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      Gerhard Henschel

      Sieben Martin-Schlosser-Romane in einem Band

      Kindheitsroman – Jugendroman – Liebesroman – Abenteuerroman – Bildungsroman – Künstlerroman – Arbeiterroman

      Hoffmann und Campe

      Kindheitsroman

      (© Disney)

      Walt Disneys Lustige Taschenbücher Nr. 9: »Micky ist der Größte«

      Licht ausmachen, Handflächen neben die Augen legen und durchs Fenster schräg nach oben kucken, in den fallenden Schnee: Dann hatte man das Gefühl, man würde fliegen, zwischen den Schneeflocken durch.

      Das hatte Renate mir beigebracht.

      Ich und du, Müllers Kuh.

      Renate hatte vorne einen braunen Leberfleck am Hals. Daran war sie immer zu erkennen.

      Da war ein Weg, wo Mama sich mit anderen Müttern unterhielt, die auch alle Kinderkarren dabeihatten. Die Sonne schien, und über eine Mauer hingen Zweige runter mit roten Beeren.

      Ich hatte Krümel aus dem Graubrot im Netz gepult. Wegen dem Loch im Brot kriegte ich zuhause keine Bombongs.

      Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast.

      Meins war das Lätzchen mit den Marienkäfern. Ein Löffel für Oma, ein Löffel für Opa, bis unten im Teller die schwarzen körnerpickenden Hühner auftauchten. Mein Löffelstiel war zur Seite gebogen.

      Ein Löffel für Martin. Das war ich selbst. Martin Schlosser.

      »Nicht träumen!«

      Nach dem Essen leckte Mama einen Lätzchenzipfel an und wischte mir damit den Mund ab.

      Bim, bam, beier, die Katz mag keine Eier.

      Volker hatte Murmeln mit farbigen verdrehten Schlieren innendrin.

      Wenn Papa gute Laune hatte, ließ er mich kopfüber an der Decke langspazieren oder kitzelte mich durch: »Prr-prr-prr-prr-prr!«

      Papa roch nach Pfeife, und ihm wuchsen graue Haare aus der Nase.

      Auf Papas Knien: So fahren die Damen, so fahren die Damen – so reiten die Herren, so reiten die Herren – und so reitet der Bauersmann, der nicht besser reiten kann. Da fiel ich immer fast runter.

      Leute, die uns besuchten, kriegten vom Wohnzimmer aus die Festung Ehrenbreitstein gezeigt und die Striche an der Kinderzimmertür: wie groß ich wann gewesen war.

      Die Jalousie war grün.

      Bei der roten Autokiste im Kinderzimmer war das Lenkrad ab.

      Im Doppelstockbett durfte Volker oben schlafen, weil er drei Jahre älter war als ich. Dafür war er drei Jahre jünger als Renate.

      Zum Beten faltete Mama ihre Hände über meinen. Lieber Gott, mach mich fromm, daß ich in den Himmel komm.

      »Und jetzt will ich keinen Mucks mehr hören!«

      Meine Beine waren mit Bademantelgürteln an die Bettpfosten gebunden, eins links und eins rechts, damit ich die Decke nicht abstrampeln konnte.

      Maikäfer, flieg!

      Unten auf dem Hof machte Mama ein Foto von Volker und mir auf dem Dreirad. Volker fuhr, und ich stand hinten auf der Stange.

      An den Sandkasten kam man nicht ran, der war immer besetzt.

      Ein Kind hatte auch einen Ball.

      Der Hof war voller Rauhbeine, die den Mädchen hinten den Rock hochhoben: »Deckel hoch, der Kaffee kocht!«

      Straßenwörter, die nicht in die Wohnung gehörten, waren Scheiße, Kacke, Arsch und Sau.

      Einmal machte Renate mit ihren Freundinnen eine Puppenmuttiparade vom Hof bis zum Rheinufer, und die Puppen kriegten das Deutsche Eck gezeigt.

      Ulrike Quasdorf hatte den schlechtesten Puppenwagen. Die Räder eierten und quietschten, und vorne fehlte eins.

