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Flora und auch des Menschen nicht überzustrapazieren. Das rettet ebenfalls Menschenleben und verhindert obendrein das Aussterben vieler Arten. Einen großen Unterschied gibt es derzeit aber schon: Nach einem Impfstoff gegen Corona suchen wir noch fieberhaft, einen gegen den Klimawandel haben wir schon: die erneuerbaren Energien!

      Springen wir nun zurück in eine Zeit vor Corona, die vielen von uns – gerade durch den trockenen April 2020 – noch sehr präsent ist: der Sommer 2018. Hitze und Dürre über Wochen, Noternten und in Teilen Deutschlands nur 30 Liter Regenwasser pro Quadratmeter – aufsummiert in Juni, Juli und August. Waldbrände in Schweden und tagelang über 30 Grad am Polarkreis. Das Gegenteil übrigens vom Sommer 2017, wo im Norden Deutschlands wochenlange Regenfälle für massive Überschwem­mungen sorgten.

      Sommer 2019. Der 25. Juli ist der bisher heißeste Tag in Deutschland seit Beginn der Messungen: Mehr als 60 Wettersta­tio­nen melden Temperaturen über 40 Grad im Schatten. Waldbrände in Alaska, Sibirien und Brasilien in ungeheurem Ausmaß, in Brasilien vor allem durch Brandrodung.

      November 2019. Südlich der Alpen verursacht ein unbeirrt bei Korsika stehendes Tief Regenmassen ungeahnten Ausmaßes. Vom schweizerischen Graubünden über Südtirol bis in die Steiermark und im Apennin fallen teilweise 600 Liter Wasser auf jeden Quadratmeter in nur einer Woche. Mengen, die hierzulande vielerorts in einem Jahr fallen. Die Folge: zahlreiche Murenabgänge, die Gebäude oder Straßen zerstören, Leib und Leben der Bevölkerung bedrohen und unglaubliche Kosten verursachen. Venedig wird in dieser Zeit mehrmals schwer überflutet und schon im Dezember steht die Stadt erneut zu einem Großteil unter Wasser. Dazu großflächig Stürme in Frankreich, Spanien und Portugal mit ausgedehnten Überschwemmungen und Sachschäden, die mit öffentlichen Geldern beseitigt werden müssen.

      Am 17. Dezember werden in Rosenheim 19 Grad gemessen, in Piding im Berchtesgadener Land sind es fast 20. Dann der Blick gen Süden: In Australien beginnt gerade der Frühsommer und ein neuer Hitzerekord jagt bereits den nächsten. Häufig hat es mehr als 45 Grad im Schatten, in Nullarbor und Eucla am 19. Dezember sogar jeweils 49,9 Grad – nicht auszuhalten! Das Ergebnis: Waldbrände in einem Ausmaß, das Australien noch nie gesehen hat. Das völlig ausgetrocknete Land brennt wie Zunder, Feuerstürme entstehen, brennende Äste wirbeln durch die Luft und entzünden neue Waldregionen. Die Brände wachsen zu riesigen Feuerfronten zusammen, denen die bis zur Erschöpfung kämpfenden Feuerwehrleute keinen Widerstand entgegenbringen können. Eine Apokalypse, die Menschenleben und 1,25 Milliarden – noch ­einmal: über eine Milliarde – Tiere das Leben kostet. Bis Mitte Januar sind mehr als 100 000 Quadratkilometer Wald verbrannt – eine Fläche größer als die der Schweiz und der Niederlande zusammen oder ein knappes Drittel Deutschlands. Eine solche Situation lässt sich mit Worten nicht mehr beschreiben, insbesondere wenn man bedenkt, dass Australien gleichzeitig neben den USA und Brasilien zu den Ländern gehört, deren Regierungen bei der 25. Weltklimakonferenz in Madrid verhinderten, dass ein entschlossenes Abschlusskommuniqué zustande kommt.

      Die Regierung will mit Kohle eben Kohle machen. Das sichert Einnahmen und damit Wohlstand und Arbeitsplätze. In den Städten, wo bisher keine Brände vorkommen, mag man der Argumentation folgen. Anders auf dem Land, das verbrennt und verdorrt. Für Politik und Stadtmenschen stehen weder das Leid der Farmer noch deren Auskommen und Besitz im Mittelpunkt. Jeder denkt eben aus seiner Warte …

      Man merkt schnell: Nicht der globale Temperaturanstieg um ein Grad in 100 Jahren, sondern extreme, oft tragische Wetterereignisse sind es, die uns nachdenklich auf das blicken lassen, was um uns herum geschieht. Wenn man so will, »weckt« uns die Atmosphäre gerade auf. Und wenn wir weiterschlafen wollen, dann wird sie immer neue Einfälle haben, uns aus unserem Schlummer wachzurütteln. In dieser Phase fragen wir uns, ob wir noch auf einem vernünftigen Kurs segeln oder ob wir längst auf ziemlich gefährliche Klippen zusteuern. Ängste auf der einen und innere Abwehrmechanismen zum Selbstschutz auf der anderen Seite ringen in uns allen miteinander und so gelangen wir in der ganzen Dynamik der täglichen und intensiven Berichterstattung schnell in einen Strudel aus »Für und Wider«, in dem wir gehörig herumgewirbelt werden, bis uns ziemlich schwindlig ist. Dieses Buch will deshalb »entschwindeln« – ein in jeder Hinsicht schönes Wort, auch wenn es nicht im Duden steht.

