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Der rosa Wolkenbruch. Dorothea Böhmer
Читать онлайн.Название Der rosa Wolkenbruch
Год выпуска 0
isbn 9783749732678
Автор произведения Dorothea Böhmer
Жанр Биографии и Мемуары
Издательство Readbox publishing GmbH
Julie nickte. „Was machst du heute Abend?“ Sie wollte so gerne bei ihm sein.
„Ich gehe ins Kino.“
Julie nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Kann ich mitgehen?“
Christian zögerte. „Nein, ich möchte alleine sein.“
Er verließ ihr Zimmer. Wie oft hatte sie sich gewünscht, dass er klar Stellung beziehen sollte. Jetzt konnte er es von einem Tag auf den anderen.
***
Wieso kam Pamela? Julie ärgerte sich. Sie konnte Christians Cousine nicht leiden. Gerade mit ihr wollte Julie überhaupt nicht sprechen. Abgesehen davon war sie sich sicher, dass Pamela vor allem vorbeischaute, um Wäsche zu waschen und nicht um mit ihr zu reden. Pamela war etwas älter als Julie und hatte sie gleich beim ersten gemeinsamen Treffen, als Christian sie beide einander vorstellte, auf die Seite genommen.
„Weißt du, Christian ist nett, ein richtig guter Kerl, aber er ist zu weich für einen Mann. Ich stehe eher auf Machos.“ Die Machos auf die sie stand, waren verheiratete Männer oder sehr junge Männer, die Erfahrungen sammeln wollten. Pamela schlitterte von einer Affäre in die nächste. Doch kaum hatte Pamela erfahren, dass Julie und Christian heiraten wollten, gab sie eine neue Version zum Besten: „Christian war schon immer mein Traummann. Wenn wir nicht so nahe verwandt wären, hätte ich ihn geheiratet.“ Julie spürte Pamelas Eifersucht, merkte aber, dass sie auch selber eifersüchtig wurde, obwohl sie wusste, dass Christian ihr dafür keinen Anlass gab. Pamela drängte sich penetrant und permanent in ihr Leben. Wie oft war sie bei Julie und Christian „auf einen Sprung“ vorbeigekommen, um sich unter fadenscheinigen Gründen irgendetwas von Julie auszuleihen. Einmal die neue schwarze Ledertasche, ihre wäre kaputt gegangen, ein andermal den neuen Mantel, ihrer sei in der Reinigung. Das Futter der Ledertasche war danach ruiniert, weil Pamela Pflaumen hineingeschüttet hatte, und am Mantel waren Knöpfe abgerissen. Christian hielt alles für unglückliche Zufälle.
Julie bemühte sich, nicht an den bevorstehenden Besuch Pamelas zu denken, sie hatte genug Probleme am Hals. Es war jetzt wichtig, schnellstens einen Termin mit einem Psychotherapeuten zu vereinbaren. Obwohl Julie lieber eine Therapeutin aufgesucht hätte, hatte sie beschlossen, einen Mann auszuwählen. Sie glaubte, es sei für Christian einfacher, mit einem Geschlechtsgenossen über alles zu reden, da er sich ja gerade von einer Frau, von seiner Frau, von ihr, lösen wollte.
Sie telefonierte die Liste ab und erhielt für einen kurzfristigen Termin Absage über Absage. So schwer hatte sie sich die Suche nicht vorgestellt. Sämtliche Therapeuten hatten Wartezeiten von mehreren Wochen oder Monaten. Nein, sie durfte sich nicht entmutigen lassen, sie musste jemanden finden, der in den nächsten Tagen einen Termin frei hatte. Kurzentschlossen griff Julie zum Branchenbuch, suchte bei den Psychologen die Sparte Ehetherapie und fing bei A an. Nach ungefähr 30 Anrufen hatte sie Glück. Herwig Blicker war nicht nur selbst am Telefon, sondern hatte auch freie Termine. Übermorgen um 15.00 Uhr. Julie atmete durch.
14
Pamela war bester Laune. Als Julie die Tür öffnete, rauschte sie an ihr vorbei, ließ ihre Sporttasche mit der Schmutzwäsche im Flur fallen, warf die Jacke auf die Garderobe und ging schnurstracks in die Küche. „Stell dir vor, wenn ich getroffen habe … willst du auch einen Tee?“
Julie hatte noch die Türklinke in der Hand. Es war wie immer. Kaum hatte Pamela die Schwelle überschritten, ergriff sie von der Wohnung Besitz. Bühnenreif, einfach bühnenreif, dachte Julie. Es interessierte Julie überhaupt nicht, wen Pamela getroffen hatte, und Pamela war es egal, was Julie interessierte. Sie erzählte von einer Person, die Julie nicht kannte, hantierte mit dem Wasserkessel und nahm Tee aus dem Schrank. „Ich mach mal eine ganze Kanne. Kannst du inzwischen die Wäsche in die Waschmaschine stopfen?“
„Nein, ich muss den Leuchttisch ausschalten, es liegen noch Bilder drauf.“ Das war nicht wirklich wichtig, aber Julie hatte keine Lust, sich von Pamela zur Dienstbotin abkanzeln zu lassen und schon gar nicht in ihrer eigenen Wohnung. Das war ein Fehler. Pamela stopfte nun selbst ihre Wäsche in die Waschmaschine im Bad, streute dabei Julies Waschpulver über den gesamten Fußboden, zog sich anschließend mit Julies Lippenstift den Mund nach, warf die Puderdose vom Waschbeckenrand und fand sich wieder in der Küche ein. Dort war Julie dabei, den Tee aufzugießen.
