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      Anton Tschechow

      Der Kirschgarten

      Eine Komödie in vier Akten

      Übersetzung und Nachwort von Hans Walter Poll

      Reclam

      Die Aufführungs- und Senderechte für Bühne, Hörfunk, Film und Fernsehen vergibt Felix Bloch Erben, Hardenbergstraße 6, 10623 Berlin

      1984, 2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

      Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

      Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

      Made in Germany 2020

      RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

      ISBN 978-3-15-961705-3

      ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014017-8

       www.reclam.de

      Inhalt

        Personen

        Erster Akt

        Zweiter Akt

        Dritter Akt

        Vierter Akt

        Zu dieser Ausgabe

        Anmerkungen

        Nachwort

      [5]Personen

      LJUBÓW ANDRÉJEWNA RANÉWSKAJA, Gutsbesitzerin

      ANJA, ihre Tochter, 17 Jahre

      WARJA, ihre Pflegetochter, 24 Jahre

      LEONÍD ANDRÉJEWITSCH GÁJEW, Bruder der Ranéwskaja

      JERMOLÁJ ALEXÉJEWITSCH LOPÁCHIN, Kaufmann

      PJOTR SERGÉJEWITSCH TROFÍMOW, Student

      BORÍS BORÍSSOWITSCH SIMEÓNOW-PÍSCHTSCHIK, Gutsbesitzer

      SCHARLÓTTA IWÁNOWNA, Gouvernante

      SEMJÓN PANTELÉJEWITSCH JEPICHÓDOW, Kontorist

      DUNJÁSCHA, Zimmermädchen

      FIRS, Kammerdiener, ein Greis von 87 Jahren

      JASCHA, ein junger Diener

      EIN LANDSTREICHER

      DER STATIONSVORSTEHER

      EIN POSTBEAMTER

      Gäste, Dienstboten

      Die Handlung spielt auf dem Gut der Ranéwskaja.

      [7]Erster Akt

       Das Zimmer, das noch immer »Kinderzimmer« genannt wird. Eine der Türen führt in Anjas Zimmer. Morgendämmerung. Bald wird die Sonne aufgehen. Es ist schon Mai. Die Kirschbäume blühen, doch im Garten ist es noch kalt. In der Nacht hat es gefroren. Die Fensterläden sind geschlossen. Dunjascha und Lopachin treten ein, Dunjascha mit einer Kerze, Lopachin mit einem Buch in der Hand.

      LOPACHIN. Der Zug ist angekommen, Gott sei Dank! Wie spät ist es?

      DUNJASCHA. Gleich zwei. (Löscht die Kerze.) Es wird schon hell.

      LOPACHIN. Wie viel Verspätung hat der Zug wohl gehabt? Mindestens doch ein, zwei Stunden. (Gähnt und reckt sich.) Was mache ich für Dummheiten: Komme extra her, um sie an der Station abzuholen, und nun verschlafe ich mich … Im Sitzen bin ich eingeschlafen … So ein Ärger … Wenn du mich doch geweckt hättest!

      DUNJASCHA. Ich dachte, Sie wären weggefahren. (Horcht.) Da, anscheinend kommen sie schon.

      LOPACHIN (horcht). Nein … Erst muss das Gepäck noch abgeholt werden und dies und das …

       (Pause.)

       Ljubow Andrejewna hat fünf Jahre im Ausland gelebt. Ich weiß nicht, wie sie jetzt ist … sie war ein guter Mensch, natürlich und einfach. Ich erinnere mich: Als ich ein Junge war, so fünfzehn Jahre alt, da hat mein verstorbener Vater, der damals im Dorf einen Kramladen hatte, mich einmal mit der Faust ins Gesicht geschlagen, [8]so, dass das Blut aus der Nase rann … Wir waren aus irgendeinem Grund auf den Gutshof gekommen, und er war angetrunken. Ljubow Andrejewna, ich sehe sie vor mir, war noch jung, und so schlank, sie führte mich zum Waschbecken, das war hier in diesem Zimmer, dem Kinderzimmer. »Weine nicht«, sagte sie, »du kleiner Bauer, bis zur Hochzeit ist alles wieder heil!«

       (Pause.)

       »Kleiner Bauer!« … Mein Vater war wirklich ein Bauer, ich stehe nun aber mit weißer Weste da, in gelben Halbschuhen. Mit dem Schweinerüssel im Kuchenladen. Nur, dass ich reich geworden bin und viel Geld habe, aber wenn man’s sich überlegt, bleibt ein Bauer eben ein Bauer. (Blättert in dem Buch.) Das Buch da habe ich gelesen, und verstanden habe ich nichts. Ich bin beim Lesen eingeschlafen.

       (Pause.)

      DUNJASCHA. Und die Hunde haben die ganze Nacht nicht geschlafen. Sie wittern, dass die Herrschaft kommt.

      LOPACHIN. Was hast du bloß, Dunjascha …?

      DUNJASCHA. Mir zittern die Hände. Gleich falle ich in Ohnmacht!

      LOPACHIN. Ganz schön empfindlich bist du, Dunjascha! Und ziehst dich an, wie eine junge Dame, und dann die Frisur. So geht’s doch nicht. Man darf nicht vergessen, wer man ist.

       (Jepichodow tritt ein, mit einem Blumenstrauß. Er trägt ein Jackett und blankgeputzte Stiefel, die bei jedem Schritt laut knarren. Beim Eintreten fällt ihm das Bukett hin.)

      JEPICHODOW (hebt den Strauß auf). Das da schickt der Gärtner. Ins Speisezimmer stellen, sagt er. (Gibt Dunjascha den Strauß.)

      [9]LOPACHIN. Und mir bring Kwass mit!

      DUNJASCHA. Jawohl, mein Herr! (Ab.)

      JEPICHODOW. Nachtfrost hat es heute gegeben, drei Grad Kälte, dabei stehen die Kirschen in Blüte. Ich kann unser Klima nicht billigen! (Seufzt.) Ich kann’s einfach nicht. Unser Klima kann im gegebenen Falle nicht günstig sein. Sehen Sie, Jermolaj Alexéitsch, gestatten Sie mir, Ihnen darzulegen, dass ich mir vorgestern neue Stiefel gekauft habe, jedoch, gestatten Sie mir, Ihnen zu versichern, sie knarren derart, dass es nicht auszuhalten ist. Womit könnte ich sie wohl schmieren?

      LOPACHIN. Hör auf! Du gehst mir auf die Nerven!

      JEPICHODOW. Jeden Tag stößt mir irgendein Unglück zu. Aber ich beklage mich nicht, ich habe mich daran gewöhnt und kann sogar darüber lächeln.

       (Dunjascha tritt ein, sie bringt den Kwass für Lopachin.)

      JEPICHODOW. Nun möchte ich gehen. (Stößt an einen Stuhl. Der Stuhl fällt um.) Da! … (Wie im Triumph.) Da sehen Sie, was für eine Situation, entschuldigen Sie den Ausdruck, zu allem übrigen … Das ist doch einfach … geradezu bemerkenswert! (Geht ab.)

      DUNJASCHA. Und mir, das muss ich Ihnen sagen, mir hat Jepichodow einen Heiratsantrag gemacht!

      LOPACHIN.

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