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diese Gesichtspunkte aber als wesentliche Hilfe zum Verständnis einer biografischen Entwicklung.

      Um noch einmal Romano Guardini zu Wort kommen zu lassen: »Jede Phase hat ihren eigenen Charakter, der sich so stark betonen kann, dass es für den sie Lebenden schwer wird, aus ihr in die nächste überzugehen.«6

       Mondknoten

      Was verbirgt sich hinter den sogenannten Mondknoten?

       Zusammentreffen von Vergangenheit und Zukunft

      Alle 18 Jahre, 7 Monate und 9 Tage steht der Schnittpunkt der Bahnen von Sonne und Mond im Verhältnis zum Fixsternhimmel an derselben Stelle wie bei der Geburt eines Menschen. Wenn wir den Mond als Ausdruck für Vergangenes und die Sonne als Bild für das Zukünftige sehen, beschreibt diese Konstellation das Zusammentreffen von Vergangenheit und Zukunft im Jetzt.

      Oder wie Rudolf Steiner es formulierte:

      Das Künftige ruhe auf Vergangenem.

       Vergangenes erfühle Künftiges

       Zu kräftigem Gegenwartsein.7

      Der Mondknoten-Rhythmus ist ein kosmischer Rhythmus, der sich in der individuellen Biografie widerspiegeln kann, also oft Auswirkungen auf die entsprechenden Phasen im Leben eines Menschen hat.

       Zeiten des Aufbruchs und Umbruchs

      Wir erleben den ersten dieser Mondknoten mit gut 18 ½ Jahren, den zweiten mit etwa 37 Jahren und 3 Monaten, den dritten mit etwa 55 Jahren und 10 Monaten, den vierten mit gut 74 Jahren. Es können dies Zeiten des Aufbruchs, vielleicht auch des Abschieds, oft des Umbruchs sein. Der Begriff des »Sterbens« liegt hier nahe – Sterben als dieses tiefste Loslassen, als umfassendsten Ausdruck für Abschied wie Aufbruch.

       »Rubikon«

      Für die pädagogische Arbeit wichtig ist auch die Kenntnis des halben Mondknotens. Gemeint ist die Zeit, die ein Mensch mit ungefähr 9 Jahren und 3 Monaten durchlebt. In seiner »Menschenkunde« nennt Rudolf Steiner diese Zeit den »Rubikon«,8 in Anlehnung an die Überschreitung des Flusses Rubikon durch Caesar. Damit wird eine Situation bezeichnet, in der es kein Zurück gibt, in der etwas radikal anders wird – ein Umbruch hin zu etwas gänzlich Neuem.

      Unter dem menschenkundlichen Aspekt betrachtet, beschreibt dies eine konstitutionelle Veränderung. Das Seelische des Kindes schwingt immer weniger mit der Umgebung mit, sondern bildet mehr und mehr einen selbstständigen Innenraum. Menschenkundlich ausgedrückt heißt das: Der »zentrale Punkt« (das »Ich«) des Kindes verlagert sich in die Stoffwechsel-Gliedmaßen-Region, also in den zentralen Ort des Willenslebens – den Ort der individuellen Schicksalsgestaltung.

       Bedeutung des Rubikons

      Rudolf Steiner misst dieser Umwandlung eine große Bedeutung zu. Immer wieder hat er betont, wie wichtig die liebevolle Begleitung eines Kindes in diesem Lebensalter ist.

      Viele Kinder erleben diesen »Rubikon«-Lebensabschnitt sehr konkret. Die innere Nähe von »Umbruch« und Aspekten des »Sterbens«, wie sie oben bereits beschrieben wurden, kann sich unter anderem auch in konkreten Ängsten vor dem Sterben, zum Teil im übergeordneten Sinne, zeigen:

      •Ein Kind kommt morgens ins Zimmer, steht lange vor der Uhr, weint heftig und sagt: »Es ist alles so anders geworden.«

      •Ein anderes Kind sucht nach den Eltern, die gerade im benachbarten Bauernhof Milch holen, wie sie es auch sonst immer tun (also eine eigentlich vertraute Situation), und beginnt aus tiefer Angst zu schreien. Später sagt es: »Ich dachte, ihr seid gestorben.«

