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mit Diotima ihre ganze Schlechtigkeit fühlte, gestattete sich das aber gewöhnlich nur dann, wenn sie etwas Falsches heimlich schnell noch in Wahrheit umwandeln zu können hoffte.

      Wenn ein Mensch zu einem anderen derart in allem und jedem aufblickt, kommt es vor, daß ihm sein Körper geradezu entzogen wird und wie ein kleiner Meteorit in die Sonne des anderen Körpers stürzt. Diotima hatte nichts auszusetzen gefunden und ihre kleine Dienerin freundlich auf die Schulter geklopft; dann begaben sie sich in die Badestube und begannen die Toilette für den großen Tag. Wenn Rachel das warme Wasser mischte, Seife schäumen ließ oder mit dem Frottiertuch Diotimas Körper so dreist abtrocknen durfte, als wäre es ihr eigener Körper, so machte ihr das viel mehr Vergnügen, als wenn es wirklich bloß ihr eigener Körper gewesen wäre. Der kam ihr nichtig und vertrauensunwürdig vor, es lag ihr ferne, auch nur vergleichsweise an ihn zu denken, ihr war, wenn sie die statuenhafte Fülle Diotimas berührte, zumute wie einem Bauernlümmel von Rekrut, der einem strahlend schönen Regiment angehört.

      So wurde Diotima für den großen Tag gewappnet.

      42

      Die große Sitzung

      Als die letzte Minute zur bestimmten Stunde hinüberschwang, erschien Graf Leinsdorf in Begleitung Ulrichs. Rachel, die schon glühte, weil bis dahin ununterbrochen Gäste gekommen waren, denen sie öffnen und aus den Kleidern helfen mußte, erkannte diesen sofort wieder und nahm befriedigt zur Kenntnis, daß auch er kein beliebiger Besucher gewesen sei, sondern ein Mann, den bedeutungsvolle Zusammenhänge in das Haus ihrer Herrin geführt hatten, wie sich jetzt zeigte, da er in Gesellschaft Sr. Erlaucht wiederkam. Sie flatterte an die Zimmertüre, die sie feierlich öffnete, und hockte sich danach vor dem Schlüsselloch hin, um zu erfahren, was nun vor sich gehen werde. Es war ein breites Schlüsselloch, und sie sah das rasierte Kinn des Gouverneurs, die violette Halsbinde des Prälaten Niedomansky sowie die goldene Säbelquaste des Generals Stumm von Bordwehr, den das Kriegsministerium entsandt hatte, obgleich es eigentlich nicht eingeladen worden war; es hatte trotzdem in einer Zuschrift an den. Grafen Leinsdorf erklärt, daß es bei einer so »hochpatriotischen Angelegenheit« nicht fehlen wolle, wenn es auch mit ihrem Ursprung und zu gewärtigenden Verlauf nicht unmittelbar zu tun habe. Das hatte Diotima aber vergessen, Rachel mitzuteilen, und so war diese durch die Anwesenheit eines Offiziers bei der Besprechung sehr erregt, konnte aber vorläufig von den Dingen, die im Zimmer vor sich gingen, nichts weiter herausbringen.

      Diotima hatte unterdessen Se. Erlaucht empfangen und für Ulrich nicht viel Aufmerksamkeit gezeigt, denn sie stellte die Anwesenden vor und präsentierte Sr. Erlaucht als ersten Dr. Paul Arnheim, wobei sie erklärte, daß ein glücklicher Zufall diesen berühmten Freund ihres Hauses hergeführt habe, und wenn er auch als Ausländer nicht beanspruchen dürfe, in aller Form an den Sitzungen teilzunehmen, so bäte sie doch, ihn ihr persönlich als Ratgeber zu lassen; denn – und hier fügte sie sofort eine sanfte Drohung an – seine großen Erfahrungen und Beziehungen auf international kulturellem Gebiet und in den Zusammenhängen dieser Fragen mit denen der Wirtschaft seien für sie eine unschätzbare Stütze, und sie habe bisher allein darüber berichten müssen und würde wohl auch in Zukunft nicht so bald ersetzt werden können und sei sich trotzdem ihrer ungenügenden Kraft nur zu sehr bewußt.

      Graf Leinsdorf sah sich überfallen und mußte sich zum erstenmal seit dem Beginn ihrer Beziehungen über eine Taktlosigkeit seiner bürgerlichen Freundin wundern. Auch Arnheim fühlte sich betreten, wie ein Souverän, dessen Einzug nicht gebührend geordnet worden ist, denn er war fest überzeugt gewesen, daß Graf Leinsdorf von seiner Einladung wisse und sie gebilligt habe. Aber Diotima, deren Gesicht in diesem Augenblick rot und eigensinnig aussah, ließ nicht locker, und wie alle Frauen, die in Fragen der Ehemoral ein zu reines Gewissen haben, vermochte sie eine unausstehliche weibliche Zudringlichkeit zu entwickeln, wenn es sich um eine ehrbare Angelegenheit handelte.

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