ein fettes Grinsen ins Gesicht. Ich kann dem Winter bei uns kaum etwas abgewinnen. Vielleicht liegt es daran, dass mein Melatoninspiegel sehr empfindlich auf Licht und Dunkelheit reagiert oder weil mir einfach sehr schnell kalt ist. Sobald die Temperaturen auf über fünfzehn Grad Celsius steigen und die Sonne vom Himmel lacht, ist mein Tag schon gerettet. Hier also kann ich mit Zuversicht nach vorne blicken.

      Ich steige in Rovereto, dieser kleinen Stadt zwischen der Etsch und dem Flüsschen Torrente Leno, aus und mir sticht bald ein unglaublich tolles Gebäude ins Auge: die Sparkasse. Diese ist nämlich in einem beeindruckenden Palazzo untergebracht, dessen Fassade und Arkadengänge wunderschön bemalt sind. Ganz klar ist mir nicht, wieso hier eine Bank und nicht etwa ein Museum oder Theater seinen Sitz hat. Aber gut, irgendwie hat es ja auch etwas, dass man sich an Architektur und Kunst erfreuen kann, während man schnell mal sein Sparbuch plündert.

      Langsam trotte ich weiter ins Zentrum der Stadt. Wie schon in Sterzing, Brixen, Bozen und Trient entdecke ich hier viele hübsche Häuser, pittoreske Gässchen und interessante Bauwerke. Mir kommt es mittlerweile so vor, als ob ganz Südtirol-Trentino vom gleichen Architekten und denselben Künstlern gestaltet wurde. Wobei, ganz stimmt das nicht, denn wenn man Rovereto mit Sterzing vergleicht, bemerkt man doch einen Wandel vom Tiroler Erscheinungsbild hin zu einem, das Verona gleicht. Es ist jedoch augenscheinlich, dass man in dieser norditalienischen Gegend zwischen Österreich und dem Gardasee viel Wert auf kunstvoll verzierte Wohnhäuser legt.

      Ich quäle mich mit meinem schweren Rucksack den Hügel hinauf zum Castello, das anmutig über der Stadt thront. Das Museum in der Burg lasse ich zwar aus, weil ich mit meinem Geld sparsam haushalten muss, doch ich gehe noch ein Stückchen zwischen dem Weingarten und der Burgmauer bergauf. Von dort oben habe ich nämlich einen tollen Ausblick auf das Etschtal und so lasse ich meinen Blick über die weite Landschaft schweifen. Es ist nun aber an der Zeit, mich auf den Weg zur Bushaltestelle zu machen und nach Torbole weiterzureisen, wo ich die heutige Nacht verbringen werde.

      Mir ist klar, dass ich mich mit dem Abschied aus Südtirol auch die deutsche Sprache hinter mir lasse. Ich muss an Goethe denken, der diesen Sprachwechsel in seinem Buch mit den Worten„Wie froh bin ich, daß nunmehr die geliebte Sprache lebendig, die Sprache des Gebrauchs wird!“ thematisierte. Mir geht es da eigentlich ganz gleich, denn es gibt für mich keinen schöneren Klang als die italienische Sprache. Und auch wenn ich noch etwas zurückhaltend bin, so versuche ich bereits hier im Trentino, so viel wie möglich italienisch zu sprechen. Ich frage nach dem Weg zum Busbahnhof und spreche auch mit dem Ticketverkäufer nur in seiner Landessprache.

      Umso überraschter bin ich, als mich ein älterer Mann auf Deutsch anredet, während wir auf den Bus warten. Er lebe zwar in Arco, erklärt er mir, sei aber südtirolerischen Ursprungs. Im Bus setzt er sich neben mich und ich versuche mich trotz seiner deutlich wahrnehmbaren Alkoholfahne zu Mittag höflich und interessiert zu zeigen. Seine rassistischen Äußerungen kommentiere ich zwar freundlich mit Gegenargumenten, aber da mir klar ist, dass ich ihn nicht in einer zwanzigminütigen Busfahrt von einer differenzierten politischen Sichtweise überzeugen werde können, belasse ich es bei: „Ach wissen Sie, ich bin da ganz anderer Meinung“. Ich bin ihm trotzdem dankbar, dass er neben mir sitzt, denn sonst hätte ich vielleicht nicht mitbekommen, dass ich an einer Haltestelle in Nago den Bus wechseln muss. Der Buschauffeur schreit das zwar durch den Gang, aber für Nuscheln gepaart mit Dialekt reichen meine Italienischkenntnisse leider nicht aus. Der alte Mann weiß, dass ich nach Torbole will, übersetzt den Ruf vom Buschauffeur und weist ihn gleichzeitig an, noch kurz auf mich zu warten. Ich verabschiede mich von meiner kurzen Bekanntschaft und muss im nächsten Bus noch über diese seltsame, aber interessante Begegnung lachen.

      Torbole

       „Wenn man hinabkommt, liegt ein Örtchen am nördlichen Ende des Sees und ist ein kleiner Hafen oder vielmehr Anfahrt daselbst, es heißt Torbole. Die Feigenbäume hatten mich schon den Weg herauf häufig begleitet, und indem ich in das Felsenamphitheater hinabstieg, fand ich die ersten Ölbäume voll Oliven.“

      Die Busfahrt nach Torbole ist kurz, aber spektakulär. Wäre ich Autorin eines Reiseführers für den Gardasee, würde ich vermerken, dass es sich auszahlt, mit dem Bus nach Nago hinauf und von dort wieder hinunter zu fahren. Man kann so nämlich nicht nur die Aussicht auf den See bewundern, ohne sich auf das Selberfahren konzentrieren zu müssen; es ist ein wahres Erlebnis, wenn sich der Bus gekonnt die enge Haarnadelkurve hinunterschlängelt, während man hinten auf den Sitzen das Gefühl hat, dass er gleich durch die Leitplanke kracht und den Abgrund hinuntersaust.

      Natürlich bringt mich der Buschauffeur sicher an das Wunschziel und ich begebe mich gleich ins Hotel. Das soll tatsächlich das einzige Mal auf dieser Reise sein, dass ich in einer Unterkunft übernachte, für welche die Bezeichnung „Hotel“ passt, auch wenn es sich als B&B deklariert. Jedenfalls werde ich nicht nur herzlich begrüßt, sondern bekomme auch für mein holpriges Italienisch, das ich zwar schlecht, aber mit Freude spreche, von der netten Besitzerin der Unterkunft großartigen Zuspruch: „Complimenti, parli bene!“. Das ist Balsam für die Seele! Natürlich ist mir klar, dass meine Sprachkenntnisse alles andere als rühmlich sind, doch allein den Willen und das Bemühen meinerseits, ihre Muttersprache zu sprechen, honoriert sie freundlichst.

      Nach einer netten, kurzen Konversation treibt es mich aber schon wieder hinaus. Ich will unbedingt

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