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Das Schweizer EU-Komplott. Carl Baudenbacher
Читать онлайн.Название Das Schweizer EU-Komplott
Год выпуска 0
isbn 9783907301043
Автор произведения Carl Baudenbacher
Жанр Зарубежная прикладная и научно-популярная литература
Издательство Bookwire
Absurderweise hat die Zweite öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts im Jahre 1990 seine Banque de Crédit international-Rechtsprechung zum Niederlassungsrecht nach der EFTA-Konvention5 bestätigt, ohne sich mit den beiden Sündenfällen zum FHA auseinanderzusetzen. In guter liberaler Tradition stellte das Bundesgericht fest, entgegen der Auffassung des Bundesamtes für Industrie, Handel und Arbeit und des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements hätten die Bestimmung der EFTA-Konvention Vorrang vor der Politik des Bundesrates, die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte zu stabilisieren (BGE 116 Ib 299, Erw. 2. b.).
Auch in den dualistischen nordischen EFTA-Ländern hatten Private nach den jeweiligen (mit dem Abkommen der Schweiz i.W inhaltsgleichen Freihandelsverträgen) keinen Zugang zu den Gerichten. Die direkte Wirkung wurde dadurch ausgeschlossen, dass die Freihandelsabkommen nicht in nationales Recht umgesetzt worden waren. Der Stockholmer Professor Ulf Bernitz bezeichnete die schwedische Haltung (die sich per Saldo nicht von der Haltung aller anderen EFTA-Länder und ihrer Gerichte unterschied) als «eine Art Rechtsprotektionismus» («kind of legal protectionism»). Die Asymmetrie in der EWG einerseits und der EFTA andererseits hinsichtlich des Zugangs zur Justiz war Gegenstand heftiger Kritik. Der verstorbene Professor der Universität Neuenburg und spätere Bundesrichter Olivier Jacot-Guillarmod nannte den Umstand, dass Bestimmungen der zwischen der EWG und den einzelnen EFTA-Staaten geschlossenen Freihandelsabkommen direkte Wirkung im Gemeinschaftsrecht, nicht aber in den Rechtsordnungen der EFTA-Staaten entfalten können, ein judizielles Handelshemmnis.
(2)Versicherungsabkommen
Anders als beim FHA können sich Private grundsätzlich vor den Gerichten der Vertragsparteien auf das Abkommen berufen. Die Zweite öffentlichrechtlichen Abteilung hat dazu am 3. Juli 2012 im Fall Schweizerischer Versicherungsverband gegen Kanton Glarus (BGE 138 I 378, Erw. 10.2.) festgestellt, das Abkommen regle nur die grenzüberschreitende Tätigkeit der erfassten Versicherungen. Monopolversicherungen, die nicht unter das Abkommen fallen, seien weiterhin auch im Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU zulässig. Die genannten Versicherungen dürften ihre Tätigkeitsbereiche in Konkurrenz auch zu Versicherungsunternehmen aus der EU erweitern. Soweit sie in der EU tätig sein wollten und die Anforderungen des Abkommens nicht einhielten, habe das bloss zur Folge, dass sie allenfalls in der EU nicht zugelassen werden. Es habe aber keine Bedeutung für ihre Tätigkeit innerhalb der Schweiz. Das Bundesgericht setzt sich nicht explizit mit dem Thema der direkten Wirkung des Versicherungsabkommens auseinander. Man darf aber davon ausgehen, dass es sie implizit anerkennt. Auch hier fällt allerdings auf, dass die Richter des Bundesgerichts wenig Präjudizienbewusstsein haben.
(3)Freizügigkeitsabkommen
Wie alle bilateralen Abkommen basiert das FZA im Wesentlichen auf dem EU-acquis. Gemäss Artikel 18 FZA ist der Gemischte Ausschuss befugt, die Anhänge über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen zu ändern. Das Bundesgericht ist an solche Entscheidungen gebunden. Weigert sich die Schweiz jedoch, neue Vorschriften in die Anhänge des FZA aufzunehmen, so gibt es keine einschneidenden Konsequenzen. Das FZA fusst also nicht auf dem Prinzip der dynamischen Rechtsübernahme.6
Artikel 16 Absatz 2 Satz 3 FZA besagt, dass der Gemischte Ausschuss auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen der neuen Rechtsprechung des EuGH bestimmt, um das ordnungsgemässe Funktionieren des Abkommens zu gewährleisten. Eine solche Entscheidung macht die betreffende EuGH Rechtsprechung für das Bundesgericht verbindlich (BGE 132 V 423 Erw. 9.2.). Es liegt eine vereinfachte Form eines internationalen Abkommens zwischen der EU und der Schweiz vor. Insoweit besteht eine Parallele zur Rechtslage im EWR. Der EFTA-Gerichtshof hat in der Rechtssache CIBA festgestellt, dass eine Entscheidung des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, der wie der Gemischte Ausschuss nach dem FZA ein diplomatisches Organ darstellt, eine solche Vereinbarung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der EWR/EFTA andererseits darstellt (E-6/01, CIBA / Norwegen).
