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so wichtig. Wer auf der Erde aufgewachsen ist, versteht das, sonst ist es nur irritierend, glaube ich.“

      „Stimmt“, sagt Katharina nickend. „Jedenfalls gibt es hier Licht von oben, anders als bei der Modelleisenbahn. Aber ich sehe keinen Himmel, keine Sonne, nichts, wo das Licht herkommen könnte. Und dass es Pflanzen gibt, ist auch unlogisch.“

      „Die gab es aber schon bei den Augenlosen, ohne Sonne“, bemerke ich.

      „Ja, aber nicht so üppig wie hier. Das ist ja der reinste Dschungel. Nur eben rot statt grün.“

      „Ihr kennt grüne Pflanzen?“, fragt Loiker. „Die gibt es auch in den Bahnhöfen, sie brauchen allerdings spezielle Lampen.“

      „Haben wir gesehen, bei Niasman zu Hause. Auf der Erde wuchsen sie wie diese roten hier, in riesigen Wäldern.“

      Wir lassen unsere Blicke schweifen. Hinter uns die Tür zum Turm, die sich von selbst geschlossen hat, wie sie das immer tut. Vor uns ein rotwuchernder Dschungel. Die Pflanzen kommen mir alle unbekannt vor, nicht nur wegen der Farbe. Das beruhigt mich ein wenig. Gäbe es hier Pflanzenarten, die ich kenne, würde mich das wohl nervös machen.

      „Also gut, ich nehme an, wir wollen nicht hier stehen bleiben“, stellt Katharina fest. „Ich hoffe irgendwie, dass Sarah nicht als eine Art Jane durch diesen Wald turnt. Das würde ich nicht verkraften, glaube ich.“

      „Ich auch nicht“, erwidere ich erschaudernd.

      „Auf diese Sarah bin ich sehr gespannt“, bemerkt Loiker.

      „Sie wird dir gefallen. Angeblich sind wir uns ähnlich darin, Nervensägen zu sein, nur dass sie mehr reden kann als ich.“

      „Noch mehr?!“ Loiker reißt die Augen auf. „Oh, entschuldige, das war nicht so gemeint.“

      „Doch, war es. Aber ich bin es gewohnt. Los, gehen wir.“ Ich wende mich ab und marschiere los. Klar bin ich sauer und nicht mal ansatzweise daran gewöhnt. Nur weil Thomas der Meinung ist, ich wäre auch so eine Nervensäge, heißt das noch lange nicht, dass es auch stimmt. Loikers Reaktion geht allerdings in die Richtung. Und das gefällt mir nicht.

      Katharina holt mich zuerst ein.

      „Hey, läufst du schon wieder davon?“

      Ich bleibe abrupt stehen. „Nein, natürlich nicht. Wollt ihr ewig da herumstehen?“

      Sie packt mich an den Schultern und dreht mich zu sich. „Schätzchen, du willst ja wohl nicht mich verarschen? Das hätte vielleicht geklappt, als ich mich noch nicht erinnert habe.“

      „Ja, ja. Ist ja schon gut. Ich mag Sarah ja, wie du weißt. Aber sie ist wirklich eine Nervensäge und ich will nicht so sein wie sie.“

      „Bist du ja auch nicht.“

      „Wirklich nicht?“ Ich sehe sie misstrauisch an. „Hör zu, ich bin echt froh, dass wir es in den Turm geschafft haben und du dich an alles erinnerst und bei mir bist. Wirklich. Gleichzeitig hat es mich daran erinnert, dass die Scheißgötter unser Universum einfach gelöscht und nur wir vier überlebt haben. Das heißt, wir wissen nicht einmal, was mit Sarah und Thomas ist. Das kotzt mich tierisch an, dadurch bin ich wohl etwas dünnhäutig.“

      „Ist doch okay und auch verständlich“, erwidert Katharina. Sie zieht mich an sich. Ich umarme sie und presse mein Gesicht in ihre Halsbeuge.

      Und ich werde nicht weinen. Nein. Nein. Nein!

      Tatsächlich gelingt es mir, die Tränen zu unterdrücken, und hebe den Kopf wieder, um Loiker anzusehen.

