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Dracula. Bram Stoker
Читать онлайн.Название Dracula
Год выпуска 0
isbn 9783159616995
Автор произведения Bram Stoker
Жанр Языкознание
Серия Reclam Taschenbuch
Издательство Bookwire
Ich muss daraufhin ziemlich befremdet dreingeblickt haben, denn er fügte hinzu: »Tja, Sir, ihr Stadtfräcke begreift eben nicht, wie ein Jäger fühlt.« Dann stand er auf und meinte: »So. Sie werden müde sein. In Ihrem Gemach ist alles bereit. Morgen können Sie schlafen, solange es Ihnen beliebt. Ich habe bis zum Abend auswärts zu tun. Also, schlafen Sie gut, und träumen Sie wohl!« Mit einer höflichen Verbeugung öffnete er mir die Tür zu dem achteckigen Raum, und ich betrat mein Schlafzimmer.
Ich schwimme in einer Flut von Rätseln. Ich hege Zweifel. Ich habe Angst. Ich denke seltsame Dinge, die ich meiner eigenen Seele nicht einzugestehen wage. Gott schütze mich, und sei es nur um derer willen, die mir teuer sind!
7. Mai. – Es ist wieder früher Morgen. Aber zumindest habe ich die letzten vierundzwanzig Stunden geruhsam verbracht und es mir wohl sein lassen. Ich schlief spät in den Tag hinein und erwachte von selbst. Schließlich zog ich mich an, ging hinüber in den Raum, wo ich soupiert hatte, und fand dort ein kaltes Frühstück vor; der Kaffee war jedoch noch warm, da er auf einer heißen Herdplatte stand. Neben dem Geschirr lag eine Karte mit folgenden Worten: »Ich bin leider noch eine Weile verhindert. Warten Sie nicht auf mich. D.«
So setzte ich mich hin und ließ mir das herzhafte Frühstück munden. Als ich fertig war, wollte ich klingeln, um der Dienerschaft mitzuteilen, dass sie abräumen konnte; ich fand jedoch keine Glocke. Wieder eine jener merkwürdigen Unzulänglichkeiten in diesem Haus hier, das sonst so viele Anzeichen beträchtlichen Reichtums aufweist, schon bei den Dingen, die mich unmittelbar umgeben. Das Tafelgeschirr etwa ist aus Gold und so wunderbar geschmiedet, dass sein Wert unermesslich sein muss. Für die Vorhänge an den Fenstern und an meinem Bett, ebenso für die Bezüge der Stühle und der Sofas wurden nur die kostbarsten und schönsten Materialien verwendet; sie müssen schon damals, zur Zeit ihrer Herstellung, einen immensen Wert besessen haben. Damals – denn sie sind jahrhundertealt, jedoch exzellent erhalten. Zwar habe ich solche Stoffe auch in Hampton Court gesehen; die zeigten sich aber zerschlissen, ausgefranst und mottenzerfressen. In keinem der Zimmer befindet sich jedoch ein Spiegel. Sogar an meinem Waschtisch fehlt der übliche Toilettenspiegel. Ich musste erst meinen kleinen Rasierspiegel aus der Reisetasche holen, sonst hätte ich mir gar nicht den Bart scheren oder mich kämmen können. Des weiteren habe ich bisher nirgends einen Diener erblickt. Und zu hören ist auch fast nichts, außer dem Heulen der Wölfe. Nach Beendigung meiner Mahlzeit – ich weiß nicht, ob ich sie Frühstück oder eher Vesper nennen soll, denn als ich sie einnahm, war es so fünf, sechs Uhr – schaute ich, ob ich nicht irgendwo etwas zum Lesen fand. Eigentlich wollte ich ja nicht ohne die Erlaubnis des Grafen im Schloss herumspazieren. Aber in meinem Zimmer war nichts dergleichen vorhanden, kein Buch, keine Zeitung, nicht einmal Schreibzeug. Also öffnete ich eine Tür, die von meinem Gemach ausging, und stand in einer Art Bibliothek. Gegenüber dem Eingang zu meinem Zimmer gab es ebenfalls eine Tür; die jedoch war, wie sich herausstellte, verschlossen.
In der Bibliothek fand ich zu meiner großen Freude jede Menge englischer Bücher, ganze Regale voll, daneben gebundene Jahrgänge englischer Zeitungen und Zeitschriften; zusätzlich lagen lose Exemplare auf einem Tisch in der Mitte des Raumes – keines war freilich neueren Datums. Die Bücher behandelten vielerlei Gebiete – Geschichte, Geographie, Politik, Nationalökonomie, Botanik, Geologie, Rechtspflege; alle jedoch bezogen sich auf England, englisches Leben, englische Sitten und Gebräuche. Vertreten waren auch praktische Nachschlagewerke wie das Londoner Branchenverzeichnis, das Rote Buch – der Hof- und Adelskalender, das Blaue Buch – die jährliche Sammlung regierungsamtlicher Texte –, das beliebte universelle Jahrbuch Whitaker’s Almanac, die Armee- und Marinelisten sowie – hier lachte mir natürlich das Herz – das Rechtsanwaltsregister.