      Suchen wir also nach Klarheit und beginnen mit unserem Einstiegsbeispiel, den Wetterextremen: Alles »nur« Wetter? Oder doch Klimawandel? Die Antwort ist klar: Wir spüren hier den Klimawandel! Warum? Weil wir bei vielen – nicht allen – Parametern, aber etwa bei Temperatur oder Niederschlag, statistisch signifikante Veränderungen erleben. Extreme Ereignisse wie Hitze, Dürre, Starkregen oder Hagel häufen und verstärken sich und verlassen damit den bisherigen typischen Schwankungsbereich ihres Auftretens. Altbekannte Abläufe scheinen verschwunden, und ein neues, extremeres Wettergeschehen spielt sich – auch direkt vor unserer Haustür – ab. Wir können einen messbaren Trend über einen langen Zeitraum beobachten, das heißt, es ändert sich die Statistik des Wetters und damit eben das Klima. Klimawandel bedeutet also nicht mehr, dass irgendwann irgendwo irgendwem auf dieser Welt irgendetwas meist Unerfreuliches passiert, sondern er ist eine Tatsache, mit der wir hier und jetzt konfrontiert sind. Die Häufung extremer Ereignisse ist dabei kein Widerspruch dazu, dass es natürlich auch früher mitunter schon extremes Wetter gab. Das ist logisch, bekannt und nicht verblüffend. Die Veränderung liegt genau in dieser Häufung und im Auftreten neuer Extrema, die es bisher noch nicht gab.

      Die Klimaforschung hat uns die oben beschriebenen Szenarien schon 1990 für das Jahr 2020 vorausgesagt und bereits im Februar 1979 konnte man in der Tagesschau einen Beitrag sehen, in dem die Erwärmung der Atmosphäre, die wir jetzt erleben, auf die menschengemachten Treibhausgasemissionen zurückgeführt und die Folgen sehr treffend eingeschätzt wurden. Dafür darf man den Klimaforschern ein gutes Zeugnis ausstellen. Wir haben wohl vieles gut verstanden und mithilfe der Computermodelle schon früh wichtige Zusammenhänge vernünftig berechnet. Wäre das alles nicht der Fall gewesen, erschiene eine so gute Vorhersage für die heutige Zeit schon extrem verblüffend. »Verstehe nichts, rechne sinnlos und freue dich über das korrekte Ergebnis« ist noch unwahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto. Ich kenne überhaupt kein Beispiel, wo das in der Naturwissenschaft geklappt hätte – kein Flugzeug würde fliegen, kein Auto fahren und kein Computer funktionieren. Auch Selbstversuche dieser Art bei Mathearbeiten in der Schule erzielten nachvollziehbarerweise wenig erfreuliche Resultate.

      Kurzgefasst: Unser Wetter wird weltweit extremer und dafür verantwortlich ist der Klimawandel. Die Klimaforschung hat viel verstanden, sonst wären die Vorhersagen für heute nicht richtig. Auf dieser Grundlage werden die eingesetzten Computermodelle stets weiterentwickelt.

      Wir müssen also reden. Über noch viel mehr als Extremwetter. Und zwar ganz offen. Ohne Tabus und mit sortierten Gedanken. Dafür braucht es ein umfassendes Bild des großen Ganzen. Also lautet die erste Aufgabe bei diesem komplexen Thema, das uns alle etwas angeht: Wir müssen die sprichwörtliche Ansammlung vieler Bäume zunächst einmal als Wald wahrnehmen, sonst versumpfen wir im Dickicht der Nebensächlichkeiten. Beim Thema Klimawandel heißt das, dass wir zwei große Bereiche unterscheiden müssen: einerseits den akademischen und andererseits den gesellschaftspolitischen.

      Diese besteht darin, die Frage zu beantworten, was sich warum in unserer Atmosphäre und – erweitert – in unserem ganzen Erdsystem tut. Dazu werden alle relevanten Größen gemessen und unter Anwendung komplexer mathematischer Verfahren wird versucht, daraus eine Prognose der weiteren Entwicklung abzuleiten. Den unverrückbaren Rahmen dafür setzt die Physik des Systems, daher müssen wir sie als Erstes verstehen. Begreift und akzeptiert man die zugrunde liegenden Abläufe nicht, hat man schlicht Pech. Denn dieser Planet und seine Atmosphäre interessieren sich nicht im Mindesten für uns. Jacques Monod hatte es in Zufall und Notwendigkeit so formuliert: Der Mensch muss sich zurechtfinden in einem Universum, »das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen«.

      Passen wir uns den Bedingungen

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