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Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz. Ödön von Horváth
Читать онлайн.Название Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz
Год выпуска 0
isbn 9783159617077
Автор произведения Ödön von Horváth
Жанр Языкознание
Серия Reclams Universal-Bibliothek
Издательство Bookwire
ELISABETH. Ich kann doch schliesslich nichts dafür.
DIE PRANTL. Schauns nur nicht gar so geschmerzt, Sie Fräulein höhere Gewalt! Schauns doch nur die Frau Amtsgerichtsrat an! Frau Amtsgerichtsrat hätten es gar nicht so notwendig und machen es aus purer Zerstreuung und haben den vierfachen Umsatz.
Szene Nummer 3
Der Präparator stürzt herein und fährt sogleich auf Elisabeth los. Er ist ausser Rand und Band.
PRÄPARATOR. Da sind Sie ja, Sie Betrügerin Sie! Sie Hochstaplerin Sie! Ihr Vater ist ja gar kein Zollinspektor. Wenn Sie mir das gleich gesagt hätten, dass der kein Zollinspektor ist, sondern bloss so ein Versicherungsinspektor, ja glaubens denn, ich hätte Ihnen hernach eine Existenz verschafft?
ELISABETH. Aber das hab ich doch niemals behauptet -
PRÄPARATOR (unterbricht sie). Jawohl haben Sie das behauptet!
ELISABETH. Nein! Nie!
PRÄPARATOR (schlägt mit seinem Spazierstock auf der Prantl ihren Schreibtisch, dass die Geschäftspapiere nur so herumflattern und brüllt). Zollinspektor! Zollinspektor! Zollinspektor!
DIE PRANTL (rettet ihre Geschäftspapiere und kreischt). Halt! Halt!!
(Stille.)
[23]PRÄPARATOR (verbeugt sich chevaleresk zur Prantl und zur Frau Amtsgerichtsrat hin). Entschuldigens meine Herrschaften, dass ich so aus heiterem Himmel, aber neben einem Versicherungsinspektor ist ja sogar noch ein lumpiger Oberpräparator eine Kapazität und diese gefährliche Person dort hat mir mein gutes bares Geld herausgelockt --
ELISABETH (unterbricht ihn). Ist ja gar nicht wahr!
DIE PRANTL. Ruhe!
PRÄPARATOR. Ruhe!
DIE PRANTL (droht mit dem Zeigefinger). Fräulein, Fräulein -- wer schreit hat Unrecht.
PRÄPARATOR (schreit). Unrecht! Jawohl!!
(Stille.)
ELISABETH. Jetzt sage ich kein Wort mehr.
PRÄPARATOR (gehässig). Tät Ihnen so passen --
DIE PRANTL (zum Präparator). Nehmen Sie Platz bitte!
PRÄPARATOR. Danke -- (er setzt sich). Ich bin nämlich ein herzensguter Mensch, aber ich vertrag es halt nicht, dass man mich belügen tut.
ELISABETH. Ich habe nicht gelogen.
DIE PRANTL. Geh so haltens doch endlich den Mund, Fräulein --
PRÄPARATOR. Bitte ich mir aus!
DIE PRANTL (bietet nun dem Präparator Zigaretten an). Bitte --
PRÄPARATOR. Ich bin so frei -- (er steckt sich eine an, lehnt sich bequem zurück und bläst geniesserisch den Rauch von sich). Alsdann meine Herrschaften -- kommt diese Person da zu mir in die Wohnung, schleicht sich in meine väterlichen Gefühle hinein und ich zeig ihr mein Aquarium und habe ihr ein Buch über Tibet geliehen und obendrein kauf ich ihr auch noch einen Wandergewerbeschein -- und derweil ist der ihr Vater gar kein Zollinspektor! Ich habe mich nämlich erkundigt, schon wegen meiner inneren Sicherheit als [24]Mensch, weil sich meine Umgebung immer lustig gemacht hat über mein weiches Herz.
DIE PRANTL. Wandergewerbeschein? Was denn für Wandergewerbeschein? Den hat doch die dort von mir.
PRÄPARATOR. Was?! Von Ihnen auch?!
DIE PRANTL. Das ist doch der Usus im Betrieb. Die Firma streckt den Angestellten die Möglichkeit zum Arbeiten vor und die Angestellten arbeiten es ab. Hundertfünfzig Mark.
PRÄPARATOR (ausser sich). Hundertfünfzig Mark?!
(Stille.)
DIE PRANTL. Das ist Betrug.
ELISABETH (fährt plötzlich los). Ich bin doch keine Betrügerin!
FRAU AMTSGERICHTSRAT. Darauf kommt es auch nicht an, Fräulein! Sondern ob der Tatbestand des Betruges erfüllt ist, darauf kommt es an! Sonst würd sich ja die ganze Justiz aufhören!
DIE PRANTL. Richtig.
FRAU AMTSGERICHTSRAT. Mich geht es ja nichts an und ich persönlich habe mit dem Gericht gottlob nur insoferner etwas zu tun gehabt, als wie dass ich mit einem Richter verheiratet bin. Aber Sie haben ja Ihren Wandergewerbeschein nicht um das Geld dieses Herrn da gekauft, also -- ich höre meinen August schon sagen: Vorspiegelung falscher Tatsachen - Tatbestand des Betruges.
PRÄPARATOR (ist verzweifelt in sich zusammengesunken; weinerlich). Ich bin doch ein armer Präparator der etwas Gutes getan hat --
ELISABETH. Herr Präparator! Sie werden Ihr Geld schon wiedersehen.
PRÄPARATOR. Nein.
ELISABETH. Doch, jeden Pfennig.
[25]PRÄPARATOR. Wann?
ELISABETH. Ich werd es schon abarbeiten.
DIE PRANTL. Wieso? (Sie liest aus Elisabeths Bestellbuch.) Zwei Paar Straps, ein Hüfthalter und ein Korsett. Und höhere Gewalt.
PRÄPARATOR (fährt hoch). »Höhere Gewalt«! Betrug! Gebens mir auf der Stell mein Geld zurück, Sie!
ELISABETH. Ich habe es jetzt nicht.
DIE PRANTL. Aber Ihren Wandergewerbeschein haben Sie doch von mir!
ELISABETH. Das schon.
PRÄPARATOR. Na also!
ELISABETH. Aber das Geld von dem Herrn habe ich zu etwas Dringenderem gebraucht.
DIE PRANTL. Das wird ja immer interessanter!
ELISABETH. Meinetwegen. Ich habe es zu einer Geldstrafe gebraucht.
PRÄPARATOR (wieder ausser sich). Was?! Sie haben mit der Justiz schon etwas gehabt?! Eine Vorbestrafte sind Sie also?! Aber Ihnen bring ich noch in das Zuchthaus, das garantier ich Ihnen! Ich war Ihr letztes Opfer! (Er rast ab.)
Szene Nummer 4
DIE PRANTL. Gediegen! Sehr gediegen!
FRAU AMTSGERICHTSRAT. Wenn der Herr da jetzt das beschwört, das mit dem Zollinspektor und Versicherungsinspektor, dann werden Sie verurteilt.
DIE PRANTL. Zuchthaus.
FRAU AMTSGERICHTSRAT. Aber was! Nur Gefängnis und sonst nichts! Zirka vierzehn Tag.
ELISABETH. Jetzt werden alle denken, dass ich die grösste Verbrecherin bin.
[26]DIE PRANTL. Gedanken sind zollfrei und besonders wenn man es einem verschweigt, dass man schon vorbestraft ist.
ELISABETH. Ich bin doch nicht verpflichtet, Ihnen das zu sagen.
DIE