      Ihre neue Puppe Annemarie hieß so wie eine Frau aus der Tagesschau. Annemarie war besser als Renates alte Puppe Christine, die nur aufgemaltes Haar hatte. Annemarie hatte echtes und machte immer Bäh, wenn sie auf dem Kopf stand. Das Bäh kam aus einem Sieb am Rücken raus.

      Bei der Parade wollte ich auch mal schieben, aber Renate ließ mich nicht.

      Groß und Klein. Nach Groß mußte ich immer noch Mama rufen, damit sie mir den Po abwischte.

      »Mama, fertig!«

      Dreimal am Tag oder noch öfter.

      Im Wildgehege Remstecken waren Fasane, Rehe, Wildschweine und Kühe.

      Mama hielt mir ein Papiertaschentuch vor die Nase: »Schnauben! Tüchtig!«

      Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen.

      Das Taschentuch warf ich einer Kuh zu, und die fraß es auf.

      Für uns selbst gab es Fanta mit Eiswürfeln.

      Im Sommer wurden zum Planschen Wannen im Hof aufgestellt: ein Eimer heißes Wasser, zwei Eimer kaltes. Angelika Quasdorf machte Pipi ins Wasser und spritzte damit. Die war ein freches Luder.

      An Oma Schlossers Krückstock war in der Mitte ein silbernes Wappen genagelt.

      Sie redete Mama und Papa mit ihren Vornamen an, Inge und Richard, und sie nähte ein Kleid, das Renate immer wieder anprobieren mußte, mit allen piekenden Stecknadeln drin.

      Als rauskam, daß Renate mit den Quasdorfs zum Rheinufer gegangen war, schwimmen, wurde sie von Mama ins schwarze Klo gesperrt. Tür zu, Schlüssel rum und kein Licht! Der Schalter war außen, und das Klo hatte kein Fenster.

      Das schwarze Klo war die schlimmste Strafe. Wenn man an der Klinke rüttelte, heulte, brüllte und gegen die Tür trat, wurde man erst recht nicht rausgelassen. Raus durfte man erst, wenn man nicht mehr bockig war.

      Gut war das Spiel, jemanden was nachsprechen zu lassen, bloß abgekürzt. »Ich kaufe Zucker«, mußte man sagen, und dann mußte der andere sagen: »Ich ka Zucker.« Dann sagte man: »Ich kaufe Nudeln.« Und der andere mußte sagen: »Ich ka Nudeln.« Dann sagte man: »Ich kaufe Mehl«, und wenn man Glück hatte, sagte der andere: »Ich Kamel.«

      Einmal war ich darauf reingefallen, aber als ich andere damit reinlegen wollte, kannten die das schon alle.

      Dann fuhren Mama, Papa und ich mit dem Käfer nach Dänemark. Renate wurde bei Oma und Opa in Jever abgeliefert. Volker war schon da. Renate und Volker waren auch beide in Jever geboren worden. Ich war in Hannover geboren worden, von wo wir nach Lützel gezogen waren.

      Auf einem Rastplatz gab es ekligen Kartoffelsalat zu essen, mit langstieligen bunten Plastiklöffeln aus Gläsern mit Schraubverschluß.

      A-a mußte ich hinter einer Mülltonne auf den Rasen machen, mit dem Rücken an Mamas Bauch und ihren Händen in den Kniekehlen.

      Hinten im Käfer sah ich im Liegen die kleinen schwarzen Punkte an der weißen Decke tanzen.

      In Dänemark stellte Papa Klappstühle vor dem Zelt auf und rauchte Pfeife. Ich durfte wieder Fanta trinken.

      Am Hafen sprang ein Fisch aus dem Eimer von einem Angler und flitschte über die Steine.

      Die dänischen Kühe hatten Augen wie die Rehe in Remstecken.

      Ins Wasser wollte ich lieber nicht.

      Auf dem Rückweg machten wir in Jever Station, um Renate und Volker einzusammeln. Oma Jever, die Mamas Mutter war, briet Rührei

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