      „Sorry.“

      Er winkt ab. „Nach dem, was du vorhin erzählt hast, bewundere ich dich, dass du alles so gut verkraftest. Die meisten wären schon längst durchgedreht, denke ich. Dass du auch mal Nerven zeigst, ist für mich absolut nachvollziehbar.“

      Ich grinse verkniffen. „Jetzt hast du geredet wie mein Vater. Ach, was solls. Lasst uns diese Welt erkunden und sehen, ob und wen wir hier finden.“

      „Eine gute Idee“, sagt Katharina nickend.

      Wir gehen vor, ihren Arm legt sie dabei um meine Schulter, ich umfasse ihre Taille, mit der Hand auf ihrer Hüfte. Loiker geht hinter uns her, und das ist auch gut so, denn er trägt noch immer den Spinnenanzug, der wie eine zweite Haut anliegt. Wie eine zweite, ungesunde Haut. Nur sehr eng. Wie die Haut halt ist.

      „Irritiert dich der Anzug eigentlich auch so?“, erkundige ich mich flüsternd bei Katharina.

      „Nur wenn du ihn trügest“, erwidert sie auch flüsternd.

      „Warum sollte dich das irritieren?“

      „Warum irritiert er dich jetzt? Du kennst Loiker doch nackt.“

      Ich mustere sie fragend.

      „Stimmt das etwa nicht?“

      „Doch. Und du bist immer noch eifersüchtig.“

      „Na, wenn er dich irritiert!“

      „Der Anzug, nicht Loiker!“

      „Was tuschelt ihr da eigentlich?“, erkundigt sich der Erwähnte von hinten.

      „Über dich“, antwortet Katharina. „Du brauchst neue Kleidung, unser Schätzchen kann sich nicht konzentrieren.“

      „Arschloch!“ Ich starre sie empört an, aber sie grinst. Und gibt mir einen Kuss.

      Das war vielleicht keine gute Idee, Loiker reagiert. Und in dem Anzug sieht man das sofort.

      Er wird rot. „Entschuldigt, ich ...“

      Bei dem Anblick kann ich nicht ernst bleiben und wende mich lachend ab. „Sorry, ich … Katharina, sag was.“

      „Gurke“, sagt Katharina.

      „Wie bitte?“

      „Ich habe was gesagt. Oder sollte ich was sagen?“

      „Wieso ausgerechnet Gurke?!“

      Sie zuckt die Achseln. „Musste halt daran denken. Ist das denn so abwegig?“

      „Was ist eine Gurke?“, fragt Loiker verwirrt nach und löst damit bei mir den nächsten Lachanfall aus.

      Während ich damit beschäftigt bin, wieder halbwegs normal atmen zu können, versucht Katharina, ihm die Gurke zu erklären. Das macht es mir nicht gerade leichter. Doch irgendwann habe ich mich wieder beruhigt und wir gehen weiter.

      Loiker ist immer noch hinter uns. Katharina und ich bemühen uns, nicht in seine Richtung zu schauen. Irgendwie tut er mir leid. In der anderen Welt, in der Dunkelheit, und während wir mit Überleben und der Suche nach dem Turm beschäftigt gewesen waren, interessierte uns der Anzug nur sehr bedingt, aber jetzt und bei diesem seltsamen roten Licht, das von überall her zu kommen scheint, wie mir inzwischen aufgefallen ist, entfaltet der Anzug seine volle Wirkung. Auf mich jedenfalls.

      Scheiße.

      „Vielleicht gibt es hier gar keine Menschen“, sagt plötzlich Loiker. „Ich meine, muss es denn überall Menschen geben?“

      „Nein, muss es nicht“, erwidere ich und vermeide es, ihn anzusehen. „Aber um ehrlich zu sein, bezweifle ich sehr, dass die Götter uns in eine menschenleere Welt schicken würden. Insbesondere mich!“

      „Wieso insbesondere dich?“

      „Weil ich anscheinend ihre liebste Spielfigur bin? Ich meine, wie viele Menschen können von sich behaupten, dass sie in einem neuen Universum weiterleben dürfen, aufgrund ihrer besonderen Verdienste um ein gelöschtes Universum? Natürlich weiß ich nicht, ob sie das nicht ständig machen, doch irgendwas sagt mir, dass ich ein Präzedenzfall bin. Aber trotzdem ist es gut möglich, dass ich mir das nur einbilde.“

      „So hört sich das in der Tat wahrscheinlicher an, dass es hier Menschen gibt“, sagt Loiker nachdenklich. „Aber wo sind sie?“

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