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hat: Diese Angst kann entstehen, wenn Entwicklungsschritte nicht angegangen oder bewältigt werden und ein Mensch vor den Herausforderungen stehen bleibt, die sein Leben ihm stellt. Ein englisches Wort mag dies erläutern: »A ship in a harbour is safe – but this is not what ships are built for« (Ein Schiff im Hafen ist sicher – aber dafür ist es nicht gebaut!). Stehen zu bleiben kann vielleicht vordergründig Sicherheit bedeuten, letztlich aber führt das Verharren, der mangelnde Mut, Schritte im eigenen Leben zu gehen, zu einem ausgeprägten Leiden.

      Letztlich ist der Kern dieser Angst ein Zurückschrecken vor der eigenen Entwicklung, die Angst vor der »Individuation« (nach C. G. Jung).36

       Borderline-Syndrom

      Das Borderline-Syndrom kann von schweren Ängsten begleitet werden, die im Grunde diese Erkrankung prägen. Die Ängste kreisen hierbei um ein chronisches Gefühl der Leere und Langeweile und ein oft unerträgliches Empfinden innerer Orientierungslosigkeit. Dies bedingt die affektive Instabilität mit sowie das verzweifelte Bemühen, ein tatsächliches oder vermutetes Verlassen-Werden zu verhindern. Darin besteht vor allem der Kern dieser tiefen Angst. Der Versuch, dieser oft als gänzlich unerträglich empfundenen Angst auszuweichen, kann hinter den meisten der vielfältigen Symptome dieses Syndroms erkannt werden.

       Demenz

      Gerade am Beginn einer Demenz erlebt der Mensch seine nachlassende Orientierungsfähigkeit. Der damit einhergehende Verlust und die zunehmend erzwungene Aufgabe von Autonomie kann zunächst eine Quelle tiefer Angst sein. Im weiteren Verlauf der Erkrankung wird letztlich alles immer wieder neu und unüberschaubar für die Betroffenen. Sie können nicht auf Erfahrungen und erworbene Bewältigungsstrategien von Aufgaben und Herausforderungen zurückgreifen. Dies verunsichert einen Menschen zutiefst und führt zu extremster Angst. Das damit einhergehende Ausgeliefertsein verstärkt diese Angst.

       Posttraumatische Belastungsstörung

      Auch die Symptomatik der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder auch Traumafolgestörung ist geprägt durch Angst. Hintergrund dieser wesentlichen seelischen Erkrankung ist eine massive Überforderung, ein Ausgeliefertsein, erlittene Gewalt oder Ähnliches. Ursache ist ein einmal oder anhaltend erlittener Einbruch in schützende Hüllen – seien dies Hüllen der umgebenden Personen, seien es eigene seelische Hüllen. Die PTBS ist gekennzeichnet durch fehlende Hilfe, vermissten Schutz, Ohnmacht, Ausgeliefertsein und Entgrenzung.

      Angst ist ein zentrales begleitendes Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung. Eine frühe schwere Traumatisierung kann die Ausbildung und Funktion von Gehirnstrukturen beeinträchtigen, die mit Angstentstehung, Angstwahrnehmung und Angstbewältigung grundlegend verbunden sind (siehe das Kapitel über die PTBS, Seite 80 ff.).

       Anorexie

      Ess-Störungen werden geprägt und verursacht durch Angstphänomene. So verbirgt sich hinter der Anorexie, insbesondere der Pubertätsmagersucht, die Angst vor der Selbstwerdung, vor der eigenen Persönlichkeitsreifung, insbesondere auch der Ausbildung einer sexuellen Identität. All dies steht hinter der Angst vor einer Gewichtszunahme – die in der Selbstwahrnehmung äußerer Ausdruck dieser »Selbstwerdung« ist.

       Bulimie

      Bei Menschen, die eine Bulimie entwickeln, zeigt sich oft hinter einer äußeren »Fassade« eine tiefe Selbstunsicherheit: die Angst, als der Mensch »entdeckt zu werden«, der man eigentlich ist – und tiefe Scham gerade auch gegenüber dem eigenen Essverhalten. Eine Scham, die auch den Zugang zum anderen oft sehr erschwert.