      •Ein Kind betrachtet sinnend die Haare seiner Schwester und sagt: »So wie diese Haare heute liegen, werden sie das nie wieder tun.«

      Bezeichnend ist auch, dass Heinrich Schliemann nachgesagt wird, er habe als gut neunjähriges Kind – ohne einen äußeren familiären oder kulturellen Bezug dazu zu haben – den Entschluss gefasst, Troja und Mykene auszugraben, wie er es später dann auch tat.

       die ersten drei Mondknoten

      Der erste Mondknoten mit gut 18 Jahren prägt unser Verhältnis zur sozialen Umwelt. Bei vielen Menschen taucht um diese Zeit der Gedanke auf: »Was will ich?« Diese an das eigene Innere, an das eigene Selbst gerichtete Frage steht im Zusammenhang mit einem tiefen Erinnern an den eigenen Geburtsimpuls. Der zweite Mondknoten mit gut 37 Jahren wirft oft die Frage nach Kraft und Mut auf: Bleibe ich auf dem bisherigen, vielleicht geebneten Weg oder entscheide ich mich zu meinem ureigenen Weg?

      Beim dritten Mondknoten mit gut 55 Jahren kann es darum gehen, Illusionen und Wünsche »sterben« zu lassen und dem Leben noch mal eine neue Richtung zu geben, sich zu einem neuen Impuls zu entschließen. Wenn die Kraft dazu fehlt, können auch Resignation, Krankheit oder in einzelnen Fällen vielleicht sogar ein frühzeitiger Tod folgen.

      Ein vierter Mondknoten, im Alter von gut 74 Jahren, zeigt meist weniger Übergeordnetes – wesentliche Dinge sind da meist schon bewältigt.

       Wendepunkte der Biografie

      Auf diese Wendepunkte in der Biografie kann in der Begleitung von Menschen mit Unterstützungsbedarf die Aufmerksamkeit gerichtet werden – insbesondere, wenn man eine seelische Verschattung beobachtet, die von Mitarbeitenden zunächst nur als schwer einfühlbar empfunden wird.

      Andreas, ein 38-jähriger Mann mit leichter bis mittelgradiger Intelligenzminderung, war mir persönlich aus der heilpädagogischen Betreuung als Kind bekannt. Fast 30 Jahre später – dazwischen bestanden nur kurze punktuelle Kontakte – bat er mich, ihn aufzusuchen. Zum verabredeten Termin stand er, festlich mit Anzug und Krawatte gekleidet, vor seiner Einrichtung. Er leitete mich zunächst wortlos durch den Wald zu einer Lichtung und offenbarte dann: »Ich möchte einmal Kutsche fahren.«

      Mit diesen Worten drückte er einen inneren Impuls, ein Bedürfnis nach Veränderung aus. Es resultierte daraus ein mehrwöchiges Praktikum in einer Einrichtung mit Landwirtschaft – und eben Pferden. Dort konnte diesem Wunsch, Kutsche zu fahren, entsprochen werden. Nach dem Praktikum kam Andreas erfüllt und seelisch befriedigt in seine ursprüngliche Einrichtung zurück.

       Biografische Entwicklung bei Menschen mit Assistenzbedarf

       Vertrautes loslassen

      Fast in jeder Biografie geht es, einmal oder mehrmals, darum, Vertrautes loszulassen. Gerade die wesentlichen Entwicklungsschritte bedürfen oft dieses Loslassens – manchmal gar eines wirklichen Sprungs in gänzlich Neues, Unbekanntes und Herausforderndes.

      In seinem West-östlichen Divan beschreibt Goethe das folgendermaßen:

      Und so lang du das nicht hast,

       Dieses: Stirb und werde!

       Bist du nur ein trüber Gast

       Auf der dunklen Erde.9

       Mut zu Neuem

      Dieses »Stirb und werde« vollzieht sich in der Biografie von Menschen mit Intelligenzminderung auf unterschiedlichste Weise. Sei es das Verlassen des Elternhauses,

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