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die Erfahrung erkannt werden“ (EHU‚ S. 87)‚ und stellt fest: „Ohne den Einfluss der Gewohnheit würden wir schlechterdings nichts von all solchen Tatsachen wissen‚ die jenseits dessen liegen‚ was Gedächtnis und Sinnen unmittelbar gegenwärtig ist. Wir würden niemals Mittel den Zwecken anzupassen wissen oder es verstehen‚ unsere natürlichen Kräfte zur Erzeugung einer Wirkung zu gebrauchen.“ (EHU‚ S. 125f..) Die Tatsachen hinter den Sinneseindrücken sind die Verknüpfungen‚ also die Ursachen mit ihren Wirkungen‚ deren vermutete Kenntnis uns hilft‚ unsere Kräfte zur Erzeugung von Wirkungen zu gebrauchen. Die Liste solcher Belege für Humes realistischen Glauben an eine kausalgesetzlich geordnete Welt und an die pragmatische Fähigkeit des Menschen‚ sich in ihr zurechtzufinden‚ ließe sich beliebig verlängern.

      Mit der eingeborenen Anlage‚ auch ohne die Gewähr letzter Beweise Erfahrungen zu nutzen‚ sieht Hume den Menschen durchaus gut gerüstet‚ sein Leben zu bewältigen und zu gestalten. Obwohl Hume noch nichts von Mutation und Selektion wusste‚ hat er hier wie an vielen anderen Stellen einen der Grundgedanken der erst viel später entwickelten Evolutionären Erkenntnistheorie hellsichtig vorweggenommen‚ nämlich dass sich die Intuitionen und oft reflexartigen Reaktionsweisen lebendiger Wesen in Wechselwirkung mit der tatsächlichen Regelhaftigkeit der Welt entwickelt haben. Entsprechende Verhaltensmuster sah auch Hume als Spiegelbild von Kausalverhältnissen. Zwei Zitate mögen das veranschaulichen. „Nachdem man bemerkt hat‚ dass in vielen Fällen zwei Arten von Gegenständen - Feuer und Hitze‚ Schnee und Kälte - immer in Verbindung standen‚ wird der Geist‚ wenn Feuer oder Schnee sich erneut den Sinnen darbieten‚ aus Gewohnheit dazu gebracht‚ Hitze oder Kälte zu erwarten und überzeugt zu sein‚ dass es eine derartige Qualität gibt … Diese Überzeugung ist das notwendige Resultat‚ wenn man den Geist in solche Umstände versetzt. Sie ist ein seelischer Vorgang‚ der in dieser Lage unvermeidlich ist wie das Gefühl der Liebe‚ wenn wir Wohltaten empfangen‚ oder des Hasses‚ wenn uns Unrecht widerfährt. Alle diese Operationen sind eine Art natürlicher Instinkte‚ die kein Schlussfolgern und kein Denk- oder Verstandesprozess jemals hervorzubringen oder zu verhindern vermag.“ (EHU‚ S. 131.) Und noch markanter: „Mögen auch die Instinkte verschieden sein‚ so ist es dennoch ein Instinkt‚ der einen Menschen lehrt‚ das Feuer zu meiden‚ ebenso wie der‚ welcher einen Vogel mit solcher Genauigkeit die Fertigkeit des Brütens und die ganze Einrichtung und Ordnung der Brutpflege lehrt.“ (EHU‚ S. 277.)

      In diesem praktischen und pragmatischen Sinne irrt Russell‚ wenn er sagt‚ Humes Skeptizismus beruhe darauf‚ dass Prinzip der Induktion abzulehnen. Hume hatte nur einen einzigen‚ allerdings erkenntnistheoretisch grundstürzenden Einwand gegen das Prinzip der Induktion: Es ist ein ungültiges Schlussverfahren‚ wenn es darum geht‚ zu sicher wahren Erkenntnissen kommen zu wollen. Andererseits sieht er es geradezu als die Lösung des skeptischen Zweifels an‚ dass die Menschen wiederholte gleichartige Erfahrungen intuitiv und gewohnheitsmäßig im Sinne allgemeingültiger Regelhaftigkeit‚ also im Sinne von Kausalität interpretieren.72 Das ist praktizierte Induktion und sollte niemanden‚ auch Russell nicht sagen lassen dürfen‚ ohne Antwort auf Humes (erkenntnistheoretische) Ablehnung der Induktion sei „zwischen geistiger Gesundheit und Geisteskrankheit kein(en) Unterschied“ auszumachen. Und es gibt auch keinen Grund‚ wie Russell zu meinen‚ in Humes Philosophie käme „der Bankrott der Vernünftigkeit des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck“73. Ist nicht das Gegenteil richtig? Hume hat die scheinbare Vernünftigkeit nicht nur des 18. Jahrhunderts entlarvt und die Erkenntnistheoretiker aufgefordert‚ ja eigentlich genötigt‚ eine radikal neue‚ nämlich realistische und in diesem Sinne vernünftige Perspektive einzunehmen.