Wie das EWRA enthält das FZA besondere Homogenitätsregeln, die auf eine einheitliche Auslegung abzielen. Artikel 16 FZA bestimmt unter der Überschrift «Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht»:
«(1) Zur Erreichung der Ziele dieses Abkommens treffen die Vertragsparteien alle erforderlichen Massnahmen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden.
(2)Soweit für die Anwendung dieses Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt. Über die Rechtsprechung nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens wird die Schweiz unterrichtet. Um das ordnungsgemässe Funktionieren dieses Abkommens sicherzustellen, stellt der Gemischte Ausschuss auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rechtsprechung fest.»
Auf dem Papier gehen diese Homogenitätsbestimmungen weniger weit als die des EWR-Rechts. Artikel 6 EWRA und Artikel 3 Absatz 2 des Abkommens der EFTA-Staaten über die Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs verpflichtet den EFTA-Gerichtshof, die einschlägige Rechtsprechung des EuGH vor der Unterzeichnung der Abkommen (2. Mai 1992) zu befolgen und die nach diesem Zeitpunkt ergangene Rechtsprechung gebührend zu berücksichtigen. Die Unterscheidung zwischen alter und neuer Rechtsprechung ist politisch wichtig. Aber der EFTA-Gerichtshof hat sich nie darauf berufen, um sich neuer Rechtsprechung des EuGH zu widersetzen. Allerdings ist der EFTA-Gerichtshof dem EuGH in einer ganzen Anzahl von Fällen nicht gefolgt. Das wurde aber auf inhaltliche Überlegungen gestützt und erfolgte unabhängig davon, ob ein Urteil des EuGH vor oder nach dem 2. Mai 1992 ergangen ist.7 Daher gibt es in dieser Hinsicht gewisse Unterschiede zwischen der Situation im Rahmen des FZA und des EWRA. Das Bundesgericht interpretiert die Pflicht, die alte Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, dahin, dass diese massgebend sind. Das Eidgenössische Versicherungsgericht, das 2007 in das Bundesgericht integriert wurde, hat in einem wegweisenden Urteil in italienischer Sprache vom 24. Juni 2006 sogar den Begriff «vincolante» (verbindlich) verwendet (BGE 132 V 423, Erw. 9.2.).
Hingegen fühlt sich das Bundesgericht nicht an die neue Rechtsprechung des EuGH gebunden. Es ist jedoch bereit, neuer Rechtsprechung auch ohne Entscheidung des Gemischten Ausschusses fallweise zu folgen, um eine parallele Rechtslage und einen einheitlichen Raum der Freizügigkeit zu schaffen. Dass die Bestimmungen des FZA direkte Wirkung entfalten können, wurde nie bezweifelt. Private können sich grundsätzlich auf sie berufen.
In einem wichtigen Urteil vom 29. September 2009 änderte die Zweite öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts seine bisherige Rechtsprechung zum Aufenthaltsrecht eines Nicht-EU-Bürgers im Lichte des EuGH-Urteils vom 11. Mai 2009 in der Rechtssache Metock (BGE 136 II 5; C-127/08 Metock). Ein Palästinenser, dessen Asylantrag abgelehnt und der zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt worden war, heiratete eine spanische Staatsbürgerin mit einer Schweizer Niederlassungsbewilligung. Insgesamt hatte der Mann fast 13 Jahre in der Schweiz verbracht. In Metock hatte der EuGH die damals neue Unionsbürgerschaftsrichtlinie (RL 2004/38/EG) auf alle Familienangehörigen angewandt, die ihren Ehegatten mit Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Es wurde festgestellt, dass das Recht auf Familiennachzug nicht mehr von einem vorherigen rechtmässigen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat abhängt. Eine solche Voraussetzung wurde als Verletzung der EU-rechtlichen Regelung der Familienvereinigung gewertet. Die Praxisänderung des Bundesgerichts