Während ich so in den Büchern herumstöberte, öffnete sich die Tür, und der Graf trat ein. Er begrüßte mich herzlich, erkundigte sich, wie ich geschlafen hätte – gut, hoffentlich – und fuhr dann fort: »Freut mich, dass Sie von allein in meine Bibliothek gefunden haben. Ich habe da nämlich einiges, das Sie bestimmt interessiert. Diese Gefährten hier« – er strich mit der Hand über ein paar Bücher – »sind mir gute Freunde geworden. Sie haben mir, seit ich vor Jahren den Entschluss fasste, nach London zu gehen, schon viele, viele angenehme Stunden geschenkt. Durch sie habe ich Ihr stolzes England kennengelernt, und es zu kennen heißt es zu lieben. Ich möchte so gern durch die belebten Straßen Ihres gewaltigen London gehen, mitten im Trubel und Treiben der Menschen dort sein, teilhaben an ihrem Leben, ihrem Wandel, ihrem Sterben, eben an allem, was London zu dem macht, was es ist. Bedauerlicherweise jedoch kenne ich Ihre Sprache bisher nur aus Büchern. Sie können mir vielleicht helfen, dass ich sie sprechen lerne.«
»Aber Graf«, hielt ich dagegen, »Sie verstehen und sprechen doch perfekt Englisch!« Er verbeugte sich würdig.
»Ich danke Ihnen, mein Freund, für Ihre lobende Einschätzung, aber Sie schmeicheln mir gar zu sehr. Ich fürchte nämlich, ich bin auf dem Weg, den ich zurücklegen möchte, noch nicht sehr weit vorangeschritten. Sicher, ich kenne die Grammatik und die Wörter, aber um eine Sprache wirklich zu sprechen, bedarf es mehr.«
»Glauben Sie mir«, beteuerte ich, »Sie sprechen ausgezeichnet.«
»Ach wo«, erwiderte er. »Ich weiß doch: wenn ich mich durch Ihr London bewegte und so spräche, würde mich jeder gleich als Fremden erkennen. Deshalb reicht mir nicht, was ich bisher schon vermag. Hier bin ich ein Edelmann, ein Bojar. Das einfache Volk kennt mich, und ich bin sein Herr. Aber als Fremder in einem fremden Land ist man ein Nichts. Keiner kennt einen, und jemanden nicht kennen heißt ihn nicht achten. Fürs erste würde mir genügen, nicht ausgegrenzt zu werden. Also: niemand soll stehenbleiben, wenn er mich sieht, oder sich unterbrechen, wenn er mich reden hört, und sagen: ›Haha – ein Fremder!‹ Ich bin so lange Herr gewesen, dass ich auch weiter Herr zu sein begehre; wenigstens aber will ich nicht, dass jemand Herr über mich sei. Sie kommen ja hauptsächlich als Geschäftsträger meines Freundes Peter Hawkins aus Exeter zu mir und sollen mich genauestens über meine neuen Besitztümer in London informieren. Sie könnten mir aber einen zusätzlichen Gefallen tun, indem Sie noch eine Weile mein Gast bleiben und Gespräche mit mir führen, bis ich gelernt habe, akzentfrei Englisch zu sprechen. Wenn ich im Reden einen Fehler mache, korrigieren Sie mich sofort, auch beim kleinsten Schnitzer. Übrigens tut mir leid, dass ich heute so lange weg war; aber Sie werden zweifelsohne einem Manne vergeben, der solch eine Unzahl wichtiger Angelegenheiten zu besorgen hat.«
Natürlich versicherte ich ihm gleich, ich täte alles, was in meinen Kräften stehe, und schob die Frage nach, ob ich die Bibliothek jederzeit betreten dürfe, wenn es mir beliebe. Er antwortete: »Aber sicher«, und setzte hinzu: »Sie dürfen sich im Schloss frei bewegen und alle Räume betreten, ausgenommen jene, deren Türen verschlossen sind. Glauben Sie mir, da würden Sie auch gar nicht hineinwollen. Dass die Dinge so geregelt sind, hat seine Gründe. Und sähen Sie mit meinen Augen und wüssten Sie, was ich weiß, verstünden Sie mich vermutlich noch besser.«
Ja, selbstverständlich, erwiderte ich, und er fuhr fort: »Wir sind in Transsilvanien, und Transsilvanien ist nicht England. Unsere Lebensart ist nicht die Ihre; deshalb wird Ihnen gewiss manches hier seltsam erscheinen. Oder vielmehr, nach dem, was Sie mir so erzählt haben, sind Sie ja bereits einigen Dingen begegnet, die Ihnen seltsam vorkamen.«
Und wir gerieten in eine ausgedehnte Konversation. Er wollte reden, eindeutig, wenn auch nur um des Redens willen, und so nutzte ich die Gelegenheit, ihn über verschiedenes zu befragen, das mir in jüngster Zeit selbst geschehen oder sonstwie zur Kenntnis gelangt war. Manchmal wich er vom Thema ab oder brachte den Dialog zum Erliegen, indem er vorgab, nicht zu verstehen, aber im allgemeinen antwortete er recht offen auf meine Fragen. Nach einer Weile traute ich mich sogar, die merkwürdigen Ereignisse der vergangenen Nacht anzusprechen. Was etwa mochte den Kutscher bewogen haben, den blauen Flämmchen