„Der Deckel von deiner Puderdose hat einen Sprung. Sie ist hinuntergefallen. Aber sie ist ja nicht besonders wertvoll. Nun erzähl mal, was mit euch los ist.“ Pamela versuchte ihrer Stimme einen mitleidigen Klang zu geben, sah Julie aber hämisch an.
„Du weißt doch alles von Christian“, Julie musste sich überwinden, mit ihr zu reden. Am liebsten hätte sie Pamela aus der Wohnung geworfen. Sie hatte nur Kontakt zu ihr, weil sie Christian wichtig war. Im Prinzip hatten sich die beiden Frauen nichts zu sagen. Seit zwei Jahren lebte Pamela nun in der Großstadt und kreuzte regelmäßig auf. Julie hatte von Anfang an das Gefühl, Pamela würde sich am liebsten bei ihnen einnisten und unterstellte ihr, sich absichtlich keine Waschmaschine zu kaufen, um jederzeit vorbeikommen zu können. Soll sie doch in einen Waschsalon gehen. Julie dachte an ihre Hochzeit. Damals wohnte Pamela noch in einem anderen Ort und hatte keine Zeit gefunden zu kommen, rief aber fast stündlich im Gasthaus an und holte Christian von den Festgästen weg. Völlig unerwartet tauchte sie einige Wochen nach der Hochzeit auf, um für mehrere Tage zu bleiben. Julie hatte versucht, sie zu mögen. Es ging nicht.
***
Pamela war an dem Tag anwesend gewesen, an dem Christian Julie eröffnete, dass er schwul leben wolle. Sie waren zu dritt einkaufen. Julie war aggressiv und schlecht gelaunt, weil Pamela sich bei Christian eingehakt hatte und Julie sich wie das fünfte Rad am Wagen fühlte. Sie verließ Christian und Pamela, um am Markt Gemüse zu kaufen. Als sich Christian und Julie zwei Stunden später zu Hause trafen, eröffnete ihr Christian, dass er es nicht mehr aushielte und sich auf einen Mann einlassen müsse. Im ersten Moment dachte Julie, Pamela hätte es endlich geschafft. Wenn nicht sie als Frau, dann keine Frau. Bildete sich Julie alles ein? Doch warum wollte sich Pamela immer Kleidung von Julie ausleihen? Warum passte sie nicht auf und beschädigte Julies Sachen? Und obwohl sie wusste, dass Julie zu Hause arbeitete und Ruhe brauchte, kam sie vorbei wann immer es ihr passte, mit der Ausrede auf die Toilette zu müssen. Andererseits vergaß Pamela Verabredungen und machte Zeitpläne zunichte, wenn ihr selbst irgendetwas dazwischen kam, das ihr wichtiger erschien als ein Treffen mit Christian.
***
„Weißt du, Julie, ich lande immer bei den falschen Männern, weil Christian mein Traummann ist.“
Von wegen Pamela wollte mir ihr sprechen. Pamela wollte wie immer über sich reden. Julie nahm sich zusammen:
„Hat er mit dir über seine homosexuellen Neigungen gesprochen?“
„Ja. Aber natürlich glaube ich ihm das nicht. Ich kenne ihn viel länger als du. Das Problem liegt ganz woanders.“ Überlegen räkelte sie sich im Stuhl.
„Wo liegt es deiner Meinung nach?“
Um Julie auf die Folter zu spannen, wartete Pamela einige Sekunden mit ihrer Antwort. Dann sah sie Julie ruhig in die Augen: „Dass du viel zu stark für ihn bist, viel zu dominant. Deshalb tut Christian so, als wäre er schwul.“ Julie verspürte unglaubliche Lust, Pamela den heißen Tee ins Gesicht zu schütten. Viele hielten Julie nach außen für die Stärkere in dieser Beziehung. Christian war aber genauso stark, nur in anderen Punkten. Aber darüber wollte sie nicht reden, nicht mit Pamela. Sie brauchte sich vor niemandem zu rechtfertigen.
„Hat Christian das gesagt?“
„Christian? Neiiiin“, sie zog das Nein in die Länge. „Er würde das nie zugeben. Aber ich weiß, dass es so ist.“
Wie siegessicher sie aussah.
„Es warst du, die mir erzählt hat, dass er sich schon mit sieben Jahren zu Fasching als Krankenschwester verkleidet hatte und sich nicht darum scherte, dass ihn andere Jungs verlachten.“
„Ach,