       Angst als begleitendes Symptom körperlicher Erkrankungen

      Ehe die eigentlichen und zentralen Angstkrankheiten angesprochen werden, ist es auch in diesem Zusammenhang zwingend erforderlich, noch einmal zu betonen, dass einer psychiatrischen Diagnose immer eine gründliche Abklärung möglicher körperlicher Ursachen vorausgehen muss. Dies gilt insbesondere für Menschen, die sich verbal nicht ausdrücken können.

       internistische Erkrankungen

      Mögliche internistische Erkrankungen, die mit Ängsten auftreten können, sind zum Beispiel Hypoglykämien (Unterzuckerung) bei Blutzuckererkrankungen, Eisenmangel, generell Formen einer Anämie, Schilddrüsenstoffwechselstörungen, Elektrolytstörungen sowie Lungenerkrankungen. Außerdem werden vor allem Zustände und Erkrankungen, die mit dem Herzen zusammenhängen, oft als ängstigend erlebt: Ohnmachtssituationen bzw. Synkopen (zum Beispiel verursacht durch plötzlich aufgetretenen erniedrigten Blutdruck) sowie auch schwerere Erkrankungen wie Angina pectoris, Herzschlagunregelmäßigkeiten (kardiale Arrhythmie) und natürlich die schwerste hier mögliche Erkrankung, der Herzinfarkt.

       neurologische Erkrankungen

      Auch im Bereich der Neurologie gibt es Erkrankungen, die mit Ängsten einhergehen können, wie Formen der Epilepsie (vor allem die Temporallappenepilepsie), multiple Sklerose, neuro-degenerative Erkrankungen sowie die Parkinson-Erkrankung (insbesondere im Hinblick auf die damit einhergehenden Bewegungseinschränkungen).

      Diese Erkrankungen sollen hier nur als wenige Beispiele einer großen Anzahl internistischer oder neurologischer Erkrankungen aufgeführt werden, die zu einer Angstsymptomatik führen können.

       Angst als begleitendes Symptom von frühkindlichen Hirnschäden sowie von chromosomal bedingten Syndromen

       Reaktion auf Überforderung

      Im Bereich von Heilpädagogik und Sozialtherapie ist Angst ein sehr häufig anzutreffendes Symptom. Fast immer tritt es als Reaktion auf eine individuelle oder spezifische Überforderung auf.

      Im besonderen Maße bedürfen Menschen mit einem Fragilen X-Syndrom, aber auch Menschen mit einem Williams-Beuren-Syndrom hier unserer schützenden Aufmerksamkeit. Aber auch das Gebaren von Menschen mit einem Angelman-Syndrom muss hier genannt sein: Allzu häufig wird deren offenes, scheinbar lächelnd-zugewandtes Verhalten verkannt, dem diese Personen ausgeliefert sind.

      Herauszuheben sind unter diesem Aspekt auch Menschen mit einer autistischen Veranlagung, einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Bedingt durch deren alles dominierende Sinnesverarbeitungsstörung können auch scheinbar alltägliche Sinneseindrücke überwältigend und dadurch angstauslösend wirken (Weiteres hierzu siehe in den Kapiteln über die »Psychiatrischen Aspekte heilpädagogischer Bilder« und die »Autismus-Spektrum-Störung«, Seite 277 ff. und 317 ff.).

       der eigenen Angst nicht ausweichen

      Das gilt es voranzustellen: Angst ist unabdingbar, Angst begleitet die gesunde Entwicklung, ja: fördert sie im immer neuen Aushalten und Bewältigen. Angst geht mit den unterschiedlichen Formen seelischer Erkrankungen einher. Das heißt aber auch: Wenn ich mich auf die Begleitung eines Menschen mit Assistenzbedarf einlasse, werde ich Angst begegnen. Und wenn ich der Angst des anderen begegne, werde auch ich mit meiner eigenen Angst konfrontiert. Und ich werde dem anderen umso mehr ermutigende Unterstützung sein, wie ich meiner eigenen Angst, meinen eigenen Ängsten nicht ausweiche.

      Die Akzeptanz, selber Ängste zu haben, und ein offener und wachsend freier Umgang mit meinen eigenen Ängsten eröffnen dem anderen den Weg, sich seinen Ängsten anzunähern. Die vertrauensvolle Akzeptanz, das bewusste Einlassen auf meine Ängste ist eine wesentliche Grundlage, das Entwicklungspotenzial des anderen wahrnehmen zu können.

      Auf dieser Haltung baut Therapie auf –

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