      Angesichts des hier noch einmal gebündelt vorgetragenen Humeschen Realismus sind insbesondere die Einschätzungen Husserls vollkommen unverständlich. Wie kann einem Philosophen‚ der nachweislich fest an eine real existierende und kausalgesetzlich geordnete Welt glaubte und nicht über seine eigenen Wahrnehmungen‚ sondern über die Wahrnehmungen des Menschen an sich nachgedacht hat - wie kann einem solchen Philosophen Solipsismus nachgesagt werden‚ die abenteuerliche philosophische Idee‚ nur das eigene Ich sei existent‚ alles andere Fiktion? Wie kann ein Skeptizismus‚ der darin bestand‚ die sichere Erkennbarkeit der Welt wohlbegründet abzustreiten‚ irrational und widersinnig genannt werden?

      Die ebenso heftigen wie verständnislosen Reaktionen auf Hume scheinen - so wenig argumentativ begründet‚ wie sie sind - eher auf das psychologische Motiv der Verdrängung hinzuweisen und mögen darauf zurückzuführen sein‚ dass Humes Perspektive den Philosophen ihr gedankliches Spielfeld der reinen Spekulation so stark einschränkte und ihnen überhaupt Anlass gab‚ über ihren wichtigsten Antrieb‚ die Idee einer zweifelsfreien Erkennbarkeit von Wahrheit‚ kritisch - auch im Sinne von selbstkritisch - nachzudenken. Möglicherweise liefert für diese Vermutung Husserl selbst den besten Beleg. Er schreibt: „War hier trotz des Widersinnes … nicht eine unausweichliche Wahrheit fühlbar; zeigte sich hier nicht eine völlig neue Art an‚ die Objektivität der Welt und ihren ganzen Seinssinn und korrelativ den der objektiven Wissenschaften zu beurteilen‚ die nicht dessen eigenes Recht‚ wohl aber ihren philosophischen‚ ihren metaphysischen Anspruch angriff: den einer absoluten Wahrheit?“74

      Umso mehr ehrt es Kant‚ schon ungefähr 150 Jahre früher bekannt zu haben‚ durch Hume in seinen traditionellen metaphysischen Spekulationen erschüttert worden zu sein. Seine Kritik der reinen Vernunft war ein Versuch‚ die Erkenntnistheorie aus einer für ihn neuen und ernüchternden Lage zu befreien‚ ohne sie in das Reich der reinen Vernunft zurückzuführen. Leider haben sich viele Philosophen nach ihm mit Humes Angriff auf die alte Metaphysik gar nicht erst ernsthaft auseinandergesetzt und sind umstandslos bei ihren reinen Spekulationen und ihren in Frage gestellten Zielen geblieben. Die „tiefen Gedanken“ haben offenbar eine unauslöschliche Verführungskraft‚ und zwar gleichermaßen für diejenigen‚ die sich die „tiefen Gedanken“ machen‚ wie für die anderen‚ die sich ihnen anschließen.

      Hume hat seinen Zweifel daran‚ die Zusammenhänge von Ursachen und Wirkungen in den Prozessen der wirklichen Welt sicher erkennen zu können‚ überzeugend begründet. Das ist der Kern seiner Erkenntnistheorie. Eine „Lösung“ dieses Zweifels sieht er in der Neigung der Menschen‚ erkannte Prozessregelmäßigkeiten dennoch im Sinne von Kausalzusammenhängen zu interpretieren - um es noch einmal Hume selber sagen zu lassen: Die „Lösung“ liegt in einer „Art prästabilierter Harmonie zwischen dem Lauf der Natur und der Abfolge unserer Ideen“. In dieser glücklichen Veranlagung sah er natürlich keine Lösung des erkenntnistheoretischen Problems als solchem‚ sondern nur einen lebensnotwendigen praktischen Umgang mit einem an sich theoretisch unlösbaren Problem. Als Handelnder erklärte sich Hume damit „völlig zufrieden“‚ wenn auch nicht als Philosoph mit einigem Wissensdrang. (EHU‚ S. 109.)

       (3) Zu einer Präzisierung Humescher Kausalvorstellungen

      Im Detail kann und muss man allerdings auch diesen nützlichen praktischen Umgang seinerseits wiederum erkenntnistheoretisch beurteilen.75 Hume nennt zwei Definitionen für „Ursache“. Erstens definiert er eine Ursache als „einen Gegenstand‚ dem ein anderer folgt‚ wobei alle Gegenstände‚ die dem ersten ähnlich sind‚ solche‚ die dem zweiten ähnlich sind‚ zur Folge haben. Oder …mit anderen Worten: wobei‚ wenn der erste Gegenstand nicht existiert hätte‚ auch der zweite niemals existiert hätte.“ Zweitens nennt er Ursache einen Gegenstand‚ „dem ein anderer folgt und dessen Erscheinen stets das Denken zu jenem anderen hinführt.“ (EHU‚ S. 203.) Diese Definitionen sind aus erkenntnistheoretischer Sicht kritisch zu betrachten. Die zweite unterscheidet sich mit der Formulierung „Gegenstand‚ dem ein anderer folgt“ nicht von der ersten; und dass dieses Phänomen gedanklich vorweggenommen wird („das Denken … hinführt“) kann nicht Aspekt der Ursache selber sein‚ sondern beschreibt nur die Praxis‚ etwas für die Ursache zu halten. Währenddessen verschleiern die beiden offensichtlich von Hume für synonym gehaltenen Versionen der ersten Definition einen sachlichen Unterschied‚ der erkenntnistheoretisch von großer Bedeutung ist. Es gibt nämlich reine Ereignisfolgen‚ solche‚ die nicht durch das Band der Kausalität verknüpft sind. Streminger

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